Artikel erschienen am 01.12.2012
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Verkauf des Unternehmens

Die Unternehmensnachfolge ist kein alltäglicher Prozess

Von Dipl.-Kfm. Ulrich Gehrke, Isernhagen

Aus diesem Grund ist fundiertes Wissen zu der geeigneten Vorgehensweise, zu rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Aspekten sowie anderen Fragestellungen unerlässlich. Der Generationswechsel in deutschen Unternehmen schreitet voran. Insbesondere der Mittelstand ist von dieser Entwicklung betroffen, da ca. 700 000 Betriebe in den nächsten Jahren von dem Thema „Unternehmensnachfolge“ betroffen sein werden – 200 000 davon müssen diese aber ohne einen konkreten Nachfolger planen.

Der anstehende Wechsel in der Führung eines Unternehmens stellt einen der größten Einschnitte in der Entwicklung eines Unternehmens dar. Daher ist es wichtig, sich möglichst frühzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen, unabhängig davon, ob eine Nachfolge in der Familie möglich ist oder das Unternehmen an einen fremden Dritten verkauft werden soll.

Anhand des nachfolgenden Beispiels werden die wesentlichen Fragen und Probleme deutlich, die sich immer wieder in dieser oder ähnlicher Form bei der Unternehmensnachfolge bzw. dem -verkauf ergeben.

Unternehmer V ist 59 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und schildert seine aktuelle Situation wie folgt:

  • Ich bin seit ca. 25 Jahren Inhaber eines Unternehmens an drei Standorten, das knapp 2,5 Mio. Euro Jahresumsatz erzielt. Der durchschnittlich erzielte Gewinn der letzten Jahre von ca. 180 000 Euro hat zu einem bilanziellen Eigenkapital von 180 000 Euro geführt.
  • In den letzten Jahren musste ich für eine Erweiterungsinvestition und neue IT-Systeme erhebliche Kredite aufnehmen.
  • Mein Vermögen besteht aus einem schuldenfreien Einfamilienhaus zuzüglich Firmengebäude, zwei Lebensversicherungen und vor allem meinem Unternehmen.
  • Das Unternehmen ist auf meine Frau, die das Personal führt, und mich als Produktionschef zugeschnitten.
  • Gesundheitliche Probleme belasten zunehmend meinen Alltag.

Daraus ergeben sich nun für mich, meine Familie als auch für meine Hausbank viele Fragen:

Wer kann mein Nachfolger werden? Welche Anforderungen stelle ich an den Nachfolger?

Bei der Übertragung von traditionsreichen Unternehmen geht es nicht nur um den „schlichten“ Verkauf eines Unternehmens, sondern vielmehr geht es häufig um die Fortführung eines Lebenswerkes von mehreren Generationen. Es muss also ein Nachfolger gefunden werden, der diese Unternehmensgeschichte weiter erfolgreich fortschreiben will. Er muss von Mitarbeitern, Kunden, Banken und Lieferanten als neue Führungskraft akzeptiert werden. Das setzt neben den fachlichen Kenntnissen auch Führungsqualitäten, wie Durchsetzungsstärke, Motivationsfähigkeit sowie soziale Kompetenzen voraus. Daher sollten Sie ein Anforderungsprofil Ihres potenziellen Nachfolgers erstellen, in dem Sie Kriterien für sich definieren, welche der Nachfolger erfüllen sollte, um das Unternehmen erfolgreich weiterführen zu können.

Warum soll jemand mein Unternehmen übernehmen? Wo liegen die Stärken und Schwächen?

Bevor Sie erste Gespräche mit möglichen Nachfolgern führen, stellen Sie die Stärken und die Schwächen Ihres Unternehmens gegenüber. Anhand dieser Analyse kann man Aussagen zu den Zukunftsaussichten des Unternehmens treffen. Folgende Fragen sollten Sie sich stellen: Wie ertragreich ist meine Unternehmen? Gibt es eine klare Unternehmensausrichtung? In welchem Zustand ist die Produktion und der Vertrieb? Gibt es einen Investitionsstau? Wie sind die Betriebsabläufe organisiert? Wie steht es um die Kommunikation im Unternehmen? Habe ich motivierte Mitarbeiter? Ist mein Unternehmen einzigartig? Diese Fragen und weitere wird Ihnen Ihr potenzieller Nachfolger auch stellen, da er ein Interesse am Gesamtzustand und der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens haben wird. Durch einen gezielten Unternehmens-Check kann man den möglichen Handlungsbedarf eines Unternehmens schnell ermitteln und mögliche Schwächen noch vor der Vertragsverhandlung abbauen.

Welchen Wert hat mein Unternehmen? Wie wird dieser ermittelt?

Wie bei jeder Ware entscheiden Angebot und Nachfrage über die Höhe des Preises. Im konkreten Einzelfall spielt dann natürlich noch das Verhandlungsgeschick des Käufers und Verkäufers eine ausschlaggebende Rolle. Die Redewendung „Der Wert eines Unternehmens ist das, was ein Anderer bereit ist, dafür zu bezahlen!“ ist sehr nahe an der Wahrheit. Ein allgemein verbindliches Verfahren zur Bewertung von Unternehmen gibt es dabei aber nicht. Für die Unternehmensbewertung existieren eine Vielzahl von Methoden, die zu unterschiedlichen Werten für das Unternehmen führen.

Zwei Verfahren haben sich bei der Unternehmensbewertung durchgesetzt. Das Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) ist eher für größere Unternehmen gedacht und das Ertragswertverfahren, das sich eher für kleinere und mittelständische Unternehmen eignet.

Verschiedene Praktikerverfahren, die Umsatz und / oder Gewinn mit einem Faktor multiplizieren, dienen allenfalls als Argumentationshilfe, aber nicht zur Bestimmung des Unternehmenswertes an sich.

Für eine fundierte Bewertung Ihres Unternehmens sollten Sie die Unterstützung durch einen erfahrenen Unternehmensberater oder Wirtschaftsprüfer hinzuziehen, der sich mit Unternehmen aus Ihrer Branche auskennt.

Wie hoch ist die steuerliche Belastung durch die Übertragung?

Besonders wichtig sind bei Unternehmenskauf und -verkauf die steuerlichen Aspekte und die Auswirkungen der Übertragung für den Veräußerer und den Erwerber. Die Ertragssteuerbelastung für Sie als Verkäufer ist von Ihrem Alter, von der Rechtsform des zu veräußernden Unternehmens und natürlich vom Kaufpreis abhängig. Da es sich hierbei in der Regel um komplizierte Rechtsfragen handelt, sollte unbedingt der Rat von Steuer- und Rechtsexperten eingeholt werden, die Erfahrungen in der Begleitung von Unternehmensübertragungen haben.

Welche Auswirkungen hat der Wechsel in der Unternehmensführung auf das Unternehmen, die Mitarbeiter, Geschäftspartner und die Öffentlichkeit?

Die meisten mittelständischen Unternehmen sind inhabergeprägt. Dies erfordert eine sorgfältige und umsichtige Einführung des Nachfolgers durch den Übergeber. Häufig sind wichtige unternehmensrelevante Daten nur dem Unternehmer bekannt und nicht weiter dokumentiert. Dieses macht seine weitere Mitwirkung in der Übergangsphase unumgänglich. Da die Mitarbeiter einen mitentscheidenden Einfluss auf den Erfolg der Unternehmensübertragung haben, sind sie frühzeitig über die Unternehmensnachfolge und dessen Prozess zu informieren, um Unruhe und Gerüchte im Unternehmen zu vermeiden. Auch die Bank sollte in den Prozess beizeiten eingebunden werden. Ebenso müssen Kunden- und Lieferantenbeziehungen, die oftmals aufgrund jahrelanger vertrauensvoller Zusammenarbeit gewachsen sind, über die anstehende Nachfolge informiert werden. All dies mündet in einen nicht unerheblichen Zeitbedarf und damit in die sich anschließende Frage: Wie sollte der optimale zeitliche Ablauf geplant werden?

Wann übergebe ich? Wann ist der richtige Zeitpunkt?

VorbereitungUmsetzungÜbergang
  • bewusste Einleitung der Nachfolge
  • Entwurf eines Nachfolger-Kriterienkataloges
  • Analyse der wirtschaftlichen Rahmendaten
  • Klärung vertraglicher Voraussetzungen
  • vertrauliche Gespräche mit Familienmitgliedern, Mitarbeitern und / oder externen Kandidaten führen
  • Qualifizierungsbedarf für Nachfolger ermitteln
  • Wissenstransfer gestalten
  • Unternehmenswert ermitteln
  • Verhandlungen führen
  • Vertragsabschluss
  • Kompetenzen und Bereiche festlegen
  • intern und extern kommunizieren (Mitarbeiter, Geschäftspartner)
  • Nachfolger einarbeiten
  • strategische und organisatorische Neuausrichtung planen
  • Abschluss der Übergabe

Sie sollten bedenken, dass ein Unternehmensnachfolgeprozess fünf Jahre und länger dauern kann. Selbstverständlich spielen der gesundheitliche Zustand und der unternehmerische Wille des Übergebers eine wichtige Rolle dabei, zu planen, wann der Prozess beginnen muss. Die Erfahrung zeigt, dass man sich nicht früh genug mit dem Nachfolgeproblem beschäftigen kann und dass die Übergabephase zwischen dem 55. und dem 65. Lebensjahr liegen sollte. Dies erlaubt es auch dem Nachfolger, noch fehlendes Wissen zu erwerben. Wird während dieser Zeit ein Nachqualifizierungsbedarf beim Nachfolger erkannt, verbleibt noch genügend Zeit, um aktiv gegensteuern zu können. Hier soll insbesondere auf einen neuen MBA-Studiengang in Hannover hingewiesen werden, der eine berufsbegleitende Zusatzqualifikation – insbesondere für nicht kaufmännisch Vorgebildete – ermöglicht.

Unternehmensnachfolge in der Familie vorziehen?

Aus aktuellem Anlass sei auf die jüngst dem Bundesverfassungsgericht vorgelegte Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der erst vor gut zwei Jahren neu eingeführten Verschonungsregelungen des Erbschaftsteuergesetzes hingewiesen. Diese sollen dazu dienen, unternehmerische Vermögen unter Einhaltung strenger Auflagen zum Teil und in günstigen Fällen sogar ganz von der Erbschaftsteuer zu befreien. Diese Kriterien werden nun überprüft, denn unter bestimmten Umständen und kreativer Gestaltung kann auch Kapitalvermögen, mit dem gerade keine förderungswürdigen Arbeitsplätze im Zusammenhang stehen, in den Genuss dieser Verschonungsvorschriften kommen. Doch unabhängig davon, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aussehen wird, sollte mittelfristig mit einer Überarbeitung der erbschaftsteuerlichen Regelungen gerechnet werden.

Die Sorge, vielleicht schon in zwei Jahren nicht mehr das Unternehmen mit den heutigen steuerlichen Entlastungen auf den Sohn oder die Tochter übertragen zu können, lässt manchen Unternehmer darüber nachdenken, die Unternehmensnachfolge vorzuziehen. Wegen der bestehenden Unsicherheiten sollte als Gegenmaßnahme intensiv mit Vertragsklauseln gearbeitet werden, insbesondere über Widerrufklauseln. Sollte z. B. der statistisch unwahrscheinliche Fall eintreten, dass der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt, muss die Schenkung widerrufbar sein und das Unternehmen wieder an den Schenker zurückkehren. Steuerlich hat dies den Vorteil, dass der Rückfall an den Schenker nicht nur keine Erbschaftsteuer auslöst, denn es wird ein vertraglich vorbehaltener Anspruch erfüllt, sondern auch, dass die bei dem Generationenübergang ursprünglich gezahlte Schenkungsteuer teilweise rückerstattet wird.

Eine weitere Widerrufsklausel, die das Unternehmen vor steuerlichen Nachteilen schützen kann, empfiehlt sich, wenn man sich nicht sicher ist, ob die Voraussetzungen für die Verschonung tatsächlich auch im Falle ungünstiger konjunktureller Entwicklungen, die z. B. zum Arbeitsplatzabbau zwingen, eingehalten werden können. Die dann normalerweise eintretende ungeplante Steuerlast kann als Grund für den Widerruf und die Rückabwicklung in den Schenkungsvertrag aufgenommen werden.

Die Steuern allein sollten jedoch kein Anlass für eine Unternehmensübertragung sein. Angesichts des in vielen Unternehmen bereits überfälligen Generationswechsels kann die Steuer ein Argument sein, die Nachfolgeplanung endlich in die Hand zu nehmen.

Foto: Panthermedia

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