Artikel erschienen am 20.12.2016
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Senkt die Finanztransaktionssteuer Handelsvolumina?

Von Prof. Dr. rer. pol. Sebastian Eichfelder, Magdeburg | Mona Lau, M.Sc., Berlin | Charleen Mattick, B.Sc., Magdeburg

Wir erläutern Ergebnisse eines laufenden Projektes, das sich mit Auswirkungen der französischen Finanztransaktionssteuer befasst. Wir konzentrieren uns dabei auf die Effekte auf das Handelsvolumen. Eine detaillierte Darstellung findet sich bei Eichfelder und Lau (2016). Wir finden evident, dass die französische Finanztransaktionssteuer zu einer Erhöhung (Verminderung) von Handelsvolumina kurz vor (kurz nach) ihrer Einführung geführt hat. Es gibt aber keine stichhaltigen Belege für einen langfristigen Rückgang von Handelsvolumina am geregelten Markt.

Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Frankreich

Im Kontext der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 sowie der darauffolgenden Staatsschuldenkrise in den europäischen Staaten hat sich das Interesse an der Einführung einer Finanztransaktionssteuer deutlich erhöht (vgl. etwa Becchetti et al., 2014; Gomber et al., 2016). Für eine entsprechende Steuer werden zwei wesentliche Argumente angeführt. Einerseits dient eine Finanztransaktionssteuer der Generierung von Steueraufkommen, das zur Finanzierung der in der Finanzkrise entstandenen Staatsschulden verwendet werden soll. Andererseits soll eine Finanztransaktionssteuer ein an kurzfristiger Spekulation orientiertes Handelsverhalten bestrafen und damit einer Stabilisierung der Finanzmärkte dienen.

Allerdings wird die Finanztransaktionssteuer in Forschung und Öffentlichkeit zum Teil auch heftig kritisiert. Gegner einer derartigen Besteuerung gehen davon aus, dass eine Finanztransaktionssteuer zu einer groß angelegten Verlagerung von Handelsvolumina in nichtbesteuerte Märkte führt. Hierunter würden steuerpflichtige Handelsplätze stark leiden (z. B. die französische Börse). Geringere Handelsvolumina würden zudem die Liquidität senken und Preisbildungsprozesse beeinträchtigen. Hierdurch könnte sogar die Volatilität steigen und der Markt destabilisiert werden.

Ende Januar 2012 gab Präsident Sarkozy bekannt, dass an der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Frankreich gearbeitet wird. Um eine ausreichende Liquidität des Marktes sicherzustellen, sollten nur Aktien von großen Unternehmen mit einer entsprechend hohen Liquidität (d. h. einer großen Anzahl an Käufern und Verkäufern) von der Steuer betroffen sein. Somit wurde die Steuer auf Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 1 Mrd. Euro zu Beginn des Jahres 2012 beschränkt. Nachdem der Gesetzesentwurf durch die französische Nationalversammlung Mitte März 2012 bestätigt wurde, war die Einführung der Steuer für die Börsenteilnehmer planbar und vorhersehbar. Am 26.06. wurde schließlich bekanntgegeben, dass der Steuersatz 0,2 % betragen sollte. Die Durchführung der Reform ereignete sich am 01.08.2012 (Einführungszeitpunkt).

Im Sinne der französischen Finanztransaktionssteuer werden nur Geschäfte, bei denen es zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse an einem Wertpapier zwischen zwei Handelstagen kommt, der Steuer unterworfen. Somit fällt reines Day-Trading (also Kauf und Verkauf desselben Wertpapiers innerhalb eines Handelstages) nicht unter die französische Finanztransaktionssteuer. Zudem wurde eine ganze Reihe von Marktaktivitäten von der Steuer befreit. Dies gilt etwa für das sogenannte „Market Making“, Aktivitäten von Auktionshäusern und Direktmarkttransaktionen (Fusionen, Umwandlungen, IPOs). Derivate wurden nur sehr unvollständig von der französischen Steuer erfasst.

Empirische Analyse

Untersuchungsgegenstand für unsere Analyse bietet die Entwicklung des Handelsvolumens am geregelten französischen Aktienmarkt (NYSE Euronext Paris) in vier Perioden:

  1. die Referenzperiode (vor dem 14.03.2012) vor Ankündigung der französischen Finanztransaktionssteuer (= Beschluss des Einführungsgesetzes),
  2. die Ankündigungsperiode (14.03.2012 bis 31.07.2012) erfasst Marktreaktionen vor dem Einführungszeitpunkt, die die Steuer antizipieren; wir erwarten eine Zunahme des Handelsvolumens, da viele Investoren Aktivitäten vorziehen sollten, um eine spätere Steuerpflicht zu vermeiden,
  3. die kurzfristige Einführungsperiode (01.08.2012 bis 31.08.2012) erfasst kurzfristige aber temporäre Marktreaktionen nach der Einführung; aufgrund des Vorziehens von Handelsaktivitäten erwarten wir einen starken aber kurzfristigen Rückgang der Handelsaktivitäten kurz nach Einführung der Steuer,
  4. die langfristige Einführungsperiode (ab 01.09.2012) erfasst langfristige Marktanpassungen, die für die Bewertung der Effektivität der Steuer von besonderer Bedeutung sind.

Als Datenbasis verwenden wir firmenbezogene und tagesgenaue Informationen der Datenbank DATASTREAM von Thomsen-Reuters. Dabei vergleichen wir Entwicklungen am französischen Aktienmarkt (NYSE Euronext Paris) mit dem London Stock Exchange (Großbritannien) und der Frankfurter Börse (Deutschland). Wir berücksichtigen sowohl in der Treatment-Gruppe (französische Unternehmen) als auch in der Kontrollgruppe (Unternehmen in Deutschland und Großbritannien) sämtliche Aktien großer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 1 Mrd. Euro. Aktien mit einer geringeren Marktkapitalisierung sind von der Steuer nicht betroffen.

Ergebnisse und Interpretation

Unsere empirischen Belege dokumentieren wie erwartet eine Erhöhung des Handelsvolumens nach Ankündigung der Steuer. Dies dürfte aus dem Vorziehen von Handelsaktivitäten resultieren, um spätere Steuerzahlungen nach einer Einführung der Steuer zu vermeiden. Im Monat nach Einführung der Steuer beobachten wir im Vergleich zur Kontrollgruppe einen starken Einbruch des Handelsvolumens, der aus der Vorwegnahme der Handelsvolumina resultiert. Allerdings ist dieser Effekt rein temporär und die Handelsvolumina erholen sich wieder. Langfristig betrachtet können wir hingegen keine signifikante Abnahme von Handelsvolumina aufgrund der Einführung der französischen Finanztransaktionsteuer am geregelten französischen Markt feststellen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die französische Finanztransaktionssteuer langfristig nicht zu einem signifikanten Rückgang von Handelsaktivitäten oder einer Abwanderung von Handelsaktivitäten geführt hat. Dies könnte auch auf das Design der Steuer zurückzuführen sein, die Day-Trading nicht besteuert und damit einen Anreiz für kurzfristig orientierte Investoren schafft, Handelsaktivitäten mehrfach an einem Tag durchzuführen und die Positionen am Ende des Tages wieder zu schließen. Neben unseren Berechnungen zu den Handelsvolumina haben wir auch Berechnungen zu Veränderungen der Marktpreise (Daily Returns), der Liquidität (gemessen an der relativen Bid-Ask-Spread) und von Maßgrößen für die Volatilität von Aktienkursen durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass die Einführung der französischen Finanztransaktionssteuer mit einem signifikanten Rückgang an langfristigen Volatilitätsmaßen verbunden war (wöchentliche und monatliche Volatilität). Für die übrigen Größen ließen sich keine eindeutigen Veränderungen bzw. Effekte feststellen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass unsere Ergebnisse nicht dafür sprechen, dass die französische Finanztransaktionssteuer dem geregelten französischen Aktienmarkt in signifikantem Ausmaß Handelsvolumina entzogen hat, die Liquidität gemindert oder Preisbildungsprozesse verzerrt hat. Hingegen finden wir Belege für eine Stabilisierung der Aktienkurse bzw. eine Verminderung der Volatilität nach Einführung der Finanztransaktionssteuer. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland oder auf europäischer Ebene könnte somit unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse durchaus ein sinnvoller Beitrag sein, um Steueraufkommen zu erheben und die Finanzmärkte zu regulieren und zu stabilisieren.

Literaturhinweise

Becchetti, L., Ferrari, M., Trenta, U., 2014. The impact of the French Tobin tax. Journal of Financial Stability 15, 127–148.
Eichfelder, S., Lau, M., 2016. Financial Transaction Taxes: Announcement effects, short-run effects, and long-run effects.
Gomber, P., Haferkorn, M., Zimmermann, K., 2016. Securities transaction tax and market quality – the case of France. European Financial Management 22, 313-337.

Bild: Fotolia/GoodAura

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