Artikel erschienen am 12.12.2014
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Die Aktie: Besser als ihr Ruf?!

Von Karsten Pohl, Paderborn

Aktienanlage – Fluch oder Segen? Die Antwort auf diese Frage ist abhängig von der Sicht des Betrachters. Fakt ist, dass wir Deutschen immer weniger in Aktien bzw. Aktienfonds investieren. Vom Höchststand mit nahezu 13 Millionen Aktienanlegern 2001 ist diese Zahl 2013 auf unter neun Millionen gefallen.

Wie kommt das? Versprechen doch Aktienanlagen langfristig überdurchschnittliche Renditen. Wer das Kapital hingegen so konservativ investiert wie wir Deutschen, der könnte langfristig einen Fehler machen. Grund für die Abkehr vom Aktienmarkt sind sicherlich die zum Teil starken Ausschläge der Aktienmärkte in den zurückliegenden 15 Jahren. Wer erinnert sich nicht an die scharfen Kursrückgänge von 2000 bis 2003 oder 2008 bis März 2009 oder das zweite Halbjahr 2011. Die Aktienmärkte wären derzeit nicht nahe ihrer historischen Höchstkurse, hätte es zwischendurch nicht noch deutlich stärkere Kurssteigerungen gegeben. Sicherlich, die Schwankungsbreite der Kursentwicklungen hat in diesem Jahrtausend zugenommen. Zusätzlich kommen Kursrückgänge immer überraschend und sind letztendlich schwer vorhersehbar. Das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis der Deutschen bei der Kapitalanlage führt scheinbar zu einer Abkehr von der Aktienanlage. Warum können wir die Aktienanlagen, sofern sie breit gestreut sind, nicht auch langfristig wirken lassen? Warum halten uns diese bekanntermaßen temporären Kursrückschläge von der Aktienanlage ab? Vielleicht ist es auch die Angst, sich selbst eingestehen zu müssen, dass der Zeitpunkt der Anlageentscheidung im Nachhinein zunächst ungünstig war. Aber deshalb auf die Vorteile der Aktienanlage verzichten?

Was sind die Alternativen? Kann eine Geldanlage mit einem risikolosen Zins von unter 0,5 % noch als sicher bezeichnet werden, wenn doch die Inflationsrate und die Steuern zu einem realen Kaufkraftverlust führen? Dabei werden sich die Rahmendaten unseres Erachtens auf lange Sicht nicht ändern. Wer in den nächsten fünf Jahren auf steigende Zinsen setzt und deshalb kurzfristig anlegt, könnte eine große Enttäuschung erleben.

Aber nun der Versuch einer realistischen Einschätzung: Denn die Rückrechnung der erzielbaren Aktienrendite bei Indexhöchstständen ist genauso unrealistisch für den Neueinsteiger wie dieselben Berechnungen nach einem scharfen Aktienmarktrückgang. Fakt ist, dass langfristig betrachtet die Investition in unternehmerisches Kapital eine höhere Wertentwicklung zeigen muss als der risikolose Zins. Denn wer etwas „unternimmt“, der investiert gerade nicht risikolos und muss dafür einen zusätzlichen Ertrag erhalten.

Weiterhin gilt, dass die Investition in Aktien einen langfristigen Anlagehorizont voraussetzt, gerade um die höhere Volatilität aufzufangen. Die Frage nach der Höhe der Aktienquote in einer gut strukturierten Gesamtallokation der Vermögenswerte kann nur individuell festgelegt werden – ist sie doch von vielen persönlichen Faktoren abhängig.

Die Grundregel „100 minus Lebensalter“ bildet auch dabei nur eine grobe Orientierungshilfe. An den beiden Extremen liegt diese Pauschalallokation durchaus richtig. Wer hat einen längeren Zeithorizont bis zur Verfügung der Kapitalanlage als ein neugeborenes Kind? Dabei müssen nicht riesige Beträge angelegt werden. Mit einem Aktienfondssparplan ab 50 Euro im Monat, Quartal oder Halbjahr können Eltern oder Großeltern für den neuen Erdenbürger eine gute finanzielle Grundlage schaffen.

Im hohen Alter neigen Anleger dazu, frühzeitig auf risikolose Anlagen umzuschwenken. Sofern absehbar ist, dass das Kapital noch zu Lebzeiten vollständig verbraucht wird oder von den Erben sofort zur Schuldentilgung verwendet werden muss, ist diese vorsichtige Vorgehensweise sicherlich richtig. Ansonsten sollte sich jeder potenzielle Erblasser die Frage stellen, ob für die Erben nicht ebenfalls eine gut strukturierte, auch in Aktien investierte Gesamtanlage mit entsprechenden Renditeaussichten attraktiv und richtig ist. Die Vermögensnachfolger werden es danken.

Nach diesen teils „philosophischen“ Betrachtungen nun ganz konkret: In der Kapitalanlage müssen wir neben der Betrachtung der Risiken immer auch die Chancen sehen. Die durchschnittliche Dividendenrendite der größten 30 Unternehmen im deutschen Aktienindex (DAX) liegt aktuell bei über 3 %, die der Euro-Stoxx-50-Unternehmen bei ca. 4 %. Die großen Unternehmen der Ölbranche weisen in Europa Dividendenrenditen von ca. 4 bis 6 % auf! Dann dürfen Aktienanlagen zwischenzeitlich auch gerne Kursschwankungen aufweisen. Sofern das Geld nicht kurzfristig benötigt wird, kann der Anleger allein mit der erzielten Dividende die Ausschüttungs-Cashflows des Gesamtfinanzvermögens deutlich steigern. Bei einer defensiven Gesamtausrichtung mit einer Aktienquote von bspw. 25 % kann so allein aus der Aktienanlage die aktuelle Inflationsrate überkompensiert werden.

Der Langfristanleger will an den unternehmerischen Erfolgen seiner Aktienanlagen partizipieren. Dabei ist es wichtig, das Risiko von einzelnen unternehmerischen Misserfolgen möglichst zu minimieren. Die Vorgehensweise ist einfach – Streuung heißt das unbedingte Gebot. Dies kann bekanntermaßen bei der Aktiendirektanlage über ein nach Branchen, Regionen und Währungsgebieten breit diversifiziertes Aktienportfolio geschehen. Dazu sollten mindestens 10 Einzelaktienpositionen aufgebaut werden.

Alternativ bieten sich aktiv oder passiv gemanagte Aktienfonds an. Unter aktiv gemanagten Fonds verstehen wir die bekannten Publikumsfonds. Diese sollten sich durch einen langfristigen Track-Record auszeichnen, also eine entsprechende Mehrperformance gegenüber dem zugrunde liegenden Aktienindex aufweisen. Die passiv gemanagten ETF (Exchange-Traded-Funds) bilden dagegen die Wertentwicklung des hinterlegten Aktienindex nahezu unmittelbar ab und verzichten auf ein kostspieliges Management. Dafür gibt es keine Über- oder Untergewichtungen von erwartet positiv oder negativ performenden Einzelwerten.

Gerade der Anleger, der sich etwas näher mit der Aktienanlage beschäftigen möchte und ggf. auch in Einzelaktien investiert, sollte sich neben der Verteilung der Chancen auf mehrere Einzelwerte auch über den Investitionszeitpunkt Gedanken machen. In der aktuellen Situation historisch hoher Aktienkurse und der Diskussion über das künftige Wirtschaftswachstum macht es Sinn, neben sofortigen Investitionen auch Kurslimite ferstzulegen, die den Kauf oder Nachkauf von Aktien zu niedrigeren Kursen ermöglichen.

Da diese Limitorders nur bei entsprechenden Kursrückgängen greifen können, bleibt das Geld bei steigenden Kursen dagegen auf dem Anlagekonto liquide und somit nahezu zinslos verbucht. Hier bieten Discountzertifikate eine gute Alternative. Diese rechtlich betrachteten Bankschuldverschreibungen beinhalten die Verpflichtung, den zugrunde liegenden Basiswert (z. B. Aktie oder Aktienindex) zu einem niedrigeren Preis (Basispreis unter aktuellem Kurs) kaufen zu müssen. Liegt bei Fälligkeit der Preis der Aktie über dem Basispreis (CAP), wird dem Anleger dieser zurückgezahlt und er erhält somit eine durchaus respektable Prämie. Liegt der Preis der Aktie unter dem Basispreis, so erhält der Anleger die Aktie oder den Gegenwert des Börsenschlusskurses in bar ausgezahlt und kann sich dann selbst die verbilligte Aktie an der Börse kaufen. Ergebnis: Im derzeitigen Marktumfeld können interessante Aktienwerte bei einer Laufzeit von bspw. einem Jahr mit einem Abschlag von über 10 % erworben werden. Bei gestiegenen Kursen erzielt der Anleger immerhin eine ansehnliche Rendite, wie nachstehendes Beispiel zeigt:

Beispiel (Stand: 10.11.2014):

BasiswertCapBewertungstagKurs Basiswert ca.
SAP 50,00 Euro 18.12.2015 53,39 Euro
Kurs Zertifikat ca.Discountmax. Rendite p.a.
46,39 Euro 13,00 % 6,75 %

Es bleibt für viele Anlageberater rational betrachtet ein Rätsel, warum die Kapitalanleger seit der Finanzmarktkrise lieber Aktienanleihen als Discountzertifikate erwerben. In der klassischen Ausprägung weisen beide Anlageformen ein nahezu identisches Rendite-Risiko-Profil aus. Dabei sind Discountzertifikate in der Regel für den Anleger liquider, kostengünstiger und transparenter. Der Grund liegt darin, dass im Begriff „Aktienanleihe“ nicht das vermeintliche „Unwort“ Zertifikat auftaucht. Das Emittentenrisiko ist in beiden Anlagearten identisch. Hier agieren die Anleger wohl eher emotional als rational.

Aber zurück zu den Timing-Überlegungen: Um das kurzfristige Aktienrisiko in den Griff zu bekommen, kann der Anleger entweder kostenpflichtige Absicherungsstrategien vornehmen oder die Investitionen auch zeitlich strecken. Dabei bieten die über viele Jahre investierenden Einzahlpläne in Aktienfonds unschlagbare Vorteile. Wird regelmäßig (möglichst monatlich) ein bestimmter Betrag investiert, so werden bei hohen Aktienkursen relativ wenig Fondsanteile und bei niedrigen Kursen relativ viele Fondsanteile erworben. Dieses klassische Durchschnittskostenprinzip wirkt gerade bei langfristigen Einzahlphasen bei jungen Menschen oder zur Altersvorsorge fantastisch. Aufgrund der auch unterjährigen Schwankungsbreite der Aktienmärkte sollte jeder Anleger, der eine Einmalanlage in Aktienfonds beabsichtigt, darüber nachdenken, die Investition über 6 bis 24 Monatsraten zu strecken. Diese sog. „Investitionspläne“ sind absolut sinnvoll, werden aber noch zu selten in Anlagekonzepten umgesetzt.

An der Beispielrechnung eines weltweit investierenden Aktienfonds wird deutlich, wie stark sich die Schwankungsbreite einer Einmalanlage von der eines regelmäßigen Ansparplans unterscheiden kann.

Die Grafik basiert auf Berechnungen gemäß BVI-Methode und veranschaulicht die Wertentwicklung in der Vergangenheit. Zukünftige Ergebnisse können sowohl niedriger als auch höher ausfallen. Die Wertentwicklung berücksichtigt die auf Fonds-ebene anfallenden Kosten (z. B. Verwaltungsvergütung) und den Ausgabeaufschlag des jeweiligen Sondervermögens, ohne die auf Kundenebene anfallenden Kosten (z. B. Depotkosten) einzubeziehen. Steuerliche Aspekte und Dynamisierungen bleiben unberücksichtigt.

Ist die Aktie besser als ihr Ruf? Das Fazit lautet eindeutig ja! Wer gewisse Grundregeln im Umgang mit Aktien beherzigt, für den bleibt im Bereich des Finanzvermögens die Aktienanlage nahezu alternativlos. Gerade in der derzeitigen Kapitalmarktsituation muss man das kategorische Negieren dieser Anlageklasse als geradezu sträflich betrachten. Selbstverständlich können individuelle Situationen die Anlage in Aktien verbieten, z. B. bei kurzfristigem Liquiditätsbedarf über das gesamte Finanzvermögen.

Ansonsten gilt es, die Aspekte Streuung und Timing besonders zu beachten: Streuung der Anlage über mehrere Einzelaktien oder über die Anlage in aktiv oder passiv gemanagten Fonds. Das Timing-Risiko kann über limitierte Aktienorders oder die Beimischung von Discountzertifikaten reduziert werden. Langfristig ideal wirken Fondsspar- bzw. Investitionspläne.

Fazit

Eine aktuelle Studie dokumentiert das ganze Ausmaß der deutschen Aktienenthaltsamkeit. Denn nur in 3 der letzten 13 Jahre haben die Deutschen mehr für Aktien als für Blumen und Düngemittel ausgegeben. Hoffen wir, dass dieser Trend sich in den nächsten Jahren umkehren wird, ansonsten wird es ganz eng in der Altersvorsorge.

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