Artikel erschienen am 01.01.2012
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Schiedsverfahren bei Gesellschafterstreit

BGH bejaht Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten

Von Josef Winkler, Herford

Bislang mussten Streitigkeiten über die Wirksamkeit von GmbH-Gesell­schafter­beschlüs­sen vor den Zivilgerichten öffentlich verhandelt werden. Die Schieds­fähigkeit von Beschluss­mängel­streitig­keiten als Alternative zum Zivilprozess wurde von der über­wiegenden Meinung in der Literatur und von der Recht­sprechung des Bundes­gerichts­hofs (BGH) verneint. Mit Urteil vom 19.10.2009 (Az. II ZR 255/08) hat der BGH die Schieds­fähigkeit von Gesell­schafter­aus­einander­setzungen nun bejaht und Mindest­voraus­setz­ungen für wirksame Schieds­verein­barungen formuliert, welche die Zuständigkeit staatlicher Gerichte ausschließen.

Diese Rechtsprechungs­änderung bietet Anlass, die generellen Vorzüge des Schieds­gerichts­verfahrens bei Gesell­schafter­streitigkeiten gegenüber dem Verfahren vor den ordentlichen Zivilgerichten zu betrachten und konkreten Handlungs­bedarf aufzuzeigen, wenn die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet werden soll.

Private Schiedsgerichte vs. staatliche Gerichte

Private Schiedsgerichte sind auf Vertrag beruhende Privatgerichte, denen die Entscheidung bürgerlicher Rechts­streitigkeiten anstelle staatlicher Gerichte übertragen worden ist. Wird vor einem staatlichen Gericht in einer Angelegenheit Klage erhoben, die Gegenstand einer Schieds­vereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage bereits als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte sich als Partei des Schieds­vertrages auf diesen beruft.

Warum entscheiden sich die Beteiligten eines Schiedsvertrages, die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte auszuschließen?

In Schiedsgerichtsverfahren wird der Spruchkörper, der in der Regel aus drei Schiedsrichtern besteht, durch die Beteiligten des Rechtsstreits selbst bestimmt. Nur bei Zweifeln an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Schiedsrichtern können diese von den Parteien des Rechtsstreits abgelehnt werden.

Die unmittelbare Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Spruchkörpers des Schiedsgerichts wird von den Beteiligten als besonderer Vorteil dieses Verfahrens bewertet. Durch die Mitwirkung an der Bestellung der Schiedsrichter wird den Parteien des Rechtsstreits die Möglichkeit eingeräumt, Schiedsrichter zu benennen, die über die notwendige Spezialisierung und Fachkompetenz verfügen, um den Prozessstoff kompetent durchdringen zu können. Die praktische Erfahrung bestätigt leider, dass die staatlichen Gerichte häufig nicht ausreichend qualifiziert sind, wenn über profunde Rechtskenntnisse hinausgehendes Wissen für die Entscheidungsfindung notwendig wird.

Schneller, kompetenter und kostengünstiger

Bei Gesellschafterauseinandersetzungen sind häufig nicht nur Rechtskenntnisse, sondern auch steuerrechtliches und betriebswirtschaftliches Know-how gefragt, worüber die Richter staatlicher Gerichte nur in seltenen Ausnahmefällen verfügen. Die Folge: Sachverständige werden beauftragt, die sodann im Ergebnis den Rechtsstreit entscheiden. Doch die Sachverständigenbeauftragung führt zu erheblichen Zeitverzögerungen und weiteren Kosten, bevor ein Urteil in der Sache selbst ergehen kann. In entsprechend gelagerten Fällen ist das Schiedsgericht in seiner Entscheidungsfindung effizienter, nämlich schneller, kompetenter und häufig kostengünstiger als ein Zivilgericht. Die Sachverständigenbeauftragung kann regelmäßig entfallen, ebenso entfällt der dreigliedrige Instanzenzug der staatlichen Gerichte.

Keine öffentliche Verhandlung im Schieds­gericht

Schiedsgerichtsverfahren sind im Gegensatz zu Rechtsstreitigkeiten vor den staatlichen Gerichten nicht öffentlich. Auch dieser Aspekt wird von den Verfahrensbeteiligten häufig geschätzt, weil der Gegenstand und die Inhalte des Rechtsstreits geheimgehalten werden können.

Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes

Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH bildet die Gleich­wertigkeit des Rechts­schutzes die entscheidende Voraussetzung für die Zulässigkeit des Schieds­gerichts­verfahrens. Die Anforderungen an eine wirksame Schieds­vereinbarung für Streitigkeiten in Angelegenheiten von Kapital- und Personen­gesellschaften zwischen der Gesellschaft und Gesell­schaftern sowie von Gesellschaftern untereinander, einschließlich der Streitigkeiten über Beschluss­mängel, sind danach:

  • Die Schiedsklausel muss unter Mitwirkung aller Gesellschafter in den Gesell­schafts­vertrag aufgenommen worden sein oder alle gegenwärtigen Gesell­schafter müssen der Schieds­klausel zugestimmt haben.
  • Das Schiedsgericht muss entweder durch eine neutrale Stelle oder, sofern die Prozess­parteien mitwirken, unter Mitwirkung aller Gesellschafter ausgewählt und bestellt werden. In letzterem Fall also durchaus auch per Mehrheits­beschluss.
  • Es muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streit­gegenstand betreffenden Beschluss­mängel­streitig­keiten bei ein und demselben Schieds­gericht ausgetragen werden.
  • Jeder Gesell­schafter muss – neben den Gesell­schafts­organen – über die Einleitung und den Verlauf des Schieds­verfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren beizutreten.

Vereinbarungen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind in der Regel unwirksam. Hieraus resultiert das Risiko für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter, dass nur der Rechtsweg vor den staatlichen Gerichten eröffnet ist, was die Beteiligten durch Abschluss der Schieds­vereinbarung gerade vermeiden wollten. Um diese Gefahr auszuschließen, sollten Altverein­barungen einer zwingenden Revision unterzogen werden. Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen oder in separaten Gesell­schafter­verein­barungen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und den Erfordernissen der neuen Rechtsprechung des BGH anzupassen.

Vertiefende Fragen, die Vorteile des Schiedsverfahrens im Einzelnen sowie entsprechende gesellschaftsvertragliche Vorkehrungen sind nur anhand des jeweiligen Falles zu klären.

Foto: Vichie

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