Artikel erschienen am 14.12.2015
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Was ist (m)ein Unternehmen wert?

Von Martin Schrahe, Herford

Aktuell ist das Umfeld für Unternehmenstransaktio­nen günstig – dank niedriger Zinsen und robuster Konjunktur. Gute Unternehmenszahlen sorgen für attraktive Bewertungen, bei denen mancher Mittelständler ins Nachdenken kommt, insbesondere, wenn kein geeigneter Nachfolger aus der Familie bereit steht. Zusätzlich werfen immer mehr ausländische Investoren einen Blick auf die Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand. Hier gibt es zahlreiche Technologie- und / oder Weltmarktführer, die für Investoren besonders interessant sind.

Der Wert eines Unternehmens ist für jeden Verkäufer und Käufer unterschiedlich. Der Unternehmenswert ist theoretisch der Wert, den der bestmögliche Käufer bereit ist, für das Unternehmen zu bezahlen. Die Preisuntergrenze ist der Liquidationswert, der Wert, den man erhält, wenn das Unternehmen stillgelegt werden würde. Erwerber suchen Kostensenkungspotienziale, Wachstumschancen, Zugang zu neuen Kunden und Technologien. Digitalisierung der Geschäftsmodelle ist der langfristige Megatrend. Die Preisobergrenze ist aus Sicht des Käufers der strategische Wert, d. h. der Wert des Unternehmens unter Einrechnung aller möglichen Synergien.

In der Praxis werden Unternehmensbewertungen mittels Ertragswertverfahren oder Discounted-Cashflow-Verfahren, die den Unternehmenswert auf Basis des Zukunftserfolges oder des erwarteten Cashflows bestimmen, durchgeführt. Entscheidend für den Erwerber ist, wie hoch die Erträge in der Zukunft vermutlich sein werden. Werden diese Erträge kapitalisiert, erhält man den Ertragswert des Unternehmens. Der Zinssatz hierfür setzt sich aus der Rendite für festverzinsliche Bundeswertpapiere zzgl. eines Risikozuschlages zusammen. Bei gleichen Annahmen führen beide Verfahren zu identischen Ergebnissen.

Für eine erste Einschätzung eignen sich Marktwertverfahren, die den Wert anhand branchenüblicher Multiplikatoren ermitteln. Eine einfache überschlägige Bewertung kann z. B. anhand des EBIT erfolgen. EBIT ist definiert als nachhaltiges Betriebsergebnis vor Zinsen und Ertragsteuern. Zur Ermittlung des nachhaltigen Betriebsergebnisses werden außerordentliche Aufwendungen und Erträge, Sonderabschreibungen und Ähnliches eliminiert. Für den Inhaber wird ein angemessenes Gehalt eingerechnet. Auf diesen EBIT wird ein branchenüblicher Multiplikator angewendet. Auf den sich dann ergebenden Wert werden die liquiden Mittel bei Banken und verzinsliche Forderungen addiert, die zinstragenden Verbindlichkeiten werden entsprechend abgezogen. Je nach Branche schwanken die Multiplikatoren, wobei aktuell die Mehrzahl der Unternehmen bis 50 Mio. Euro Jahresumsatz mit einem EBIT-Multiplikator von 6 bis 9 bewertet werden. Für Unternehmen, die Alleinstellungsmerkmale vorweisen können, wird auf diesen Wert oft noch eine strategische Prämie bezahlt. Umgekehrt werden für „inhaberzentrierte Unternehmen“ Abschläge verhandelt, weil für den Erwerber das Risiko steigt, wenn keine zweite Führungsebene bereitsteht, die das Unternehmen mit weiterführt. Verkaufshindernisse sind für Dritte undurchschaubare Verhältnisse und Risiken sowie die Abhängigkeit von einzelnen Großkunden oder Lieferanten.

Schließlich wird der potenzielle Käufer einen genauen Blick auf die Jahresabschlüsse werfen. Schrumpft das Unternehmen, statt zu wachsen, oder sind die Bankschulden höher als der Kaufpreis für das schuldenfreie Unternehmen, wird er schnell abwinken. Banken erwarten, dass für die Akquisitionsfinanzierung Eigenmittel eingesetzt werden. Je größer die Chancen, desto größer die Risiken. Private-Equity-Investoren sind häufig bereit, größere Risiken als die Banken einzugehen, deshalb erwarten sie höhere Renditen für das zur Verfügung gestellte Kapital. Sie können dank ihres Know-hows bei der Durchführung solcher Transaktionen ein wertvoller Partner sein. Allerdings können Private-Equity-Investoren i. d. R. keine Synergien heben, was zu tendenziell niedrigeren Kaufpreisen führt als bei strategischen Investoren.

Hat man sich dazu entschlossen, einen Käufer zu suchen, so sollten zeitnah Jahresabschlüsse erstellt und nach Möglichkeit von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Darüber hinaus sollten für zumindest drei, besser fünf Jahre realistische Plandaten vorgelegt werden können. Im nächsten Schritt der Käufersuche sollte man sich fragen, welcher potenzielle Erwerber den größtmöglichen Nutzen/die größten Synergien aus dem Erwerb des Unternehmens ziehen könnte, denn dieser wäre – zumindest theoretisch – bereit, auch den höchsten Kaufpreis zu bezahlen. Ein weiterer Aspekt ist, dass der Käufer über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügen muss. Hiervon kann man i. d. R. ausgehen, wenn der Käufer mindestens drei- bis fünfmal finanziell größer ist als der Verkäufer. Neben dem reinen Kaufpreis sollte sich ein Verkäufer aber auch einige weitere wichtige Fragen stellen. Erfolgt die Bezahlung sofort oder später und besteht im letzteren Fall ein Ausfallrisiko? Das Gleiche gilt, soweit der Verkäufer dem Käufer ein Darlehen gewährt. Darüber hinaus muss sich der Verkäufer im Klaren sein, in welcher Höhe, mit welcher Dauer und mit welcher Absicherung er Gewährleistungen übernehmen möchte. Schließlich spielt auch die steuerliche Gestaltung eine erhebliche Rolle. Für den Käufer macht es einen Unterschied, ob er die Anschaffungskosten steuermindernd durch Abschreibungen geltend machen kann wie beim Kauf von Wirtschaftsgütern oder Anteilen an Personengesellschaften (Asset Deal) oder nicht, wie beim Kauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Share Deal).

Wenn man den Adressatenkreis festgelegt hat, wird den potenziellen Erwerbern zunächst ein Blindprofil zur Verfügung gestellt. Je genauer dieses Profil ist, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Es werden zwar weniger Adressaten angesprochen, aber zielgerichteter und damit steigen die Chancen für eine erfolgreiche Ansprache. Bei mehreren Interessenten bietet sich eine „kon­trollierte Auktion“ an. Der Wettbewerb unter den Bietern macht zwar mehr Aufwand, lohnt sich unter dem Strich aber, weil fast immer höhere Preise erzielt werden können als in aufeinanderfolgenden Verhandlungen. Weitere Daten werden erst nach Vereinbarung einer bindenden Vertraulichkeitserklärung weitergegeben. Im nächsten Schritt vereinbaren Käufer und Verkäufer eine Absichtserklärung (Letter of Intent), in der Käufer und Verkäufer die wichtigsten Eckdaten einvernehmlich festlegen. Im Anschluss wird der Käufer eine Prüfung vor Ort (Due Diligence) im Unternehmen oder auch in einem digitalen Datenraum durchführen wollen. Der Käufer wird eine sorgfältige Analyse und Prüfung vornehmen, um verborgene Chancen und Risiken auszuloten. Die finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Verhältnisse sowie die Plandaten werden genau unter die Lupe genommen. Insbesondere, wenn das Unternehmen mehreren Kaufinteressenten angeboten werden soll, ist eine Due Diligence durch den Verkäufer selbst vor der Ansprache möglicher Interessenten angeraten. Man kann hierdurch Schwachstellen erkennen und abstellen und ist vor negativen Überraschungen sicher. Zu beachten ist, dass u. U. das Kartellamt die Übernahme genehmigen muss. In diesen Fällen ist eine frühzeitige Einschaltung des Kartellamtes ratsam. Verläuft die Due Diligence zufriedenstellend, steht dem Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr viel entgegen, sollte man meinen.

Bei einem Unternehmen mit einer Vielzahl von Gesellschaftern ist zunächst die erste große Schwierigkeit, sich auf den Käufer und den (Mindest-)Verkaufspreis zu verständigen. Der häufigste Grund für scheiternde Unternehmenstransaktionen sind überhöhte Preisvorstellungen der Verkäufer. Wenn es um das Lebenswerk oder Familienerbe geht, spielen immer Emotionen eine große Rolle. Emotionen führen so gut wie immer zu überhöhten Preisvorstellungen. Hiervon den Verkäufer zu überzeugen, ist selbst für professionelle Berater eine nicht einfach zu nehmende Hürde. Geht man gut vorbereitet, mit realistischen Erwartungen und mit professioneller Begleitung in die Verhandlungen, sind die Chancen relativ gut, am Ende auch den erwünschten Abschluss machen zu können.

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