Artikel erschienen am 18.12.2014
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Ausgewählte aktuelle Entwicklungen in der Umsatzsteuer

Von Arthur Jagiella, Bielefeld | Dr. rer. pol. Alexandra Maßbaum, Bielefeld

Die Entwicklungen im Bereich der Umsatzsteuer sind stets im Fluss. Die nachfolgenden Ausführungen fassen ausgewählte, insbesondere für mittelständische Unternehmen relevante, aktuelle Entwicklungen aus Gesetzgebung und Rechtsprechung zusammen.

1. Umsetzung des sog. Mehrwertsteuerpaketes 2010 / „Mini-One-Stop-Shop“

Zum 01.01.2015 tritt die Umsetzung des sog. Mehrwertsteuerpakets 2010, mit dem (insbesondere) die umsatzsteuerliche Beurteilung von Dienstleistungen umfassend neu geregelt wird, in ihre letzte Phase. Hierbei geht es um die Besteuerung von Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie von elektronisch erbrachten Dienstleistungen, die an Verbraucher in der EU erbracht werden. „Verbraucher“ in diesem Sinne sind nicht allein Privatpersonen, sondern z. B. auch Unternehmer, die eine solche Leistung nicht für ihr Unternehmen erwerben, sowie gewisse gleichgestellte Personen.

Den weitaus wichtigsten Teil im grenzüberschreitenden Leistungsaustausch dürften hierbei die elektronischen Dienstleistungen ausmachen – hierzu gehören z. B. die Bereitstellung von Software und anderen Inhalten zum Download (u. a. Musik, Bilder, Filme), aber auch Cloud-Lösungen, das Webhosting sowie die Benutzung von Suchmaschinen. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein. Nicht zu den Kommunikationsdienstleistungen zählen – z. B. – Beratungen durch Rechtsanwälte per E-Mail oder von einem Lehrer erteilter Unterricht, wenn das Internet nur als Kommunikationsmittel dient.

Die Leistungen, die von der Neuregelung betroffen sind, hat die EU in nicht abschließend formulierten Positiv- und Negativlisten aufgezählt. Die deutsche Finanzverwaltung hat sich zur neuen Rechtslage und zur genauen Anwendung der neuen Vorschriften noch nicht geäußert.

Damit erfolgt die Umsatzbesteuerung der vorbezeichneten Leistungen ab dem 01.01.2015 einheitlich nicht mehr in dem Staat, in dem der leistende Unternehmer ansässig ist, sondern am Verbrauchsort. Als Folge hiervon müssen sich Unternehmer entweder in den Mitgliedstaaten, in denen sie die genannten Leistungen ausführen, umsatzsteuerlich erfassen lassen und dort ihren Melde- und Erklärungspflichten nachkommen oder die Vereinfachungsmöglichkeit durch die Sonderregelung „Mini-One-Stop-Shop“ in Anspruch nehmen.

Die ab dem 01.01.2015 in Kraft tretende Sonderregelung des Mini-One-Stop-Shops ermöglicht es den in Deutschland ansässigen Unternehmern, ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU ausgeführten Umsätze, die unter die Sonderregelung fallen, in einer besonderen Steuererklärung zu erklären, diese Steuererklärung zentral über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auf elektronischem Weg zu übermitteln und die sich ergebende Steuer insgesamt zu entrichten. Diese Regelung gilt allerdings nur für die Umsätze in anderen Mitgliedstaaten der EU, in denen der Unternehmer keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte hat.

Im Zusammenhang mit der Leistungserbringung muss der Anbieter nunmehr auch den Ansässigkeitsort des Kunden kennen sowie feststellen, ob er an einen Verbraucher oder einen Unternehmer (oder eine gleichgestellte Person) leistet. Davon wird es in den meisten Fällen abhängen, ob er ausländische Umsatzsteuer auf der Rechnung ausweisen muss oder ob die Steuerschuld im Zielstaat auf seinen Kunden übergeht, sodass ein Steuerausweis unterbleiben sollte. Im Allgemeinen sollte ein Dienstleistungserbringer bei einer in der EU ansässigen Person aber davon ausgehen, dass er es mit einem Verbraucher zu tun hat, solange der Dienstleistungsempfänger ihm seine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer nicht mitgeteilt hat.

Besondere Erleichterungen gibt es für bestimmte Dienstleister, soweit deren Kunden physisch anwesend sein müssen, um die Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen (z. B. WLAN-Hotspot-Anbieter, Internetcafés usw.). Sie dürfen im Allgemeinen davon ausgehen, dass (vereinfacht ausgedrückt) der umsatzsteuerliche Leistungsort mit dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung identisch ist.

2. Anforderungen an Buchnachweis bei Ausfuhrlieferungen

Wenn ein Unternehmer Ausfuhrlieferungen auf einem separaten Konto und unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechnung verbucht, kann dies ausreichend dafür sein, den Buchnachweis gemäß den einschlägigen Regelungen des Umsatzsteuergesetzes in Verbindung mit der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung zu führen.

Zu diesem Urteil kam der Bundesfinanzhof (Urt. v. 28.08.2014 – Az. V R 16/14) und entschied damit den Fall einer Klägerin, die Waren ins Ausland lieferte und diese Lieferungen als umsatzsteuerfrei behandelte.

Der Bundesfinanzhof begründete sein Urteil damit, dass nach den einschlägigen Regelungen im Umsatzsteuergesetz Ausfuhrlieferungen unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei seien. Dass diese Vo-raussetzungen vorliegen, habe der Unternehmer durch entsprechende Belege (Belegnachweise) und durch Aufzeichnungen (Buchnachweise) darzulegen. Für das Führen des Buchnachweises reiche es demnach aus, dass die Ausfuhrlieferungen auf einem separaten Konto und unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechnung verbucht worden seien. Würden diese Nachweise erbracht, sei ein Unternehmer berechtigt, seine Lieferungen als steuerfrei zu behandeln. Er selbst müsse prüfen, ob er die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfülle. Die Finanzverwaltung habe zudem noch das Recht, die erbrachten Nachweise zu überprüfen.

Der Buchnachweis müsse dahingegen bis zu dem Moment vorliegen, bis zu dem der Unternehmer die Umsatzsteuer-Voranmeldung für die Ausfuhrlieferungen abzugeben habe. Nach diesem Zeitpunkt seien nur noch Berichtigungen und Ergänzungen der buchmäßigen Aufzeichnungen möglich.

3. Pkw-Nutzung durch Unternehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte

Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte erfolgt nicht für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, sie unterliegt insofern nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer.

Vor dem Bundesfinanzhof war streitig, ob Fahrten des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH zwischen dem Wohnsitz und gleichzeitigen Firmensitz und der sich in einem anderen Ort befindenden Niederlassung als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte anzusehen waren und ob hierfür ein umsatzsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil anzusetzen war. Zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft.

Die GmbH nutzte auf vertraglicher Basis im Wohnhaus des Geschäftsführers Räumlichkeiten (Unterbringung eines Schrankes). Das Finanzamt unterwarf die Fahrten des Geschäftsführers zwischen seinem Wohnsitz und der GmbH-Niederlassung als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer, was vom Bundesfinanzhof klar abgelehnt wurde (Urt. v. 05.06.2014 – Az. XI R 36/12).

Die Pkw-Verwendung ist nicht als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Während ein Arbeitnehmer (arbeitsrechtlich) verpflichtet sei, während der vereinbarten Arbeitszeit an der Arbeitsstätte zu sein, sodass es grundsätzlich keinen unternehmerischen (betrieblichen) Grund gebe, den Arbeitnehmer vom Wohnort zum Unternehmen (Betrieb) und zurück zu befördern, gelte dies bei entsprechenden Fahrten des Unternehmers nicht. Anders als ein Arbeitnehmer suche ein Unternehmer – wie hier der Kläger als Organträger der GmbH – seinen Betrieb auf, um dort unternehmerisch tätig zu sein. Seine Fahrten zwischen Wohnort und Unternehmen (Betrieb) dienten der Ausführung von Umsätzen. Angesichts des klaren Überwiegens der unternehmerischen Verwendung sei es unbeachtlich, dass die Heimfahrten auch privaten Charakter hätten.

4. Teilselbstanzeige hinsichtlich der Umsatzsteuer-Voranmeldung

Die Bundesregierung hat am 24.09.2014 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (AO) und des Einführungsgesetzes zur AO in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Neben Verschärfungen bei der Selbstanzeige werden darin auch Erleichterungen für Unternehmer hinsichtlich der Umsatzsteuer-Voranmeldung (sowie der Lohnsteueranmeldung) geplant. Die Gesetzesänderungen könnten nach Beschluss des Bundestags und Zustimmung des Bundesrats zum 01.01.2015 in Kraft treten.

Im Zusammenhang mit Umsatzsteuer-Voranmeldungen soll eine praxistaugliche Handhabung eingeführt werden, die der von der Wirtschaft vorgebrachten Kritik Rechnung trägt: Künftig soll hier eine Teilselbstanzeige und damit eine mehrfache Korrektur der Steuervoranmeldungen bzw. eine verspätete Abgabe der Steuervoranmeldungen wieder möglich sein. Jahreserklärungen sind von dieser Neuregelung jedoch weiterhin ausgeklammert.

Fotos: panthermedia/Denzel D. Schulz

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