Verrechnungspreise im Lichte des § 1 AStG
Steuerliche Fallstricke bei der Verlagerung von Geschäftsaktivitäten ins Ausland
Von Dipl.-Kfm. Carsten W.-H. Hüning, Bielefeld | Dr. iur. Uwe Hohage, BielefeldWann liegt eine Funktionsverlagerung vor?
Eine Funktionsverlagerung liegt gem. § 1 Abs. 3 S. 9 AStG vor, wenn
- ein verlagerndes Unternehmen
- einem anderen nahestehenden, übernehmenden Unternehmen
- Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie
- die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt,
- damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und
- dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird.
In der Praxis treten solche Verlagerungen beispielsweise in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb auf.
Welche Folgen hat die Verlagerung von Funktionen?
Sofern eine Funktionsverlagerung dem Grunde nach vorliegt, ist in der Regel ein hypothetischer Fremdvergleich für das sogenannte Transferpaket als Ganzes zu bestimmen. Diese Transferpaketbewertung berücksichtigt sowohl die Gewinnpotenziale des übergebenden als auch des übernehmenden Unternehmens, wobei häufig der Mittelwert der einhergehenden Einigungsbandbreite als Wert für die Einkünfteberichtigung herangezogen wird.
Wie lassen sich solche entschädigungspflichtigen Verlagerungen vermeiden oder der Höhe nach begrenzen
In der Praxis stellt sich grundsätzlich die Frage, ob eine entschädigungspflichtige Funktionsverlagerung dem Grunde nach vermieden werden kann bzw. welche finanzielle Auswirkung eine aus unternehmerischer Sicht nicht vermeidbare Funktionsverlagerung der Höhe nach auf das Unternehmen hat.
Eine Vermeidung von entschädigungspflichtigen Funktionsverlagerungen kann immer dann erreicht werden, wenn der Sachverhalt derart ausgestaltet bzw. dargestellt werden kann, dass die oben genannten Tatbestandsmerkmale nicht allesamt erfüllt werden. In der Praxis ist dies beispielsweise dadurch möglich, dass die Funktionsverlagerung nicht zulasten des abgebenden Unternehmens erfolgt, indem die Funktion im Ausland als reine Verdoppelung der Funktion ohne wesentlichen Umsatzrückgang in Deutschland vollzogen wird. Auch die Ausgestaltung der Auslandsaktivität als Routineleistung kann eine Alternative zur Vermeidung von Entschädigungszahlungen sein.
Sofern die Vermeidung einer Funktionsverlagerung aus unternehmerischer Sicht nicht sinnvoll erscheint, können regelmäßig Bewertungsspielräume über die Faktoren Budgetierung der Gewinnpotenziale, Kapitalisierungszinssatz und Kapitalisierungsdauer genutzt werden. Alternativ kommt gelegentlich auch die Bestimmung von Einzelverrechnungspreisen für die übertragenen Wirtschaftsgüter und /oder Dienstleistungen in Betracht, sofern keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktionsverlagerung einhergehen. Auch eine zeitliche Streckung von Entschädigungszahlungen über Lizenzvergütungen kann gelegentlich vorteilhaft sein.
Folgendes Schaubild illustriert die bei der Bewertung zu berücksichtigenden Aspekte:
Fazit
Erfahrungsgemäß bestehen bei wesentlichen Änderungen von Auslandsaktivtäten erhebliche steuerliche Risiken, aber auch Gestaltungs- und/oder Bewertungsspielräume für den Steuerpflichtigen. Diese sollten frühzeitig in die unternehmerische Überlegung, seine Aktivitäten auszuweiten bzw. zu verändern, einfließen. Unabhängig davon besteht die steuerliche Pflicht, derartige Änderungen zeitnah zu dokumentieren. Eine intensive und möglichst frühzeitige Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist somit eine gute Basis für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten.