Artikel erschienen am 01.02.2016
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Geistiges Eigentum auf dem Prüfstand

Die Studie IP-Check Mittelstand

Von Andrea Ringle, Hamburg

Wissen und Kreativität sind schwer zu greifende immaterielle Ressourcen, die einen wesentlichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens haben. Durch den Schutz geistigen Eigentums (Intellectual Property = IP) und geeignete Maßnahmen strategischer und operativer Natur sind langfristig bedeutende Wettbewerbsvorteile erreichbar.

Hierzu hat die Kanzlei BRL gemeinsam mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und der Universität Hamburg die empirische Studie „IP-Check Mittelstand“ durchgeführt. Bei rund 500 norddeutschen mittelständischen Unternehmen wurden der Stellenwert des geistigen Eigentums ermittelt, Schutzlücken aufgedeckt und Schutzmaßnahmen abgeleitet.

Grundtendenzen und Bausteine eines erfolgreichen Schutzes

Die Studie belegt, dass dem Schutz von geistigem Eigentum im Mittelstand eine wichtige Rolle zugesprochen und für die Zukunft ein Bedeutungszuwachs erwartet wird. Während der norddeutsche Mittelstand bei technischen Schutzrechten solide aufgestellt ist, weist das Schutzniveau in anderen Bereichen einen deutlichen Bedarf an Nachbesserungen auf – wie bspw. im Marken-, Design- und Urheberrechtsschutz. Branchenübergreifend sind zudem Defizite bei der internationalen Absicherung der geistigen Leistungen unseres Mittelstandes festzustellen.

Es sind nur wenige Bausteine, deren Beachtung bei der Sicherung des unternehmenseigenen IP nachhaltige Erfolge verzeichnen lässt. Wer die vier Grundpfeiler der nebenstehenden Grafik (Abb. 1) ernst nimmt, ist beim Schutz seines geistigen Eigentums einen großen Schritt weiter.

Abb. 1: Aufbau der Studie

Informationen verschaffen

Zunächst gilt: Wer keine oder geringe Kenntnisse über Schutzmöglichkeiten geistigen Eigentums hat, muss sich informieren (Fundament). Es gibt im Grunde drei Kategorien der in der Praxis bedeutendsten Schutzrechtsgruppen: (1.) Marken und Designs als nicht-technische Schutzrechte, (2.) Patente und Gebrauchsmuster als technische Schutzrechte und (3.) Urheberrechte. Während Marken, Designs, Patente und Gebrauchsmuster zur Eintragung in öffentlichen Registern (bspw. beim Deutschen Patent- und Markenamt) angemeldet werden können, entsteht das Urheberrecht mit der Schaffung des geschützten Werkes, ohne dass eine Eintragung möglich wäre.

Geistiges Eigentum erkennen und schützen

Im nächsten Schritt ist das tatsächliche Schutzniveau zu analysieren und ggf. zu verbessern (Säule 1 in Abb. 1): Eintragbare gewerbliche Schutzrechte sollten auf ihre Bedeutung für das Unternehmen überprüft und bei Bedarf national oder sogar international angemeldet werden.

Patente und Gebrauchsmuster

Vorsicht geboten ist allerdings bei Patenten und Gebrauchsmustern, die technische Erfindungen schützen. Deren Schutzvoraussetzung ist die Neuheit, d. h., sie dürfen der Öffentlichkeit vor ihrer Anmeldung nicht zugänglich / bekannt gemacht worden sein, auch nicht durch den Erfinder selbst. Das ist vielen Unternehmen nicht bewusst und führt oftmals zu enttäuschten Erwartungen.

Urheberrechte

Urheberrechte können nur vertraglich durch Regelungen über den Umfang der Nutzungsrechte abgesichert werden, bspw. durch Vereinbarung einer einfachen oder einer ausschließlichen Lizenz. Dies ist im Verhältnis zu den Nutzern der geistigen Leistungen wichtig, aber auch gegenüber den Urhebern (selbst wenn es sich um eigene Mitarbeiter handelt), weil Urheberrechte an die natürliche Person des Urhebers gebunden sind. Die Unternehmenswirklichkeit jedoch zeigt ein anderes Bild: Fast die Hälfte der Unternehmen, deren Schwerpunkt nach eigener Einschätzung auf der Verwertung von Urheberrechten/kreativen Leistungen liegt, versäumt die Festlegung des Umfangs der Nutzungsrechte seiner Werke durch Verträge. Man denke also daran, mit Vertragspartnern nicht nur die kaufmännischen Absprachen wie Kaufpreis und Lieferung schriftlich zu fixieren, sondern zusätzlich, in welchem Umfang die Nutzung der Urheberrechte gestattet wird.

Marken

Die Studie offenbart ferner in dem branchenübergreifend wichtigen Bereich des Markenschutzes eine deutliche Diskrepanz: Während 97 % der Unternehmen angeben, Unterscheidungszeichen zu verwenden, die Gegenstand markenrechtlichen Schutzes sein können (abgefragt wurden Firmennamen/-schlagwörter, Logos, Produktnamen und Slogans), lassen sich davon nur die Hälfte als Inhaber von Marken identifizieren. Die Übrigen verzichten auf diesen wertvollen, wenig kostenintensiven Schutz.

Abb. 2: Übersicht zum Bestand eingetragener Marken

Territoriale Reichweite der Geschäftsaktivitäten

Ganz allgemein ist zu berücksichtigen, dass sich die territoriale Reichweite von Registerrechten nach dem Schutzgebiet der jeweiligen Eintragung bestimmt. Ein deutsches Patent hilft bei einer Patentverletzung in Frankreich oder China nicht weiter, und eine Gemeinschaftsmarke (EU-weiter Schutz) kann die Verwendung eines kollidierenden Zeichens in der Schweiz oder in den USA nicht verbieten. Es sind daher Überlegungen darüber anzustellen, in welchem Territorium Schutz für das geistige Eigentum benötigt wird, und dies ist regelmäßig zu wiederholen. Aus der Untersuchung ergibt sich leider für den Ist-Zustand, dass für den Schutz des geistigen Eigentums in territorialer Hinsicht bei Weitem nicht hinreichend gesorgt wird.

Geistiges Eigentum aktiv verteidigen

Der nächste Baustein (Säule 2 in Abb. 1) eines erfolgreichen IP-Managements ist die Verteidigung des eigenen geistigen Eigentums. Es reicht naturgemäß nicht aus, eine rechtliche Grundlage für eine potenzielle Verteidigung zu schaffen. Nur wer die Augen offen hält, erkennt Verletzungen seines immateriellen Vermögens und nur wer nötigenfalls auch tätig wird, schützt sein geistiges Eigentum dauerhaft. Für die Unternehmens­praxis stellt sich jedoch heraus, dass mit etwa 20 % nur ein geringer Anteil der Befragten gelegentlich bis regel­mäßig aktiv nach Ver­letzungen des unter­nehmens­eigenen geistigen Eigen­tums sucht und beinahe 30 % selbst bei Kenntnis von der Verletzung eigener IP-Rechte nichts dagegen unternehmen. Die Wett­bewerbs­vorteile, die sich aus der Ver­teidigung des geistigen Eigentums für das einzelne Unter­nehmen ergeben, werden folglich nur unzureichend genutzt. Und dies, obwohl es – wie der befragte Mittel­stand bestätigt – im Regelfall (90 %) gelingt, solche Konflikte außer­gerichtlich und somit im Ergebnis kosten­sparend zu lösen.

Keine fremden Rechte verletzen

Schließlich sollte darauf geachtet werden, durch die eigenen Aktivitäten keine Schutzrechte Dritter zu verletzen (Säule 3 in Abb. 1). Die Untersuchung ergab erhebliche Schwächen bei der Absicherung gegen Angriffe von außen. Die deutliche Mehrheit der Mittelständler nimmt – vermutlich unbewusst – große Gefahren in Kauf, wenn es bspw. darum geht, neue Schutzrechte anzumelden, neue Produkte auf den Markt zu bringen oder Produktnamen auszuwählen. Weniger als ein Viertel der Unternehmen prüft in diesen Fällen regelmäßig, ob mit den neuen Maßnahmen Rechte Dritter verletzt werden.

Dieses Ergebnis überrascht insbesondere vor dem Hintergrund, dass berechtigte Angriffe gegen neue Produkte oder Produkt­namen oft zu hohen Schäden (Um­eti­kettierung, Neu­produktion, Vernichtung von Werbe­material etc.) führen können. Durch Recherchen in Bezug auf ent­gegen­stehende Rechte Dritter vor der Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsaktivitäten können solche Gefahren vermieden werden. Für die Zukunft ist in dieser Hinsicht eine deutlich größere Sensibilität anzuraten. Denn mit zunehmender Bedeutung des IP-Schutzes im allgemeinen Verständnis der Unternehmen dürfte auch das Risiko steigen, wegen Verletzungen des geistigen Eigentums belangt zu werden.

Ausblick

Das Ergebnis der Studie ermutigt insoweit, als geistiges Eigentum vom Mittelstand – ganz im Trend der allgemeinen Wahrnehmung – als Wirtschaftsgut erkannt und beachtet wird. Dies ist die Grund­voraussetzung dafür, das offensichtlich vorhandene Optimierungs­potenzial beim IP-Management auszuschöpfen und hierdurch den Unternehmen­serfolg langfristig zu steigern.

Die Studie und weitere Informationen zur Studie können unter www.tuhh.de/ip-check heruntergeladen werden. Für Fragen zum IP-Check Mittelstand stehen Ihnen spezalisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gerne zur Verfügung.

Bild: Freepik.com

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