Artikel erschienen am 23.11.2018
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Die Besondere Ausgleichsregelung im EEG

Begrenzung der EEG-Umlage für stromkostenintensive Unternehmen

Von Dr. iur. Gernot-Rüdiger Engel, Hamburg | Ekkehard Hübel, Hamburg

Durch das EEG 2017 sollen die Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien gleichmäßig auf alle Stromverbraucher verteilt werden. Eine Ausnahme besteht für stromkostenintensive Unternehmen und Schienenbahnen, die im internationalen – bzw. bei Schienenbahnen im intermodalen – Wettbewerb stehen. Diesen gewährt das EEG 2017 unter bestimmten Voraussetzungen eine Begrenzung der EEG-Umlage – die sogenannte Besondere Ausgleichsreglung. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die EEG-Begrenzung für stromkostenintensive Unternehmen.

Es geht um immerhin 221 Branchen des produzierenden Gewerbes. Darunter Branchen, von denen gemeinhin bekannt ist, dass sie für die Erzeugung ihrer Produkte viel Strom verbrauchen, wie zum Beispiel die Hersteller von Stahl, Flachglas oder Ziegeln. Aber auch die Produzenten von Uhren, elektrischen Haushaltsgeräten, Spielwaren und Sportgeräten sowie viele weitere zählen zum Kreis der grundsätzlich begrenzungsfähigen Branchen. Sie alle haben nach Auffassung des Gesetzgebers gemeinsam, dass sie aufgrund ihres Stromverbrauchs ohne die Besondere Ausgleichsregelung (kurz: „BesAR“) in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht sind. In einem Hintergrundpapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie heißt es dazu: „Ohne Begrenzung der Belastung wäre … davon auszugehen, dass die Wettbewerbsfähigkeit stromkostenintensiver Unternehmen im internationalen Wettbewerb sinken und gegebenenfalls eine Produktionsverlagerung ins Ausland stattfinden würde. Solche Produktionsverlagerungen ins Ausland wären … ein erhebliches Risiko für die Attraktivität des Industriestandorts Deutschland“.

BesAR in Zahlen

Das für die Bearbeitung der Anträge auf Begrenzung der EEG-Umlage zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend: BAFA) veröffentlicht jährlich die Anzahl der begrenzten Unternehmen und Schienenbahnen. Laut BAFA nahmen im Jahr 2017 insgesamt 2 092 Unternehmen bzw. selbständige Unternehmensteile (1 955 produzierendes Gewerbe / 137 Schienenbahnen) mit insgesamt 2 753 Abnahmestellen die BesAR in Anspruch. Die begünstigte Gesamtstrommenge lag nach Angaben der Behörde bei insgesamt rund 105,7 Terrawattstunden.

In dem Hintergrundpapier des Wirtschaftsministeriums zur BesAR ist die Branchenverteilung der begünstigten Unternehmen zusammengefasst. Danach entfallen auf die Wirtschaftszweige „Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus, „Herstellung von chemischen Erzeugnissen“ und „Metallerzeugung und -bearbeitung“ knapp 25 % der privilegierten Abnahmestellen, die rund 61 % der begünstigten Strommenge verbrauchen. Mit Blick auf die Bundesländer hat Nordrhein-Westfalen mit rund 30 % der privilegierten Strommenge die Nase vorn. Auf die Länder Bayern, Niedersachsen und Hessen entfällt noch einmal rund 33 % der privilegierten Gesamtstrommenge.

Die Begrenzungsvoraussetzungen

Der Gesetzgeber knüpft einige Voraussetzungen an die Begrenzung der EEG-Umlage. Zunächst muss das Unternehmen einer der 221 in Anlage 4 EEG 2017 genannten Industrie-Branchen angehören. Diese Liste ist abschließend. Daneben muss das Unternehmen mehr als 1 Million Kilowattstunden Strom selbst verbrauchen. Auf die ersten 1 000 000 kWh Strom ist 100 % der EEG-Umlage zu zahlen (Selbstbehalt). Erst danach setzt die Begrenzung ein.

Ab einem Stromverbrauch von 5 Mio. kWh muss das Unternehmen über ein Energiemanagementsystem (z. B. DIN EN ISO 50001) verfügen. Bei einem Stromverbrauch bis zu 5 GWh ist ein alternatives System zur Verbesserung der Energieeffizienz ausreichend.

Bei Branchen der Liste 1 des Anhangs 4 EEG 2017 muss die Stromkostenintensität mindestens 14 % betragen. Branchen der Liste 2 des Anhang 4 EEG 2017 müssen eine Stromkostenintensität von mindestens 20 % aufweisen.

Die Stromkostenintensität ist das Verhältnis der Stromkosten zum arithmetischen Mittel der Bruttowertschöpfung des Unternehmens. Die Bruttowertschöpfung wiederum umfasst laut der Definition des BAFA in seinem Merkblatt für stromkostenintensive Unternehmen „die im Nachweiszeitraum erbrachte wirtschaftliche Leistung des Unternehmens, jedoch ohne Berücksichtigung von Zweigniederlassungen im Ausland“. Nach Angaben des BAFA im Merkblatt für stromkostenintensive Unternehmen ist die erbrachte wirtschaftliche Leistung „Ausdruck des Wertes aller in der betreffenden Periode produzierten Waren und Dienstleistungen abzüglich des Wertes der bezogenen und bei der Produktion verbrauchten Vorleistungen“.

Die Begrenzungsvoraussetzungen müssen mit einem Antrag gegenüber dem BAFA nachgewie-sen werden. Die Anträge müssen bis spätestens zum 30. Juni eines Jahres beim BAFA eingehen (neugegründete Unternehmen haben eine verlängerte Antragsfrist bis zum 30. September eines Jahres). Es handelt sich dabei um gesetzliche Ausschlussfristen. Das heißt, dass nach diesem Datum eingehende Anträge nicht mehr berücksichtigt werden. Ist der Antrag erfolgreich, winkt dem Unternehmen – je nach Branche – eine Begrenzung der EEG-Umlage um mindestens 85 % für das auf die Antragstellung folgende Kalenderjahr. Die Einsparpotenziale sind beträchtlich und liegen abhängig vom Stromverbrauch häufig im siebenstelligen Bereich.

Größte Hürde: Stromkostenintensität

Für viele Unternehmen ist die größte Hürde im Zusammenhang mit der Begrenzung der EEG-Umlage eine zu niedrige Stromkostenintensität. Erreichen die Unternehmen die geforderten 14 bzw. 20 % nicht, scheidet eine EEG-Begrenzung aus. Im Jahr 2017 konnten lediglich die genannten 1 955 Unternehmen die Hürde Stromkostenintensität überwinden. Es dürfte in Deutschland aber weitaus mehr stromintensive Unternehmen geben. Diese Unternehmen können angesichts einer zu niedrigen Stromkostenintensität derzeit keine Begrenzung der EEG-Umlage in Anspruch nehmen.

Bildung eines selbstständigen Unternehmensteils

Eine Möglichkeit zur Erreichung der gesetzlich geforderten Stromkostenintensität ist die Bildung eines selbstständigen Unternehmensteils (kurz: „sUT“). Diese Option besteht allerdings nur für Unternehmen, die einer Branche der Liste 1 des Anhangs 4 EEG 2017 angehören.

Bei einem sUT handelt es sich um einen (fiktiven) stromintensiven Teil des Unternehmens, der für sich genommen die Begrenzungsvoraussetzungen erfüllen muss. Diese sind bei einem sUT laut § 64 Abs. 5 S. 2 EEG 2017 erfüllt, „wenn es sich um einen Teilbetrieb mit eigenem Standort oder einen vom übrigen Unternehmen am Standort abgegrenzten Betrieb mit den wesentlichen Funktionen eines Unternehmens handelt, der Unternehmensteil jederzeit als rechtlich selbständiges Unternehmen seine Geschäfte führen könnte, seine Erlöse wesentlich mit externen Dritten erzielt und über eine eigene Abnahmestelle verfügt“.

Für die in dem sUT verbrauchten Strommengen wird eine EEG-Begrenzung gewährt. Eine ge-sellschaftsrechtliche Umstrukturierung ist durch die Bildung eines sUT nicht erforderlich.

Weiterer Lösungsansatz: Umstrukturierung

Unternehmen werden häufig umstrukturiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sofern ein Unternehmen eine Umstrukturierung in Erwägung zieht, kann es unter Umständen zweckmäßig sein, die Frage einer möglichen EEG-Begrenzung der Zielstruktur in die Planungen einzubeziehen. Denn sofern durch die Bildung eines sUT die Eintrittsschwelle der Stromkostenintensität nicht überschritten werden kann oder das Unternehmen einer Branche der Liste 2 des Anhangs 4 EEG 2017 angehört, kann zumindest als Nebeneffekt einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung gegebenenfalls die maßgebliche Stromkostenintensität erreicht werden.

Mögliche Szenarien

Denkbar sind zwei Szenarien:

  • Zum einen kann der stromkostenintensive Produktionsteil des Unternehmens in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert werden, die dann den maßgeblichen Schwellenwert erreicht und damit antragsberechtigt ist.
  • Zum anderen können bestimmte – nicht stromkostenintensive – Bereiche des Unternehmens wie IT, Controlling oder HR ausgegliedert werden, um den Produktionsteil fit zu machen im Hinblick auf die Stromkostenintensität.

In jedem Fall muss das Unternehmen nach der Umstrukturierung noch die Unternehmensdefinition in § 3 Nr. 47 EEG 2017 erfüllen, um antragsberechtigt zu sein.

Danach gilt als Unternehmen „jeder Rechtsträger, der einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nachhaltig mit eigener Gewinnerzielungsabsicht betreibt“.

Angesichts dieser Begriffsdefinition dürften reine Lohnfertigungsmodelle oder der ausschließliche Einsatz von Leiharbeitnehmern zur Optimierung der Stromkostenintensität als kritisch anzusehen sein. Das BAFA formuliert es in seinem Merkblatt folgendermaßen:

„Werden Unternehmenskonstrukte entwickelt oder sind diese bereits umgesetzt, die auf einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten schließen lassen, ist davon auszugehen, dass eine Begrenzung dieser Gebilde nicht vereinbar ist mit dem Unternehmensbegriff nach § 3 Nr. 47 EEG 2017 und der Zielsetzung sowie dem Interesse der Gesamtheit der Stromverbraucher nach § 63 EEG 2017“.

Ferner muss nach einer Umstrukturierung die korrekte Branchenzugehörigkeit für einen erfolgreichen EEG-Antrag gewahrt sein, dass antragstellende Unternehmen muss also einer Branche der Liste 1 oder 2 des Anhangs 4 EEG 2017 angehören.

Angesichts der Vielzahl an Rechtsfragen im Zusammenhang mit möglichen Umstrukturierungen empfiehlt es sich in jedem Fall, führzeitig in der Planungsphase und vor dem Start des Projekts Kontakt mit dem BAFA aufzunehmen und das Vorgehen abzustimmen.

Dies hilft, unangenehme Überraschungen zu vermeiden und strategische Fehler zu verhindern, die sich nur schwer korrigieren lassen und im Zweifel mehr wirtschaftlichen Schaden anrichten als Einsparungen zu erbringen.

Bild: Fotolia/electriceye

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