Artikel erschienen am 01.10.2014
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Der Wert des Unternehmens

Bewertung in der Praxis der Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften

Von Gaby Kutter, Magdeburg

Im Februar 2014 wurde der Preis für den Verkauf der WhatsApp Inc. an die Facebook Inc. für 19 Mrd. Dollar (ca. 14 Mrd. Euro) bekannt und regt weiter zu Diskussionen an. „Der Preis ist das, was du zahlst, der Wert ist das, was du bekommst“1 und zur Beurteilung der Plausibilität des Wertes eines Unternehmens kann der Preis genutzt werden. Die Ermittlung des Wertes erfordert jedoch eine Unternehmensbewertung.

Bewertungsanlässe sind vielfältig

Neben dem Kauf und Verkauf von (Anteilen an) Unternehmen und anderen unternehmerischen Transaktionen (u. a. Fusionen, Einlagen) kann sich die Notwendigkeit einer Unternehmenswertermittlung auch aus gesetzlichen Bestimmungen (u. a. Aktiengesetz, Umwandlungsgesetz), privatrechtlichen Vereinbarungen (u. a. Gesellschafterwechsel, Erbauseinandersetzungen) sowie handels- oder steuerrechtlichen Fragestellungen (z. B. Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen, Wertaufholung) ergeben. Eine Veräußerung von Vermögen durch Städte und Gemeinden darf nur zum vollen Wert erfolgen. Doch was ist der „volle Wert“ eines Unternehmens und wie wird dieser ermittelt?

Unternehmenswert ist der Zukunftserfolgswert

Der Wert eines Unternehmens bestimmt sich aus seinem finanziellen Nutzen für den Unternehmenseigner. Dieser Nutzen wird determiniert durch die im Bewertungszeitpunkt vorhandenen Erfolgsfaktoren, deren Zusammenwirken und Eigenschaft, künftig finanzielle und entnahmefähige Überschüsse zu erwirtschaften. Die Betrachtung der Unternehmenssubstanz im Sinne der zum Bewertungszeitpunkt vorhandenen einzelnen Vermögenswerte (und Schulden) im Unternehmen hat nur bedingt Relevanz. So ist im Bewertungsfall die Frage nach nicht betriebsnotwendigem Vermögen (z. B. nicht zum Betrieb benötigte Grundstücke, Sachanlagen, liquide Mittel) zu stellen. Ist solches Vermögen vorhanden, wird dem Marktwert des Eigenkapitals der Barwert der Überschüsse aus der Verwertung dieses Vermögens hinzugerechnet.

Da die Grundvoraussetzung für die Ermittlung des Unternehmenswertes die Prognose von künftigen Überschüssen ist und bei Ertragsschwäche und Verlusten der Unternehmenswert als Zukunftserfolgswert nicht ermittelbar ist, kann unter Umständen der Liquidationswert die Wertuntergrenze für den Unternehmenswert bilden. Dieser wird unter der Prämisse der Veräußerung sämtlicher Vermögenswerte sowie der Tilgung sämtlicher Unternehmensschulden und dem Ansatz von Liquidationskosten ermittelt.

Ertragswert- und Discounted-Cashflow-Verfahren

In der Bewertungspraxis werden als gängige Methoden das Ertragswert- und das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF) genutzt.

Beide Verfahren sind grundsätzlich gleichwertig und führen bei gleichen Annahmen zu identischen Ergebnissen. Werden bei einer Anwendung beider Verfahren unterschiedliche Unternehmenswerte ermittelt, so ist dies auf unterschiedliche Finanzierungs- und Bewertungsannahmen (u. a. Eigen- und Fremdkapitalquote, Zinssätze) zurückzuführen.

Beim Ertragswertverfahren, einer Variante des DCF-Verfahrens, wird der Unternehmenswert direkt durch die Diskontierung der nur den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten ermittelt (Equity-Ansatz, Nettokapitalisierung). Die künftigen Gewinne werden üblicherweise aus den für die Zukunft geplanten Jahresüberschüssen abgeleitet. Die dabei zugrunde liegende Planungsrechnung kann nach handels- oder steuerrechtlichen Vorschriften aufgestellt sein. Gewinn-Thesaurierungen sowie deren Verwendung (z. B. Investitionen) werden berücksichtigt.

Das DCF-Verfahren wird vorwiegend im internationalen Umfeld verwendet. Im Unterschied zum Ertragswertverfahren bilden hier nicht die künftigen Gewinne an die Eigenkapitalgeber, sondern die prognostizierten freien Cashflows, die den Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern zufließen, die Bewertungsbasis. Durch Diskontierung der künftigen Cashflows mit den gewogenen Kapitalkosten wird zunächst der Gesamtmarktwert für das Unternehmen ermittelt (Bruttokapitalisierung). Durch Abzug des Saldos aus verzinslichen Verbindlichkeiten und liquiden Mitteln zum Bewertungsstichtag wird dieser in den Unternehmenswert (Marktwert des Eigenkapitals) überführt.

Unternehmenswerte sind Stichtagswerte

Unternehmenswerte sind stets zeitpunktbezogen zu ermitteln. Insoweit ist dieser immer als der zum Bewertungsstichtag auf der Grundlage einer plausiblen Prognose der Gewinne/des Cashflows und deren Diskontierung mit einem adäquaten Kapitalisierungszinssatz ermittelbare Wert des Unternehmens zu verstehen.

Bewertungsbasis ist die Unternehmensplanung

Die Prognose der finanziellen Überschüsse (Cashflows) ist das Kernproblem jeder Unternehmensbewertung.

Unternehmensplanung

Die Planung hat die erkennbaren Einflüsse auf die künftigen Ertragsaussichten (u. a. Entwicklung der Branche, des Marktes und Wettbewerbs) des Unternehmens zu berücksichtigen. Die in der Vergangenheit erzielten Gewinne/Cashflows sind nur ein Indikator zur Überprüfung der Plausibilität der Planungsprämissen und prognostizierten Ergebnisse.

Die Prognose erfolgt unter Zugrundelegung unterschiedlicher Zukunftsphasen, die in Abhängigkeit von Größe, Struktur und Branche des zu bewertenden Unternehmens unterschiedlich lang sein können. In den meisten Bewertungsfällen wird von einer unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens ausgegangen und die Planung in zwei Phasen vorgenommen. Die Detailplanungsphase umfasst häufig einen noch relativ überschaubaren Zeitraum (drei bis fünf Jahre). Die Planungsjahre der zweiten Phase basieren i. d. R. auf langfristigen Fortschreibungen von Trendentwicklungen. Für die Planungsansätze dieser Phase (ewige Rente) stellt sich die Frage, ob sich die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens im sogenannten Gleichgewichts- oder Beharrungszustand befinden.

Komponenten des Kapitalisierungszinssatzes

Die Diskontierung der künftigen Überschüsse ist mit einem geeigneten Zinssatz vorzunehmen. Dieser orientiert sich an der Renditeerwartung einer im Vergleich zum Bewertungsobjekt adäquaten alternativen Verwendung des Kapitals und gibt an, welche Mindestverzinsung aus dem Unternehmen erzielt werden sollte.

Bestandteile des Kapitalisierungszinssatzes beim Ertragswertverfahren (Eigenkapitalkosten) sind der (quasi) risikolose Basiszinssatz und der Risikozuschlag. Der Basiszinssatz wird auf der Grundlage des aktuellen Zinsniveaus und der Zinsstrukturdaten (Zinsstrukturkurve) für Umlaufrenditen von (quasi) risikofreien Anleihen (u. a. Bundesanleihen, -obligationen) ermittelt.

Die Berücksichtigung der mit dem unternehmerischen Engagement verbundenen höheren Risiken und Chancen erfolgt durch Risikozuschläge auf den Basiszinssatz. Für deren Bemessung wird auf Modelle zur Preisbildung an den Kapitalmärkten zurückgegriffen (CAPM). Unter Nutzung des CAPM wird die unternehmensspezifische Risikoprämie durch Multiplikation des Betafaktors (als Maß für das relative Risiko des Unternehmens im Verhältnis zum Markt) mit der Marktrisikoprämie ermittelt.

Bei Anwendung des DCF-Verfahrens sind auch die Fremdkapitalkosten im Diskontierungszinssatz zu berücksichtigen. Dementsprechend wird hier ein gewogener Kapitalisierungszinssatz (Weighted Average Cost of Capital, WACC) ermittelt.

What's up? – Was geht hier vor?

Dem Erwerb von WhatsApp Inc. mit derzeit einer halben Milliarde Nutzern weltweit des (noch) kostenfreien Messengers lagen mit Sicherheit Überlegungen aufseiten des Käufers zugrunde, die nicht mit reinen finanziellen Interessen verbunden waren und zu dem Preis von rund 14 Mrd. Euro führten und über die noch lange diskutiert werden kann und wird. Der Kauf wird als der teuerste Zukauf der letzten zehn Jahre bezeichnet. Um überschlägig einen Unternehmenswert in dieser Größenordnung nach der Ertragswertmethode berechnen zu können, müsste das Unternehmen künftig nachhaltig entnahmefähige Gewinne von rund 1 Mrd. Euro in der ewigen Rente prognostizieren (Eigenkapitalkosten 7 %).

Info

Die Bewertung von Unternehmen durch Wirtschaftsprüfer erfolgt i. d. R. unter Berücksichtigung der in der Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. S 1 (Version 2008) niedergelegten Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen.

Der Bewertungsanlass bestimmt das Vorgehen und die Prämissen einer Bewertung. Eine transparente Dokumentation dieser Prämissen und die Plausibilisierung des Ergebnisses gehören zu einer ordnungs-gemäßen Unternehmensbewertung.

1 „Price is what you pay, value is what you get“ – Warren Buffett (geb. 30.08.1930), US-amerikanischer Großinvestor

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