Artikel erschienen am 23.02.2017
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Niedrigzinsphase – ein Risiko für mittelständische Unternehmen?

Risiken (und Chancen) erkennen, bewerten und in die Unternehmenssteuerung einbinden

Von Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Konrad Martin, Hamburg | Dipl.-Ing. Oec. Christoph Kraemer, Hamburg

Risikomanagement ist in einem Umfeld dyna­mischer Entwicklungen in Gesellschaft, Politik, Technologie und Wirtschaft inzwischen ein unverzichtbares und letztlich auch gesetzlich vorgeschriebenes Instrument, um eine Vorstellung über die weitere unternehmerische Entwicklung sowie die nötigen Eingriffsnotwendigkeiten des Managements zu bekommen. Besondere Herausforderungen stellen für das Risikomanagement stets unbekannte Situationen dar, zu denen es nicht bereits Erfahrungen aus anderen Branchen oder der Vergangenheit gibt, da die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeiten und potenziellen Schadenshöhen kaum sinnvoll möglich ist. Als eine solche Situation kann die gegenwärtige Niedrigzinsphase eingeschätzt werden.

Ein Risiko frühzeitig über einen permanenten Prozess zu identifizieren, das Einzelrisiko zu bewerten, es zu kommunizieren und entsprechend zu reagieren, sollte in der nahezu täglichen Arbeit des Managements eines Unternehmens liegen. Ein mehrdimensionales Risikomanagementsystem kann wie folgt aufgebaut werden:

Die Realität gerade im Mittelstand sieht häufig gänzlich anders aus, die Niedrigzinsphase ist dafür ein aktuelles Beispiel: Die Abhängigkeit des Mittelstands von Kreditinstituten bei der Umsetzung von Investitionen und dem täglichen Geschäft über Kontokorrentlinien ist immer noch hoch. Gleichwohl beschäftigt sich ein Großteil des Mittelstandes nach unseren Erfahrungen nicht im Ansatz mit der Bewertung durch die Fremdkapitalgeber und weitere Dritte (u. a. Creditreform). Der Begriff Rating ist zwar dem Namen nach bekannt, seine Herleitung und vor allem seine Auswirkung jedoch kaum. Hier gilt es nach wie vor, noch deutlich mehr Aufklärung zu generieren und Anpassungen vorzunehmen, soweit insbesondere der qualitative Teil der Bewertung nicht den eigenen Wahrnehmungen entspricht. Letztlich ist das Rating als Indikator für die Ausfallwahrscheinlichkeit die Basis für die Höhe des zu entrichtenden Zinses, sowohl im langfristigen als auch im kurzfristigen Bereich. Auch heute ist immer noch zu sehen, dass viele Unternehmen des Mittelstandes von der bereits mehrjährigen anhaltenden Phase der niedrigen Zinsen kaum oder gar nicht profitieren. Die Unternehmer kümmern sich schlichtweg nicht, trauen sich nicht, der Bank ihr Anliegen vorzustellen, oder es wird angenommen, dass ohnehin keine Anpassung möglich ist. Das kann vielfach auch so sein und ist insbesondere dann der Fall, wenn langfristig Zinskonditionen festgemacht werden konnten. In den allermeisten Fällen der Finanzierung mit kurz- oder mittelfristiger Struktur unterliegen die Verträge in der Ausprägung der Höhe des Zinssatzes jedoch der sog. Zinsanpassungsklausel. Diese besagt, dass – orientiert an einem aussagefähigen Referenzmarktzins – eine Anpassung des zu leistenden Zinses nach oben oder unten seitens der Kreditinstitute vorgenommen werden kann. Dieses muss transparent, nachvollziehbar und kontrollierbar für den Kunden sein. Hier wurde in den letzten Jahren sehr häufig einseitig durch die Kreditinstitute gehandelt. Mit Urteil des Landgerichtes Düsseldorf vom 21.11.2014 (Az. 8 O 253/13) wurde wiederholt festgestellt, dass die Auswirkungen des Marktes im Auf und Ab des Marktniveaus sich gleichermaßen auch in den Zinsen zum Kreditnehmer wiederfinden sollen. Und genau an dieser Stelle liegt ein erhebliches Risiko bei vielen Kreditnehmern. Unternehmer, die es nachgehalten haben, ihre Zinslast dem Marktniveau nach unten anzupassen, werden gleichermaßen von einer wann auch immer eintretenden Erhöhung getroffen.

Ein Zinssatz für aufgenommenes Kapital, der schon nahezu bei Null liegt, wird wohl kaum unter Null gehen. Von weiteren, gravierenden Absenkungen kann demnach nicht ausgegangen werden. Hier liegt also umgekehrt nur ein Risiko, dessen Auswirkung sehr genau betrachtet werden muss. Die EZB hat mit dem Ziel der Investitions- und Konsumförderung zwar jede Menge Kapital in die Märkte gegeben, allerdings wurden diese Beträge dem Grunde und der Höhe nach nicht nachgefragt. Die (deutsche) Wirtschaft befindet sich im Allgemeinen in einer sehr guten Ausgangslage. Viele Investitionen wurden getätigt. Der Sprung zum nächstgrößeren Investment wird mit Vorsicht beobachtet. Kurz gefasst führt eine zu leichtfertig getätigte große Investition – maßgeblich motiviert durch einen niedrigen Zinssatz – zunächst zur Erhöhung der Bilanzsumme und i. d. R. zur Verschlechterung der Relation Eigenkapital zu Fremdkapital und damit in der Konsequenz zur Verschlechterung einiger Kennziffern des Unternehmensratings. In Zeiten einigermaßen gut laufender Geschäfte und der Geldschwemme am Markt stellt dies kein Problem dar, in Zeiten weniger gut laufender Geschäfte dreht sich die Betrachtung postwendend um. Im Resultat wird es in der Automatik der Zinsanpassung wieder zur Erhöhung der Zinsen kommen. In diesem Fall doppelt schlecht, wenn die Investition nicht wirklich in vollem Umfang betriebsnotwendig war.

Dass es wieder zu einer Erhöhung der Zinsen kommen wird, ist wohl nahezu unumstritten. Wann dieses genau der Fall sein wird, ist unklar. Die (deutsche) Wirtschaft ist so gut aufgestellt wie schon lange nicht mehr. Die Zahl der Insolvenzen ist auf ein sehr niedriges Niveau gesunken. Ein Grund für diese gut florierende Wirtschaft liegt auch in diesen niedrigen Fremdkapitalkosten. Nicht zuletzt deshalb, da man nicht nur die Eindimensionalität des Zinses auf die unternehmenseigene Zinsbelastung im Finanzergebnis betrachten darf. Das Zinsniveau spiegelt sich mit seinen Auswirkungen in fast allen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung wider. Insbesondere betroffen sind die großen Aufwandspositionen für Material und Dienstleistungen. In die Gesamtkalkulation der Lieferanten dieser Vorprodukte und Dienste gehört auch der eigene Zinsaufwand, respektive ein kalkulatorischer Zinssatz. Je höher also der prozentuale Anteil des Materialaufwandes der GuV liegt, umso höher ist die mögliche indirekte Auswirkung einer Zinserhöhung. Bei Unternehmen mit umfangreicher Handelsstruktur können das Werte bis zu 90 % sein. Auch im Maschinen- und Anlagenbau liegt der Materialanteil in Prozent zur Gesamtleistung schnell bei 60 % und mehr. Verträge in der Zulieferung sehen ohnedies häufig ebenfalls Preisgleitklauseln vor. Umgekehrt können diese mit einem Endkunden weniger oft generiert werden. Beispielhaft seien hier nur die typischen Jahreskontrakte des LEH genannt, bei denen häufig ein Abnahmepreis im Herbst des Vorjahres für das gesamte kommende Jahr festgeschrieben wird.

Risikomanagementsysteme sind notwendige In­­s­trumentarien, um zukünftigen, insbesondere negativen Ereignissen entgegenzuwirken. Obwohl den Inhalten und dem Grunde nach bekannt, finden sie im Mittelstand vergleichsweise wenig Einsatz. Es fehlt vielfach nicht nur an der Zeit, sondern vielmehr auch an der Motivation der Unternehmer, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Dabei gilt es, sich mit einer Vielzahl an Risikofaktoren im Umfeld des Unternehmens zu beschäftigen, die im Zweifel zum Teil aktuell gar nicht als Risiko wahrgenommen werden. Eines davon ist die Niedrigzinsphase und ihre Auswirkungen.

Auch wenn die Niedrigzinsphase derzeit große Chancen für Unternehmen bietet, sich im Wettbewerb zinskostengünstig aufzustellen, so kann sie doch erhebliche Risiken in der zukünftigen Ausgestaltung bergen. Insbesondere über die i. d. R verwendeten Zinsanpassungsklauseln können sich deutlich negative Veränderungen in den Ergebnislagen und damit im Rating ergeben. Dieses kann besonders hart Unternehmen treffen, die auf der Passivseite der Bilanz im erheblichen Maße kurzfristig finanziert haben. Nur geringe Veränderungen im Referenzzins können sich bereits deutlich niederschlagen. Darüber hinaus kann es Unternehmen umso härter treffen, je höher der Zukauf an der Gesamtleistung des Unternehmens ist. Bei diesen Fällen im Besonderen, aber dem Grunde nach in allen Unternehmen ist ein vo­rausschauender Umgang im Hinblick auf ein sich wieder veränderndes Zinsniveau vonnöten. Eine langfristige Zinsprognose insgesamt kann aufgrund des derzeitigen Niveaus nur nach oben gehen.

Bild: Fotolia/BillionPhotos.com

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