Artikel erschienen am 14.01.2013
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Unternehmen vor exotischen Steuern schützen

Emerging Markets erheben hohe Steuern auf Leistungsbeziehungen zu Gruppengesellschaften

Von Dr. iur. Andreas Ball, Bielefeld | Stephan Hielscher, Bielefeld

Sie sind unter dem Begriff „Emerging Markets“, BRIC oder SMIT bekannt und werden als Märkte der Zukunft bezeichnet. Gemeint sind Staaten wie Brasilien, Russland, Indien, China, Südkorea, Mexiko, Indonesien und die Türkei sowie deren hohes wirtschaftliches Wachstum. Die Aussichten auf gute Absatzmöglichkeiten führen immer mehr deutsche Unternehmen in diese Länder. Doch der Markteintritt und die Gestaltung der Leistungsbeziehungen zu Tochtergesellschaften in diesen Ländern muss gut geplant werden. Ansonsten drohen hohe Steuern, die den kalkulierten Gewinn der Leistungsbeziehung aufzehren und sogar zu einem Verlust führen können.

Wird eine Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte im Ausland gegründet, wird sie vom Inland unterstützt, indem Know-how, Rechte, Rezepturen, Verfahren, IT etc. überlassen werden. Darüber hinaus werden auch Mitarbeiter in das Ausland entsandt, um bspw. die Produktion aufzubauen, Kollegen zu schulen, den Markt zu sondieren, Qualitätsstandards zu sichern und Aufträge zu akquirieren. Dabei wollen deutsche Mitarbeiter während dieser Zeit beim inländischen Arbeitgeber beschäftigt bleiben.

Das deutsche Steuerrecht verlangt, dass diese Überlassungen und Leistungsbeziehungen der ausländischen Tochtergesellschaft in Rechnung gestellt werden. Dadurch sollen bspw. die bei der Muttergesellschaft entstandenen Entwicklungskosten, IT-Kosten oder Personalkosten erstattet werden.

Die Rechnungen an die ausländische Tochter führen einerseits zu einem Betriebsausgabenabzug im Ausland und mindern den Gewinn bzw. erhöhen den Verlust der Tochtergesellschaft. Andererseits löst die Abrechnung und Zahlung nach Deutschland in vielen Ländern Quellensteuern, Abgaben und indirekte Verkehrsteuern aus, deren Bemessungsgrundlage oftmals der Bruttorechnungsbetrag ist und deren Nominalsätze insgesamt 20 % bis 40 % betragen können. Zudem legen die Finanzbehörden dieser Staaten Begriffe der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sehr weit aus, wodurch viele Dienstleistungen in diesen Staaten steuerpflichtig werden. Die erhobenen Steuern sind in Deutschland nicht oder nur im sehr begrenzten Umfang anrechenbar, sodass sie zu definitiven Kosten werden können.

Nachfolgend werden an ausgewählten Ländern die Besteuerungsfolgen von Leistungen exemplarisch skizziert:

1. Brasilien und Technologietransfer

Die deutsche Muttergesellschaft zahlt eine jährliche Lizenz für eine Rezeptur an einen Dritten, die weltweit von allen Tochtergesellschaften genutzt wird. Auf die brasilianische Tochter entfallen 100 Tsd. Euro.

Die deutschen Verrechnungspreisvorschriften verlangen, dass die Kosten im Rahmen von Lizenzverträgen oder Konzernumlagen den ausländischen Tochtergesellschaften anteilig – im Einzelfall sogar mit Gewinnaufschlag – belastet werden. Die brasilianischen Finanzbehörden lassen unter gewissen Umständen zwar den Betriebsausgabenabzug auf Ebene der Tochtergesellschaft zu, erheben aber Quellensteuern und Abgaben wie bspw. IRRF (15 % oder 25 %), CIDE (10 %), PIS (1,65 %), COFINS (7,6 %) und ISS (5 %). Aufgrund unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen beträgt die Steuerbelastung ca. 40 %, wodurch auf dem Bankkonto der Muttergesellschaft nur ca. 60 Tsd. Euro eingehen.

Allenfalls die IRRF als Quellensteuer könnte in Deutschland auf die inländische Steuer angerechnet werden, was in diesem Fall nur sehr eingeschränkt möglich ist, da die Muttergesellschaft selber Lizenzaufwendungen hat, die im Rahmen der sogenannten Höchstbetragsrechnung (§ 34c EStG) abgezogen werden müssen. Damit entstehen der Muttergesellschaft durch die Weiterbelastung 40 % Kosten.

Optimierungsvorschläge

  • Abhilfe kann die rechtzeitige Registrierung der Lizenzverträge oder technischen Dienstleistungsverträge, die einen Technologietransfer beinhalten, beim brasilianischen Marken- und Patentamt sowie bei der brasilianischen Zentralbank schaffen.
  • Um zumindest die Quellensteuer IRRF in Deutschland anzurechnen und die sogenannte Höchstbetragsrechnung zu optimieren, kann die Einbeziehung einer weiteren Gesellschaft Vorteile bieten.
  • Die brasilianische Gesellschaft schließt selber einen Lizenzvertrag mit der brasilianischen Vertretung des Lizenzgebers („local sourcing“).

2. China und die Mitarbeiterentsendung

Ein deutscher Mitarbeiter wird für neun Monate zu der chinesischen Tochtergesellschaft entsandt, um dort bei der Einführung eines neuen Produktionsverfahrens zu unterstützen. Der Mitarbeiter bleibt bei der deutschen Muttergesellschaft angestellt. Die Muttergesellschaft belastet das Gehalt und weitere Kosten mit einem Gewinnaufschlag an die Tochtergesellschaft.

Der chinesische Fiskus sieht in der Mitarbeiterentsendung eine Dienstleistung und erhebt bei Zahlung an die deutsche Mutter 10 % Quellensteuer sowie 5 % Business Tax. In Deutschland ist die Business Tax als Verkehrsteuer nicht anrechenbar. Allenfalls die Quellensteuer kann auf die deutsche Steuer im Rahmen der Höchstbetragsrechnung angerechnet werden. Da die Muttergesellschaft jedoch Personalaufwendungen hat, die mit der Weiterbelastung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, läuft die Anrechnung leer. Die Muttergesellschaft hat 15 % zusätzliche Kosten.

Aktuelle Entwicklung

  • Um die Nachteilhaftigkeit der Business Tax zu vermeiden, hat China ein Umsatzsteuerpilotprogramm aufgesetzt, das den Weg von der Business Tax zur Umsatzsteuer vorbereiten soll. Durch die Umsatzsteuer soll keine wirtschaftliche Belastung mehr entstehen.

Optimierungsvorschlag

  • Wird die Abrechnung des Mitarbeiters ohne Gewinnaufschlag vorgenommen, lässt sich – neben weiteren Voraussetzungen – sowohl die Quellensteuer als auch die Business Tax vermeiden.

Besonderheit Dienstleistungsbetriebsstätte

  • China hat lokale Regelungen, dass eine sogenannte Dienstleistungsbetriebsstätte angenommen wird, sofern der Mitarbeiter länger als sechs Monate innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums Dienstleistungen in China erbringt. Dieses ist sogar im DBA zwischen Deutschland und China vereinbart. Praktisch würde dieses eine Aufteilung von Gewinnen und Aufwendungen der Muttergesellschaft zwischen Deutschland und China bedeuten, was in der Praxis sehr aufwendig und angreifbar ist. Durch sorgfältige Gestaltungen lassen sich Dienstleistungsbetriebsstätten in China vermeiden.

3. Indien und Lizenz

Die Muttergesellschaft überlässt der indischen Tochtergesellschaft ein Fertigungsverfahren und berechnet eine Lizenz. Das DBA sieht für Lizenzen einen Quellensteuersatz von 10 % vor. Trotzdem muss die indische Tochtergesellschaft nach indischem Recht 20 % Quellensteuer einbehalten.

Einzige Möglichkeit der Muttergesellschaft, die das DBA übersteigende Quellensteuer erstattet zu bekommen, ist eine steuerliche Registrierung in Indien, die Beantragung einer Permanent Account Number (PAN) sowie die Abgabe einer Steuererklärung. Liegt die PAN vor, darf die Tochter zwar unmittelbar den Quellensteuersatz nach DBA einbehalten, jedoch muss die Mutter jährlich eine Steuererklärung in Indien abgeben, was zu einem jährlich wiederkehrenden Verwaltungsaufwand führt.

Hinweise

Indien legt das DBA sehr weit aus. So kann auch die Entsendung von Mitarbeitern, die bspw. eine Produktionsstraße aufbauen, als technische Dienstleistung betrachtet werden, was sowohl zum Einbehalt von Quellensteuer als auch von Service Tax (10,3 %) führt. Der weiten Auslegung folgt Deutschland oft nicht, weshalb die Einkünfte in Indien und Deutschland der Besteuerung unterliegen können und eine Doppelbesteuerung drohen kann.
Ähnliche Problematiken bei der Entsendung von Mitarbeitern treten auch in der Türkei auf, wo eine Quellenbesteuerung von 20 % drohen kann.

4. Strukturierung

Aufgrund von Haftungsbeschränkungen und Akzeptanz werden erfahrungsgemäß von deutschen Unternehmen überwiegend Auslandstöchter in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft gegründet. Ausschüttungen dieser Töchter unterliegen im Ausland, das nicht zur EU gehört, regelmäßig trotz eines DBAs einer Quellensteuer von 5 bis 10 %. Ist die Mutter im Inland eine Kapitalgesellschaft, ist die Dividende steuerbefreit und die Quellensteuer kann nicht angerechnet werden. Es entstehen Kosten in Höhe von 5 bis 10 %.

Hier kann es sinnvoll sein, das Engagement über eine substanzstarke Gesellschaft in einem Drittstaat zu halten, der ein günstigeres DBA sowohl mit Deutschland als auch mit dem Zielland vereinbart hat oder selber keine Quellensteuer erhebt. So werden chinesische Gesellschaften oft über Gesellschaften in Hong- kong und indische Gesellschaften oft über Gesellschaften in Singapur gehalten, wobei weitere Voraussetzungen zu beachten sind.

Fazit

Schwellenländer erheben auf Leistungen, die aus dem Ausland erbracht werden, oft sehr hohe Quellensteuern und Abgaben. Dadurch können einzelne Geschäfte unrentabel werden. Augenscheinlich sollen die Leistungen direkt in dem Land bezogen werden, was bei Know-how-Überlassungen nicht möglich ist. Um die Steuern abzumildern, ist – sofern möglich – der Leistungserbringer oder der Vertrag rechtzeitig zu registrieren.

Daneben lassen sich die Quellensteuern und Anrechnungshöchstbeträge durch Einschaltungen von weiteren inländischen oder ausländischen Gesellschaften optimieren. Auch eine Anpassung oder Neufassung des Verrechnungspreissystems kann zu einer Optimierung der konzerninternen Leistungsverrechnung führen. In jedem Fall führt das Engagement in diesen Ländern zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand und oft zu nicht vermeidbaren Kosten in Form von Quellensteuern und Abgaben.

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