Artikel erschienen am 01.02.2012
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Langfristig erfolgreiche Unternehmen

Im Konjunkturzyklus gezielt auf Kurs bleiben

Von Dipl.-Kfm. (FH) Andreas Tieftrunk, Braunschweig | Nikolas Manke, Hannover

Es ist spät am Freitagabend …

… als Thomas Weber sein Büro verlässt. Der geschäftsführende Gesellschafter eines mittelständischen Zulieferbetriebes blickt auf eine erfolgreiche Woche zurück. Gemeinsam mit seinen 150 Mitarbeitern hat er erneut wichtige Meilensteine auf dem Wachstumskurs erreicht. Trotz der angespannten Situation im Euroraum hielt Weber an seiner Internationalisierungsstrategie fest. Die drei innerdeutschen Standorte sollen um zwei internationale Repräsentanzen erweitert werden. Viele Gespräche hat er hierzu geführt, mit Mitarbeitern, Spezialisten und langjährigen Vertrauten. Trotz der unsicheren Wirtschaftslage versuchte keiner, ihm das Vorhaben auszureden. Weber hatte in der Vergangenheit den Ruf erlangt, ein gutes Gespür für die jeweilige Situation zu haben.

Er hatte gerade sein Haus betreten, als das Handy klingelte. Am Telefon war Christian Neumann, langjähriger Freund des Unternehmers und Redakteur eines führenden deutschen Wirtschaftsmagazins. Die beiden kannten sich noch aus Studien­zeiten und hatten sich oft gegenseitig unterstützt. Er wollte Weber für einen Beitrag zum Thema „Flexibles Management – Unternehmensführung zwischen Boom und Krise“ gewinnen, in dem ausgewählte erfolgreiche Mittelständler ihre Konzepte vorstellen sollten. Gern nahm Weber den Vorschlag an.

Nach dem Abendessen dachte Weber über die Entwicklung seines Unternehmens nach. Was war sein persönliches Erfolgsrezept? Wie konnte sich das Unternehmen externen Veränderungen anpassen? In jeder Situation hatte er mit seinem Team interne und externe Faktoren sachlich bewertet und konsequent reagiert. Über die Jahre hinweg hatte er zusammen mit seinen Beratern stabile Bewertungsmaßstäbe und einen laufenden Strategieprozess unter Einbindung der Leistungsträger entwickelt, die Auskunft und Input zur aktuellen Unternehmenssituation gaben. Nach jedem Quartal bewertete Weber gemeinsam mit seinem Strategieteam die Unternehmenslage neu und reagierte gegebenenfalls. Dieses Erfolgsrezept hatte sich in den zehn Jahren seit Gründung des Unternehmens bewährt und ihn durch Hoch- und Tiefphasen begleitet. Er erinnerte sich noch sehr prägnant an die Zeit zwischen 2008 und 2009, als sich der Markt in kürzester Zeit rapide verschlechterte. Rückblickend hatte Webers Strategie die Existenz seines Unternehmens gesichert und es sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen lassen. Er erinnerte sich gut an Wettbewerber, die in der Zeit vor der Krise ihre eigenen Kapazitäten stetig weiter ausbauten. Zahlreiche Unternehmen erhöhten auf diesem Weg ihren Output – aber auch ihre Fixkosten und langfristigen Verpflichtungen. Weber hingegen hatte hier gemeinsam mit Führungskräften und Beratern umsichtig gehandelt: Er hatte Auftragsspitzen mit teuren Zeitarbeitern abgedeckt oder sie gänzlich an Subunternehmer vergeben. Das drückte die Margen, doch Flexibilität und Unabhängigkeit genossen stets höchste Priorität. Die Strategie zahlte sich aus: Während Aufträge zurückgingen, reduzierte das Management den Anteil an Leiharbeitern, erhöhte die Eigenfertigung und verhandelte seine kurzfristig laufenden Rahmenverträge neu. Damit sicherte sich das Unternehmen die erforderliche Beweglichkeit. Schlussendlich gelang es dem Unternehmen sogar, die Schwäche seiner Wettbewerber zu nutzen. Während diese versuchten, fixe Kostenpositionen zu reduzieren, bewahrte sich Weber seine Innovationskraft und investierte antizyklisch in zahlreiche Neuentwicklungen.

Diese Fallstudie gewährt einen Einblick in die Strategie eines erfolgreichen Unternehmens. Die Erfahrung zeigt, dass gezielt eingesetzte Flexibilität langfristig zu den wichtigsten Kriterien nachhaltiger Unternehmensführung zählt. Nur durch einen kontinuierlichen Verbesserungs- und Anpassungsprozess kann gewährleistet werden, auf dynamischen Märkten zu bestehen.

Potenziale in umsetzbare Strategien übersetzen

Strategiezweck

Um strategische Assets langfristig sichern zu können, muss ermöglicht werden, flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen (Nachfrage, Einkaufsbedingungen, Wettbewerbssituation etc.) zu reagieren. Zur Erhöhung der Anpassungsfähigkeit kann auf verschiedene Instrumente zurückgegriffen werden. Alle Maßnahmen müssen das Unternehmen dabei unterstützen, im Aufschwung kurzfristig Kapazitäten auf- und im Abschwung Kapazitäten abzubauen.

 Beispiele für strategische Erfolgspositionen
Der Kern jedes erfolgreichen Managementkonzeptes ist eine in sich schlüssige und nachhaltige Unternehmensstrategie. Sie unterstützt den Unternehmer und das Unternehmen dabei, wichtige strategische Assets (Erfolgspositionen) zu identifizieren. Im Rahmen des stetigen Strategiefindungs- und Anpassungsprozesses werden diese situativ erweitert und angepasst.
  • Unternehmenserfolg
  • Glaubwürdigkeit
  • Kundenorientierung
  • Mitarbeiterorientierung
  • Innovation
  • Liquidität
Beispiele für Messparameter strategischer Assets
Unternehmenserfolg Umsatz, Kosten, Ergebnis, Rentabilität, …
Glaubwürdigkeit Dauer der Lieferanten- und Kundenbeziehungen, Zusammenarbeit mit Finanzierungs­partnern, …
Beispiele für Flexibilisierungsmaßnahmen
Lieferanten kurzfristige Verträge, keine langfristige Preis- oder Mengenfixierung, …
Personalkapazitäten Einbindung von Zeitarbeitern in Boomzeiten, Einbindung von Subunternehmern, …
Fachwissen Einbindung von externer Beratung für Einzelprojekte, …
Finanzierung Absicherung von Zinkosten durch Zins-Caps, optimale Betriebsmittel- und Investitions­finanzierung unter Einbindung von Fördermitteln, …

Die konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass Flexibilität als Merkmal erfolgreicher Unternehmen an Priorität gewonnen hat. Erfahrungsgemäß ist der Mehrwert der Anpassungsfähigkeit höher als die Kosten (z. B. durch höhere Löhne für Zeitarbeiter), die sie generiert. Sie erlaubt dem Managementteam eine Absicherung gegenüber Konjunkturschwankungen. Oft zahlt es sich daher aus, auf Vergünstigungen aus langfristigen Verpflichtungen zu verzichten, solange das Unternehmen dadurch den Handlungsspielraum bewahrt.

Besondere Bedeutung erlangt – gerade im Mittelstand – in diesem Zusammenhang auch die Finanzierung der Unternehmensstrategie. Jede Maßnahme, jede unternehmerische Entscheidung benötigt in der Regel einen Baustein, mit dem sie finanziert wird. Dies gilt ebenfalls für die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens. So ist es zwingend notwendig, eine optimale Kombination aus Finanzierungsbausteinen (Bankfinanzierung, Factoring, Finetrading, Leasing, Beteiligungsfinanzierung, Einbindung von Zuschüssen etc.) zu erarbeiten. Da Finanzierungen ebenfalls langfristige Verpflichtungen darstellen können, muss auch bei ihrer Konzeption zwischen Flexibilität und Langfristigkeit entschieden werden.

Strategieprozess

Ein Strategieprozess liefert Antworten auf Fragen, die bei der kritischen Reflexion der Unternehmenssituation entstehen. Im Prozess werden zahlreiche bekannte – aber zunächst selten beantwortete – Fragen berücksichtigt, die im operativen Geschäft oft nicht genug Aufmerksamkeit erhalten:

  • Wie beurteilen wir unsere Stärken und Schwächen hinsichtlich Markt, Mitarbeitern, internen Prozessen und Finanzen?
  • Was waren wichtige und prägende Brüche und Ereignisse in der Entwicklung unseres Unternehmens?
  • Halten unsere strategischen Ziele einer Überprüfung stand oder müssen diese korrigiert werden?
  • Kennen wir die Beteiligten und ihre Funktion in den Kaufentscheidungsprozessen unserer wichtigsten Kunden(gruppen)?
  • Wo bedrängen / stören uns die Wettbewerber am meisten?
  • Was stört uns bei der täglichen Arbeit?

Der Strategiefindungs- und Umsetzungsprozess besteht im Wesentlichen aus drei Schritten.

Schritt 1: Ist-Analyse

Der Strategieprozess beginnt mit der Ist-Analyse. Sie beleuchtet die aktuelle Situation und Positionierung des Unternehmens. Stärken und Schwächen werden identifiziert und einem gewünschten Soll-Zustand gegenübergestellt. Das Unternehmen soll in diesem Schritt kritisch hinsichtlich seiner Ziele (Vision, Mission, Leitbild), seiner Marktpositionierung und seiner internen Strukturen und Prozesse analysiert werden.

Modul 1 – Marktpositionierung
Kunden und Produkte Wie definieren wir unser Leistungsprogramm?
Wodurch sind unsere Abnehmer definiert?
Welchen Bedarf haben unsere Kunden und wie gehen wir auf ihren Bedarf ein?
Wie entwickeln sich die Branche und die Märkte unserer Kunden?
Wettbewerb Welche Anforderungen stellt der Wettbewerb an uns?
Wie unterscheidet sich unser Image im Vergleich zu dem unserer Wettbewerber?
Wodurch könnten unsere Kunden zum Kauf bei Wettbewerbern motiviert werden?
Wie hoch ist der Anteil des gesamten Bedarfes im Markt, den wir mit unseren Produkten bedienen können?
Portfolioanalyse Wie können wir unsere Produkte und Dienstleistungen nach Portfoliokonzepten beurteilen?
Modul 2 – Interne Analyse
Aufbauorganisation Wie ist unser Unternehmen – betrachtet aus der Marktperspektive – aufgebaut?
Wie betrachten die Eigentümer unser Unternehmen?
Wie ist die Kommunikation im Unternehmen strukturiert?
Wodurch zeichnet sich die strategische Führung aus?
Ablauforganisation Welche Prozesse sind etabliert worden?
Wie nehmen die Mitarbeiter die Unternehmensabläufe wahr?
Welche Prozesse definieren die Leistungserstellung?
Welche Unternehmenskultur streben wir an?

Schritt 2: Strategieableitung
In einem zweiten Schritt erfolgt die Ableitung geeigneter Maßnahmen. Erfolgreiche Unternehmer binden wichtige Mitarbeiter in diesen Prozess ein. Durch die Nutzung der Erfahrungen und Ansichten von Leistungsträgern kann eine breitere Sicht auf das Unternehmen ermöglicht werden. Um die Ergebnisse der Strategiefindung nicht durch „Betriebsblindheit“ zu verzerren, ist die Einbindung externer Berater ebenfalls zielführend. Der Entwurf eines Maßnahmenkataloges zur Erreichung der vereinbarten Ziele generiert erfahrungsgemäß einen höheren Mehrwert, wenn dieser extern moderiert wird. Es wird zudem zusätzliches Know-how eingebracht. Im Rahmen eines Workshops werden Teilnehmer verschiedener Hierarchieebenen vereint, um im Konsens Maßnahmen abzuleiten. Dabei wird neben der Sachebene auch auf Herausforderungen der Beziehungsebene eingegangen, die einen großen Einfluss auf den Erfolg der Strategiefindung haben können.

Modul 3 – Ziele und Strategien
Vision, Mission, Leitbild Auf welchen theoretischen Grundlagen bauen Vision, Mission und Leitbild auf?
Wie können Vision, Mission und Leitbild ausgehend vom Ist-Zustand entwickelt werden?
Modul 4 – Umsetzungsplanung
Planung der Maßnahmen Wer ist für die beschlossenen Maßnahmen verantwortlich?
Welcher Zeitraum wird zur Umsetzung vorgesehen?
Wie wird zwischen einzelnen Maßnahmen priorisiert?
Wie können wir die Realisierbarkeit der Maßnahmen gewährleisten?
Welche Risiken ergeben sich eventuell im Umsetzungsprozess?

Schritt 3: Maßnahmenumsetzung
Der dritte Schritt besteht im regelmäßigen Nachhalten der vereinbarten Maßnahmen. Hier bietet eine externe Strategieberatung eine wichtige Stütze des Unternehmers. Neben der Funktion als das gute Gewissen hält sie Maßnahmen nach und unterstützt den Dialog bei Problemen und Hindernissen in der Umsetzung. Ergänzend kann im dritten Schritt auf einzelne Themengebiete eingegangen werden, die während des Strategiefindungsprozesses identifiziert worden sind (z. B. Coaching von Führungskräften, Mitarbeiterentwicklung, Konfliktmanagement etc.).

Strategieergebnis
Das Ergebnis des Strategiefindungsprozesses liefert einen Katalog wirkungsvoller und auf Realisierbarkeit überprüfter Einzelmaßnahmen. Jede vereinbarte Maßnahme ist hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeit (Wer?), ihres eindeutigen Inhalts (Was?) und ihrer Terminierung (Bis wann?) fest fixiert. Auf diesem Weg wird eine konsequente Umsetzung gewährleistet. Auch hierbei spielt die externe Moderation eine wichtige Rolle, um die Umsetzungsdisziplin weiter hochzuhalten. Zudem liefern die im Rahmen der Ist-Analyse angewandten Verfahren eine individuell entwickelte Analysemethode. Sie gewährleistet, dass sämtliche unternehmensrelevanten Informationen erfasst und interpretiert werden. Entscheidend ist, dass die Bewertungskriterien auf der Strategie basieren und damit unmittelbare Umsetzungswerkzeuge der Unternehmensstrategie sind.

Fazit

Die richtige Strategie sichert die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens.
Die Strategieentwicklung ist ein evolutionärer Prozess des Unternehmens, der dies immer wieder bestmöglich an die herrschenden Rahmenbedingungen, die nur in Teilen beeinflussbar sind, anpasst. Mit langfristig ähnlichen Kriterien zur Lagebeurteilung kann jederzeit objektiv infrage gestellt und nachvollzogen werden, welche strategische Ausrichtung die beste Antwort auf die aktuelle Marktsituation ist.

Unternehmenserfolg setzt ein festes Instrumentarium voraus.
Bei der Beurteilung der Unternehmenssituation kann ein speziell auf das Unternehmen zugeschnittenes Instrumentarium die Willensbildung der Leistungsträger unterstützen. Die Willensdurchsetzung im Dialog mit den wichtigsten Leistungsträgern erfolgt durch die Ableitung von Maßnahmen aus den Unternehmenszielen. Durch die Definition der Unternehmensstrategie wird gewährleistet, dass die Maßnahmen den Unternehmenszielen zuträglich sind.

Die Strategieentwicklung muss in einem fixierten Prozess ablaufen.
Um eine Rundumsicht auf das Unternehmen und seine Umwelt sicherzustellen, müssen wichtige Akteure des Unternehmens in den Strategieprozess eingebunden werden. Durch den Dialog wird zudem die Akzeptanz von getroffenen Entscheidungen erhöht. Ein externer Moderator kann dabei durch den sog. „Sokratischen Dialog“ den Blick auf das Unternehmen objektivieren helfen und bei der Unterstützung von Problemen auf der Beziehungsebene mitwirken. Er dient zudem als wichtige Unterstützung beim Nachhalten der Maßnahmen, fordert und fördert die Umsetzungsdisziplin und gewährleistet, dass der Strategieprozess langfristig einen Mehrwert für das Unternehmen generiert.

Letzte Vorbereitungen vor dem Interview …

Es ist spät in den Morgenstunden, als Weber vom Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer aufblickt und ein letztes Mal die Notizen für den Artikel überprüft. Er hatte bereits früher realisiert, dass sein Managementstil, das Führungsteam und die Unterstützung seiner Strategieberater zum Erfolg des Unternehmens beitrugen. Durch das Reflektieren seines Führungsstils erschloss sich ihm nun bewusst die Systematik hinter dem Erfolg.

Er fühlte sich an die Worte erinnert, die sein Berater ihm vor Jahren mit auf den Weg gab:

„Nicht wie der Wind weht,
sondern wie Sie Ihre Segel
setzen – darauf kommt es an.“

 

 

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