Artikel erschienen am 07.11.2012
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Existenzgründung oder Übernahme im Rahmen der Nachfolge?

Weiterführung eines bestehenden Unternehmens als Alternative

Von Dipl.-Kfm. (FH) Andreas Tieftrunk, Braunschweig | (B.A.) Daniel Marth, Magdeburg

Der Wirtschaftsingenieur Martin Meißner arbeitet seit einigen Jahren für ein regionales mittelständisches Unternehmen. In der Vergangenheit hat sich dieser Maschinenbauer zu einem etablierten Marktteilnehmer in Deutschland entwickelt. Insbesondere die innovativen Fertigungs­prozesse, die durch Meißner und sein Team von Ingenieuren in die Pro­duk­tions­ab­läufe integriert worden sind, haben wesentlich zur Erhöhung der Effizienz beigetragen.

Seit einigen Monaten jedoch geht es in dem Unternehmen drunter und drüber. Infolge der rückläufigen Nachfrage nach Maschinen und Anlagen auf dem Binnenmarkt leeren sich die Auftragsbücher. Die Produktion wurde bereits drastisch gedrosselt und die Geschäftsführung sah sich gezwungen, erste Mitarbeiter zu entlassen. Nach den gewohnten Jahren des Wachstums gerät das Management zunehmend durch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens unter Druck. Der Unternehmer reagierte und beauftragte eine Unternehmensberatung, um externe Expertise und Unterstützung zur Lösung des Problems hinzuzuziehen. Nach ersten Gesprächen zwischen der Geschäftsführung und den Beratern stellte sich bei der gemeinsamen Identifikation der strategischen Erfolgsposition des Unternehmens heraus, dass die langfristige Unternehmensstrategie aus den Augen verloren wurde. Essenzielle unternehmensinterne Projekte, wie die Vertriebs- und Marketingstrategie, die Internationalisierung des Geschäftsmodells oder die Weiterqualifizierung junger Nachwuchskräfte waren nicht eingeleitet worden. Wie soll es mit dem Unternehmen nun weitergehen?

Auch Meißner ist die aktuell schwierige Lage des Unternehmens bekannt. Er setzt sich deshalb auch bereits seit längerem mit der eigenen beruflichen Zukunft auseinander. Insbesondere die fehlenden Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung sowie die eingefahren Strukturen haben ihn dazu veranlasst. Bereits während seines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkten in Entrepreneurship und Management gab es Überle-gungen später einmal den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen. Bisher hatte sich jedoch noch keine passende Gelegenheit ergeben. Auch die notwendige Erfahrung war für diesen Schritt bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhanden. Aufgrund eines vertraulichen Gespräches mit dem Unternehmensinhaber weiß Meißner, dass sich dieser altersbedingt lieber heute als morgen aus dem operativen Geschäft zurückziehen und sich in den Ruhestand begeben würde. Der Inhaber bot ihm an, die Firma im Rahmen einer Unternehmensnachfolge zu übernehmen. Warum sollte Meißner dieses Risiko aber eingehen, wenn ihm die aktuell schwierige wirtschaftliche Gesamtsituation des Unternehmens bekannt ist? Wäre es nicht einfacher, sicherer und lukrativer, ein eigenes Unternehmen komplett neu aufzubauen?

Am gleichen Abend trifft Meißner sich auf ein Bier mit einem langjährigen Freund und berichtet von seinen Überlegungen. Sein Freund Tim arbeitet für eine Mittelstandsberatung und ist tagtäglich mit Fragestellungen zu Existenzgründung und Unternehmensnachfolge konfrontiert. Er zeigt auf, dass eine vielversprechende Gründungsidee nicht allein für den nachhaltigen Unternehmenserfolg ausreicht. Insbesondere ein erfolgsversprechendes Geschäftsmodell, strukturiertes Vorgehen bei der Gründung sowie eine ausreichende Finanzierungsdecke sind wichtige Bausteine. Die Übernahme eines bestehenden Unternehmens ist gleichzeitig eine interessante Alternative, die jedoch auch Gefahren und Risiken mit sich bringen kann.

Meißner wird bei dem Gespräch mit seinem Freund sehr deutlich, dass der Schritt in die Selbständigkeit nicht immer zwingend über die Gründung eines neuen Unternehmens erfolgen muss. So gab es innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres 2012 in Deutsch­land rund 182 500 Existenz­grün­dungen. Statistisch handelte es sich im ver­gangenen Jahr 2011 aber bei jeder zehnten Neu­grün­dung um die Über­nahme eines bestehenden Unternehmens, wobei die Statistik den klassischen Generationswechsel im Rahmen der Nachfolge, Übergaben aus Erbfolge sowie die Verpachtung von Unter­nehmen umfasst.

Meißners Freund Tim hat ihm auch sehr deutlich gemacht, dass viele Existenz­gründungen in Deutsch­land bereits nach wenigen Jahren scheitern. Die anfängliche Euphorie kann bei ausbleibendem Erfolg mit der Zeit nämlich oft in Frustration münden. Der Wunsch, sein eigener Chef zu sein, verfliegt schnell. Wieso also nicht einfach von einem erfahrenen Unter­nehmer als Existenz­gründer lernen und das Unter­nehmen übernehmen? Dafür spricht der demo­grafische Wandel, der sich auch innerhalb der Unter­nehmer­schaft zeigt. Immer mehr mittelständische Unternehmen stehen ohne einen geeigneten Nachfolger da.

Es ist nach Meinung von Tim – und nach dem Gespräch auch nach Meinung von Meißner – deshalb wichtig, sich mit folgenden Fragestellungen zu befassen, wenn man sich in einer Situation wie Meißner und sein Arbeitgeber befindet:

  • Welche strukturierte Vorgehensweise sollte für eine Existenzgründung gewählt werden?
  • Ist die Übernahme eines bestehenden Betriebes tatsächlich noch komplexer?
  • Was sind mögliche Vor- und Nachteile bei der Unternehmensnachfolge?

Tim hat Meißner nach dem Gespräch noch eine Übersicht mit wichtigen Impulsen zu den besprochenen Fragestellungen mit auf den Weg gegeben, die Meißner intensiv studiert hat:

Mit Struktur zur eigenen Existenz und zum eigenen Unternehmen

Schritt 1: Selbständigkeit – Ja/Nein?
Im ersten Schritt sollte immer die Frage im Vordergrund stehen, ob der angehende Gründer über essenziell wichtige persönliche Eigenschaften für die Selbständigkeit verfügt. Um diese Frage beantworten zu können, gibt es eine Reihe von Gründertests, die durchgeführt werden können. Wesentliche Themen, mit denen sich die Gründerpersönlichkeit auseinandersetzen sollte, sind:

  • die eigene Leistungs- und Motivationsstärke,
  • Überzeugung von der Geschäftsidee,
  • emotionale Stabilität,
  • Lösungsorientierung,
  • Risikoneigung sowie
  • Durchsetzungsbereitschaft.

Daneben gibt es noch weitere Fragen, die sich der Gründer stellen sollte:

  • Bringe ich genügend fachliche Qualifikationen mit?
  • Kann ich Verantwortung übernehmen?
  • Wie gehe ich mit Stress um?
  • Steht genügend Eigenkapital zur Verfügung?

Um diese Fragen beantworten zu können, empfiehlt sich die Realisierung eines Persönlichkeitstests, um gezielt eigene Stärken und Schwächen zu identifizieren. Die Konsultation eines betriebswirtschaftlichen Beraters bietet sich an, um frühzeitig Hindernisse zu erkennen und Lösungen zur Realisierung zu entwickeln.

Schritt 2: Die Geschäftsidee
Allen weiteren Schritten voran steht die Entwicklung und Ausarbeitung der Geschäftsidee. Dazu gehört nicht nur die eigentliche Geschäftsidee, sondern auch eine Analyse der Konkurrenten, der Kunden und der Zielgruppen und potenzieller Alleinstellungsmerkmale. Hierzu sollten folgende grundlegende Fragen gestellt werden:

  • Gibt es das Produkt/die Dienstleistung bereits auf dem Markt?
  • Gibt es Besonderheiten oder Alleinstellungsmerkmale, mit denen man sich von der Konkurrenz abheben kann?
  • Wer sind die größten Konkurrenten auf dem Markt?
  • Gibt es unüberwindbare Markteintrittsbarrieren?

Schritt 3: Der Businessplan
Wesentliches Element der Existenzgründung ist der Businessplan. Mithilfe des Businessplans soll die Geschäftsidee für den Außenstehenden verständlich gemacht werden. Spätestens bei der Beantragung von Darlehen, Zuschüssen oder Fördergeldern benötigt der Existenzgründer einen detaillierten und fachlich korrekten Businessplan. Wesentliche Inhalte des Bu-sinessplans sind:

  1. Executive Summary
  2. Beschreibung des Unternehmensprofils und der Unternehmerpersönlichkeit
  3. Beschreibung von Produkt/Dienstleistung
  4. Branche und Markt
  5. Vertrieb und Marketing
  6. Management und Schlüsselpersonen
  7. Chancen und Risiken
  8. Finanzplanung inkl. einer 3-Jahres-Planung sowie Analyse zum Finanzbedarf

Schritt 4: Die Abwicklung von Formalitäten
In diesem Schritt sollte sich der Existenzgründer um die Gewerbeanmeldung, den Eintrag in das Handelsregister, die Anmeldung des Unternehmens und die Meldung der Selbstständigkeit kümmern. Werden Mitarbeiter eingestellt, müssen diese auch entsprechend gemeldet werden. Zudem sollte er dem Finanzamt die Geschäftsaufnahme mitteilen.

Schritt 5: Die Absicherung
Versicherungen sind das A und O, um für den Fall der Fälle abgesichert zu sein. Dementsprechend gilt es, sich über die Versicherungen zu informieren und sie gegebenenfalls abzuschließen. Als Selbständiger ist der Gründer ggf. nicht mehr pflichtversichert. Inwiefern zusätzliche Versicherungen (Berufsunfähigkeitsversicherung, Rentenversicherung, Rechtsschutzversi-cherung) notwendig erscheinen, sollte mit einem Fachmann diskutiert werden.

Vor- und Nachteile einer Unternehmensnachfolge im Vergleich zur Existenzgründung:

Die Komplexität und Herausforderungen, die sich bei der Gründung eines neuen Unternehmens bzw. bei der Nachfolgeregelung eines Unternehmens ergeben, ähneln sich. Im Folgenden werden mögliche Faktoren in der unteren Grafik gegenüber gestellt.

ProContra
  • Vorhandener und eingespielter Per­sonal­bestand
  • existierendes Wissen
    und funk­tionieren­de Prozesse
  • Produkte und Dienstleistungen sind bereits am Markt etabliert
  • vorhandener Kundenstamm
  • bestehende Strukturen können über­nom­men und weiter ausgebaut werden
  • Einarbeitungszeit durch den „Vorgänger“
  • u. U. bessere Ratingnoten bei Banken
  • größere Planungssicherheit, da auf Vergangenheitswerte zurückgegriffen werden kann
  • gefestigte Beziehungen zu Lieferanten
  • Aufeinandertreffen motivierter Gründerpersönlichkeit und ge­stan­dener Unter­nehmer­per­sönlich­keit (Neuerungen und Ver­änder­ungen vs. lang­jährige per­sönliche Be­ziehung des Unter­nehmers)
  • Angst der Mitarbeiter um ihre Jobs (Veränderungen infolge der neuen Ge­schäfts­füh­rung)
  • höherer Kapitalbedarf beim Un­ter­nehmens­kauf
  • größerer Be­ratungs­bedarf
  • Wertrisiko bei Betriebsmitteln,
    Lager­be­stän­den, etc.
  • Altlasten-Risiko
  • mögliche Resistenz zu Neuerungen und In­no­vationen im Un­ter­nehmen

Nach der Sichtung und Lektüre seines Freundes erkennt Meißner klar, dass es sich empfiehlt, als Gründer externe „Sparringspartner“ einzubinden. Dies kann ihm in Vorbereitung auf mögliche Gespräche mit potenziellen Finanzierungsparternern und Investoren nur hilfreich sein, um das Vorhaben aus der Helikopterperspektive extern evaluieren zu lassen. Dadurch kann er als Gründer oder Nachfolger auch frühzeitig mögliche Veränderungen und neue Ideen berücksichtigen, die er im Rahmen der eigenen Markt- und Wettbewerbsanalyse möglicherweise noch gar nicht erkannt hat.

Meißner bringt für sich schließlich auf den Punkt, welche Handlungsoptionen er als potenzieller Unternehmensgründer bzw. Nachfolger hat:

Einbindung externer Sparringspartner

Von der ersten Idee bis zur Existenzgründung kann eine lange Zeit vergehen, da viele Dinge beachtet und berücksichtigt werden müssen. Um auch nach der Existenzgründung auf dem Markt erfolgreich zu sein, ermöglichen ihm Förderprogramme finanzielle Unterstützungen für Coaching-Leistungen. Mit Hilfe externer Partner lassen sich Fragen und Herausforderungen, die sich durch die Unternehmensführung ergeben, bewältigen.

Sachkundige Expertise und Hilfe kann ihm die Entscheidungen zwar nicht abnehmen, aber sie kann unterstützend wirken.

Durchführung einer Risikobewertung

Vor der Übernahme des Unternehmens empfiehlt es sich, dass Meißner eine Risikobewertung durchführt. Er sollte gezielt vergleichen, welche Art und Weise für den Schritt in die Selbständigkeit für die jeweilige Situation am geeignetsten erscheint. Übernahme im Rahmen einer Existenzgründung bleibt Übernahme. Das heißt auch hier: Due Diligence in den bekannten Bereichen sowie ausführliche juristische Begleitung. Das ist dann in der Tat aber auch mit höheren „Anfangsinvestitionen“ verbunden, als bei einer Unternehmensgründung.

Bild: Panthermedia/Kirsty Pargeter

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