Artikel erschienen am 14.05.2013
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Chancen des Insolvenzplanverfahrens nutzen!

Das ESUG eröffnet neue Chancen für die Sanierung über das Insolvenzplanverfahren

Von Karina Schwarz, Hannover

Obgleich sich in Deutschland die Unternehmensinsolvenzen nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegen, beweist die Entwicklung der angemeldeten Insolvenzverfahren aber auch, dass man es in der mittelständischen Wirtschaft verstanden hat, die Chancen für die Krisenbewältigung durch eine frühzeitig eingeleitete Sanierung über das Insolvenzverfahren zu nutzen. Welche Möglichkeiten sich dabei für den betroffenen Unternehmer ergeben, soll am Beispiel des Insolvenzplanverfahrens dargestellt werden, dem nach wie vor eine eher stiefmütterliche Rolle beigemessen wird – zu Unrecht!

Eine Unternehmenskrise kann vielfältige Ursachen haben. Diese Ursachen können im Unternehmen selbst (falsche strategische Weichenstellung), aber auch außerhalb des Unternehmens liegen, wie beispielsweise in konjunkturellen Einflüssen, in einer sinkenden Zahlungsmoral von Schlüsselkunden oder auch in einem inkonsistenten Managementsteuerungssystem, das mit dem rapiden Unternehmenswachstum nicht Schritt hält. In den chinesischen Schriftzeichen wird Krise mit „wei“ (Gefahr), aber auch mit „jii“ (Gelegenheit) umschrieben. Diese Betrachtung sollte uns vor Augen führen, dass auch die alten Griechen „Crisisi“ mit einer Doppeldeutigkeit interpretierten – der Umschreibung einer „schwierigen Situation“ einerseits und eines „Wendepunktes“ andererseits.

Um die Unternehmenskrise mit ihren ersten wahrnehmbaren Symptomen (Marktanteilsverluste, Umsatzrückgang, Ertragseinbruch etc.) nicht in eine Liquiditätskrise und damit in die Illiquidität des Unternehmens abgleiten zu lassen, gilt es im Rahmen des frühzeitig beschrittenen Insolvenzverfahrens, mittels probater Sanierungsinstrumente die unternehmerische Exzellenz wieder herzustellen und zu festigen. Der krisenbehaftete Unternehmer sieht sich dabei häufig im Dilemma eines quasi negativen „First-Mover-Advantage“: Reißt er mit der Insolvenz­antragstellung die Reißleine zu früh, haftet – aus seiner Sicht – der Makel des „Versagers“ an ihm, reißt er die Reißleine zu spät, wird er vom Strudel der drohenden Liquidation mitgerissen.

Vor allem Banken zeigten sich in der Vergangenheit oftmals nicht geneigt, ihre potenziell gefährdeten Kunden frühzeitig für eine Sanierung über das Insolvenzplanverfahren zu sensibilisieren, denn aus der Maxime der Ausfallminimierung fokussieren sich Banken dabei allzu sehr auf die eigene Interessenposition, ohne die Möglichkeiten zu sehen, die sich aus der offensiven Umsetzung Erfolg versprechender Sanierungsansätze über das Insolvenzverfahren für die perspektivische Sicherung der Kundenverbindung ergeben. Obgleich nicht aus dem Blick geraten sollte, dass das eigentliche Anliegen des Insolvenzverfahrens die Befriedigung der Gläubiger bleibt, so sollte auch berücksichtigt werden, dass die Chance zur unternehmerischen Substanzerhaltung schlussendlich die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Generierung von Steuereinnahmen ermöglicht.

Der Gesetzgeber hat diesem Aspekt mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) zum 01.01.1999, weiteren Novellierungen und insbesondere dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das zum 01.03 diesen Jahres Rechtskraft erlangte, Rechnung getragen. Die modifizierte InsO eröffnet inzwischen eine Reihe von Ansätzen für eine frühzeitige Sanierung krisenbehafteter Unternehmen. Im ESUG selbst sind mehrere Reformvorhaben zum Insolvenzrecht zusammengefasst worden, die insbesondere das neue Schutzschirmverfahren und das bereits bestehende Insolvenzplanverfahren betreffen.

Was ist unter einer Planinsolvenz zu verstehen? Das Insolvenzplanverfahren findet seine institutionelle Einordnung in den §§ 217 bis 269 InsO. Nach § 218 Abs. 1 InsO sind für die Vorlage eines Insolvenzplans sowohl der Schuldner als auch der Insolvenzverwalter berechtigt. Der Insolvenzverwalter kann das Instrument des Insolvenzplans auch im bereits eröffneten Verfahren einsteuern, sofern die Chancen hierfür gegeben sind und die Gläubiger dies mittragen. Eine zusätzliche Qualität erreicht das Instrument des Insolvenzplanverfahrens nunmehr durch das ESUG im sogenannten Schutzschirmverfahren: Musste der Unternehmer im Fall der Insolvenzantragstellung bislang die „kalte Übernahme“ seiner Firma durch den Insolvenzverwalter fürchten, so wird ihm nunmehr im dreimonatigen Schutzschirmverfahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter als sogenannter „Sachwalter“ zur Seite gestellt. Der Unternehmer bleibt „Herr im eigenen Haus“, behält Zugriff auf seine Vermögenswerte und führt weiterhin seine Geschäfte. Dieses natürlich in Abstimmung mit dem Sachwalter.


Der Weg über die Planinsolvenz bietet sich insbesondere dann an, wenn unter rechtlichen Aspekten die beste Befriedigungsquote für besicherte und unbesicherte Gläubiger durch die Unternehmensfortführung erreicht werden kann, wenn sich das Unternehmen in einer Branche befindet, in der die Nichterfüllung einzelner Aufträge das Kundenvertrauen nachhaltig stört (Baubranche) oder wenn die Schuldnerin über nicht an Dritte übertragbare Verträge oder Genehmigungen verfügt, die einen wesentlichen Wert darstellen. Auch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten bietet ein Insolvenzplan Vorteile: Existierende Verlustvorträge können mit Sanierungsgewinnen kompensiert und Sonderkündigungsrechte können bei Miet-, Pacht-, Liefer- oder Arbeitsverträgen zur Sicherstellung des Sanierungserfolgs wahrgenommen werden.

Eine besondere Rolle beim Erfolg der Unternehmenssanierung über das Insolvenzplanverfahren spielt hierbei, dass das Verfahren unter „Going-concern“-Gesichtspunkten verfolgt wird. Das Verfahren läuft im Vergleich zu einem Regelinsolvenzverfahren in wesentlich ruhigeren Bahnen ab, Verträge, Lizenzen, Rechte bleiben unberührt, Neuausschreibungen sind nicht erforderlich. Im Falle des Einzelunternehmens werden für die persönlich haftenden Inhaber zudem langwierige Restschuldbefreiungsverfahren vermieden. Auch lässt sich für die betroffenen Arbeitnehmer eine Finanzierung über das Instrument des Insolvenzgeldes ermöglichen. Last but not least sollte auch der notwendige Entscheidungsdruck durch den engen zeitlichen Rahmen des Verfahrensablaufs nicht außer Acht gelassen werden. Nach einer Untersuchung der TU Dresden wurden 50 % der Planverfahren innerhalb von 6 Monaten und 90 % der Planverfahren innerhalb eines Jahres beendet. Durch das neue Schutzschirmverfahren werden sich diese Zeiträume sicherlich weiter optimieren lassen.

Es sollte auch nicht übersehen werden, dass das Insolvenzverfahren auch im primären Interesse der Gläubiger liegt. Untermauert wird dies durch eine Erhebung des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) in Bonn über Insolvenzverfahren der Jahrgänge 2002 bis 2007. In diesem Zeitraum wurden im Regelverfahren die offenen Forderungen der Insolvenz­gläubiger im Durchschnitt zu einem Anteil von 3,6 % durch die verfügbare Masse befriedigt. Im Unterschied dazu lag beim Insolvenzplanverfahren (Näherungswert aufgrund der geringen Fallzahlen) die Deckungsquote bei Einzelunternehmen im Durchschnitt bei 13 % der Forderungen, bei Gesellschaften sogar bei gut 60 % und damit deutlich über den Durchschnittswerten des Regelverfahrens.

Optimieren lassen sich die Sanierungschancen durch Förderhilfen des jeweiligen Bundeslandes. Da die bewährten Förderinstrumente von KfW, Bürgschaftsbank und anderen Förderinstituten bei „Unternehmen in der Krise“ nicht greifen, bietet sich in Niedersachsen zur Sanierungsunterlegung lediglich das bekannte Instrument der Landesbürgschaft an. Flexibler scheint man in den neuen Bundesländern zu sein, wo in Sachsen die Sächsische Aufbaubank (SAB) die Erarbeitung eines Sanierungsplanes fördert und eine finanzielle Förderhilfe für den Turnaround zur Verfügung stellt. Obgleich Förderkredite dieser Art Massekredite darstellen, ist das Risiko eines Rückzahlungsausfalls als gering anzusehen, da der im Planverfahren angestrebte Sanierungsansatz durch ein Sanierungsgutachten zu plausibilisieren ist und die angestrebte Sanierung nicht „offensichtlich aussichtslos“ sein darf.

Sächsische Aufbaubank fördert Insolvenzplan

Im Gegensatz zu Niedersachsen unterstützt die öffentliche Hand mit Förderkrediten die Sanierung über das Insolvenzplanverfahren. Vorreiter ist hier die Sächsische Aufbaubank (SAB) in Dresden. Sollte ein Unternehmen im Freistaat Sachsen in Schwierigkeiten geraten, aber gute Aussichten auf Rettung haben, stellt der Freistaat neben der Finanzierung für die Planerstellung

  • ein kurzfristiges Rettungsdarlehen und
  • eine Neustartfinanzierung für maximal 48 Monate (25 000 EURO bis 1 Mio. EURO).

zur Verfügung.

„Solch eine finanzielle Unterstützung würde es für Unternehmen in unserem Bundesland vereinfachen, sich früher eine drohende Insolvenz einzugestehen und damit die Chancen zu erhöhen, die Firma nach einer Sanierung fortzuführen.“

Foto: panthermedia/ginasanders

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