Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen – ein Fazit
Über 80 % der überprüften Widerrufsbelehrungen in den Verträgen sind falsch
Von Sebastian Birke, LL.M., Bad OeynhausenDurch die mediale Berichterstattung in dem zurückliegenden Jahr 2014 ist das brisante Thema der fehlerhaften Widerrufsbelehrungen in den Darlehensverträgen der Banken und der daraus folgenden Chance für die Verbraucher, aus den Verträgen ohne die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung auszusteigen, noch immer im Fokus.
Welche Widerrufsbelehrungen sind überhaupt fehlerhaft?
Als bekanntestes Beispiel einer vom BGH als fehlerhaft beurteilten Widerrufsbelehrung ist die Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ anzuführen. Aber nicht nur solche Widerrufsbelehrungen, die den vorgenannten Belehrungstext beinhalten, sind fehlerhaft. Die Überprüfung von Widerrufsbelehrungen der verschiedensten Kreditinstitute und auch die in der jüngsten Vergangenheit über eine Reihe von Widerrufsbelehrungen ergangenen Gerichtsurteile lassen die Schlussfolgerung zu, dass über 80 % der untersuchten Widerrufsbelehrungen die Verbraucher gemäß § 355 BGB nicht deutlich genug über ihre Rechte und Pflichten belehren. Entweder werden von den Banken wichtige Belehrungspassagen vollständig weggelassen oder die Verbraucher werden durch Zusätze, verschachtelte Sätze und Paragrafen verwirrt. Auf eine Gesetzlichkeitsfiktion können sich nur die wenigsten Banken berufen. Für die Verbraucher bedeutet diese hohe Anzahl an fehlerhaften Widerrufsbelehrungen, dass sie ihre Verträge, die sie in der Zeit vom 02.09.2002 bis zum 10.06.2010 abgeschlossen haben, durch einen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Anwalt auf Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrungen überprüfen lassen sollten.
Welche Möglichkeiten haben die Darlehensnehmer?
Den Darlehensnehmern steht bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht zu. Die Bank wäre bei einem Widerruf von Gesetzes wegen dazu angehalten, die Verbraucher ohne die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Darlehen vorzeitig zu entlassen. Die Darlehensnehmer müssten an die Bank allerdings die noch offenstehende Restdarlehensvaluta zahlen. Vor einem Widerruf sollte daher unbedingt eine Finanzierungszusage – zu einem aktuell niedrigen Zinssatz – einer anderen Bank vorliegen, wenn der Kredit nicht mit eigenen Mitteln zurückgezahlt werden kann.
Ein Immobiliendarlehensvertrag kann sogar dann noch nachträglich widerrufen werden, wenn er schon vollständig abgelöst worden ist. Wenn der Verbraucher also die Immobilie veräußert hat und das Darlehen bei der Bank bereits abgelöst worden ist, muss die Bank bei einem nachträglich erklärten Widerruf die von den Darlehensnehmern gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung nebst Zinsen zurückzahlen.
Die Verbraucher haben aber auch die Möglichkeit, mit der Bank über die Umschuldung des bestehenden Darlehens zu einem niedrigeren Zinssatz in Verhandlung zu treten.
Wie verhalten sich die Banken?
Im Bereich der fehlerhaften Widerrufsbelehrungen scheuen die Kreditinstitute gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Darlehensnehmern und sind in der Regel zu außergerichtlichen Vergleichen bereit, wenn die Rechte des Verbrauchers durch ein fundiertes außergerichtliches Anwaltsschreiben geltend gemacht werden. Auch wenn die Bank dem Darlehensnehmer bereits wunschgemäß nach dem persönlich erklärten Widerruf eine Abrechnung des Darlehensvertrags übermittelt oder ein Vergleichsangebot für einen neuen Darlehensvertrag zu einem aktuellen Zinssatz angeboten hat, so sollte der Verbraucher diese Angebote der Bank dennoch von einem spezialisierten Anwalt auf Angemessenheit überprüfen lassen.
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