Steueroptimale Assetallokation durch grenzüberschreitende Sitzverlegung
Ein neues Werkzeug im Rahmen der Unternehmensbesteuerung?
Von Dr. Iur. Zacharias-Alexis Schneider, Hannover
Foto: Adobe Stock/ Graph Squad
Strukturmaßnahmen, wie Sitzverlegungen, Anteilseinbringungen oder die Verlagerung von Tätigkeiten und Vermögenswerten werden daher auch von der Niederlassungsfreiheit geschützt. Die grenzüberschreitende Unternehmensstrukturierung stellt daher eine in der Gestaltungs- und Beratungspraxis häufig genutzte Strukturoption dar, um bspw. das gesamte Betriebsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen im Ausland ansässigen Gesellschafter zu übertragen.
Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen grenzüberschreitenden Formwechsel
Mit dem Inkrafttreten des UmRUG (Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie) am 01.03.2023 regelt das Umwandlungsgesetz in den §§ 333 ff. UmwG nunmehr erstmalig den grenzüberschreitenden Formwechsel. Das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) war dem Gesellschaftsrecht bislang in Bezug auf grenzüberschreitende Sachverhalte deutlich voraus. Bereits durch das SEStEG vom 07.12.2006 (BGBl. I 2006, 2782) wurden Umwandlungen in der EU/EWR bzw. grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung von EU/EWR-Rechtsträgern im Grundsatz vom UmwStG erfasst. Mit den weiteren Änderungen durch das KöMoG vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, 2050) wurde das UmwStG mit Wirkung ab dem 01.01.2022 sogar teilweise globalisiert, sodass z.B. Verschmelzungen, Abspaltungen und Aufspaltungen von Körperschaften mit Drittstaatenbezug seit diesem Zeitpunkt vom Anwendungsbereich des UmwStG erfasst werden. In der Beratungspraxis scheiterten grenzüberschreitende Spaltungen oder Formwechsel allerdings bisher zum Teil an der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Rechtssicherheit.
Mit dem UmRUG ist nunmehr eine rechtssichere Umsetzung solcher Strukturmaßnahmen möglich. Für viele Unternehmen, die bislang aufgrund der unsicheren Rechtslage trotz der Entscheidungen des EuGH zur grds. Zulässigkeit solcher Maßnahmen (vgl. die sog. „VALE“-Entscheidung oder die „Polbud“-Entscheidung) Abstand von einem grenzüberschreitenden Formwechsel genommen haben, bietet sich nunmehr eine weitere attraktive Gestaltungsmöglichkeit.
Vorteile eines grenzüberschreitenden Formwechsels
Bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel wandelt die jeweilige Kapitalgesellschaft ihre Rechtsform in die Rechtsform eines anderen EU/EWR-Staats um und verlegt dabei gleichzeitig ihren Satzungssitz in diesen EU/EWR-Staat. Die Verlegung des Verwaltungssitzes, also des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung, ist nach deutschem Recht in der Regel nicht erforderlich, kann jedoch aus anderen Gründen, insbesondere steuerlichen Gründen notwendig oder sinnvoll sein.
Aus steuerrechtlicher Perspektive bietet der grenzüberschreitende Formwechsel bspw. Immobiliengesellschaften eine interessante Möglichkeit das Immobilienvermögen in einem steueroptimalen Umfeld zu konsolidieren. Entweder nach der Veräußerung der Immobilien oder aus anderen Gründen bietet sich Cash-Gesellschaften mit ausländischen Anteilseignern mit der Verlegung des Satzungs- als auch Verwaltungssitzes die Möglichkeit Cash-Bestände unter steueroptimalen Bedingungen an ausländische Anteilseigner auszuschütten. Gesellschaften in der Krise können ggf. einfacher und mit geringeren steuerlichen Risiken Restrukturierungs- oder Liquidationsmaßnahmen zugeführt werden.
Der grenzüberschreitende (homogene) Formwechsel bringt auch im Vergleich zur grenzüberschreitenden Verschmelzung einige steuerliche Vorteile mit sich. Aufgrund der Rechtsträgeridentität ist der Formwechsel – zumindest aus deutscher steuerlicher Perspektive – kein steuerbarer Realisationsvorgang. Mangels Anwendbarkeit der steuerlichen Regelungen zur Verschmelzung haben die beteiligten Rechtsträger keine Schlussbilanz zu erstellen und keinen Buchwertantrag für die Steuerneutralität einzureichen. Zudem gehen ungenutzte (steuerliche) laufende Verluste sowie Verlust-, Zins- und EBITDA-Vorträge nicht zwingend unter und bei inländischem Grundbesitz wird durch den grenzüberschreitenden Formwechsel keine Grunderwerbsteuer ausgelöst.
Im Falle der ausschließlichen Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland und der Beibehaltung des Verwaltungssitzes (bzw. des Orts der Geschäftsleitung) in Deutschland ergeben sich in Deutschland in der Regel keine unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen. Sofern im Zusammenhang mit der Verlegung des Satzungssitzes zusätzlich auch der Verwaltungssitz bzw. der Ort der Geschäftsleitung von Deutschland heraus ins Ausland verlagert wird, führt dies zu einem Wechsel der steuerlichen Ansässigkeit der Gesellschaft und ggf. zu einer Wegzugs-/Entstrickungsbesteuerung. Dennoch sollte geprüft werden, ob es nicht ggf. mögliche Auswirkungen im Zusammenhang mit einer steuerlichen Doppelansässigkeit geben könnte. Bei gleichzeitiger Verlagerung des Verwaltungssitzes können weitere zu prüfende Punkte eine mögliche zurückbleibende Betriebsstätte in Deutschland sein oder ggf. auch Mitteilungspflichten i.Z.m. DAC 6 bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen entstehen.
Ablauf eines grenzüberschreitenden Formwechsels
Der grundsätzliche Ablauf eines grenzüberschreitenden Formwechsels orientiert sich im Wegzugsstaat im Wesentlichen an den Vorgaben zur grenzüberschreitenden Verschmelzung und gliedert sich (vereinfacht) in die folgenden Umsetzungsschritte:

Fazit
Mit dem grenzüberschreitenden Formwechsel ist dem Steuerpflichtigen nunmehr ein weiteres (rechtssicheres) Strukturinstrument an die Hand gegeben worden, um eine steueroptimale Ausrichtung und Allokation von Unternehmenswerten herzustellen. Gruppeninterne Reorganisationen und Nachfolgekonstellationen sind hierbei nur Beispiele für mögliche Anwendungsfälle.
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