Erbschaftsteuerreform 2016
Hintergrund, Stand und Ausblick
Von Dr. iur. Nils Meyer-Sandberg, HamburgBundesverfassungsgerichtsurteil vom 17.12.2014

Mit Urteil vom 17.12.2014 (Az. 1 BvL 21/12) hat das Bundesverfassungsgericht das geltende Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt, weil die darin geregelten Begünstigungen von Betriebsvermögen, durch welches Betriebsvermögen zu 85 % bzw. vollständig von der Erbschaft- und Schenkungsteuer verschont bleiben, unverhältnismäßig sind und damit gegen den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der gleichen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoßen. Als Gründe für die Verfassungswidrigkeit führte das Bundesverfassungsgericht an, dass
- auch große Unternehmen begünstigt werden, ohne dass insoweit eine Bedürfnisprüfung erfolgt,
- bei Betrieben mit nicht mehr als 20 Arbeitnehmern (dies seien mehr als 90 % aller Betriebe) die Lohnsummenpflicht zur Erhaltung von Arbeitsplätzen bei Betrieben keine Anwendung findet,
- von der Verschonung auch Betriebsvermögen umfasst ist, das bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen (nicht produktives bzw. nicht betriebsnotwendiges Vermögen) besteht und
- das Gesetz Gestaltungen zulässt, mit denen grundsätzlich nicht begünstigtes Vermögen verschont wird, wodurch die vorgenannte überschießende Begünstigung noch verstärkt wird.
Gleichwohl gelten die für verfassungswidrig erkannten Regelungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens jedoch bis zum 30.06.2016, fort.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Die Bundesregierung hat am 08.07.2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt mit dem erklärten Ziel, das geltende Erbschaftsteuergesetz durch „minimalinvasive“ Eingriffe lediglich in Bezug auf die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Punkte verfassungsfest zu regeln. Nach dem aktuellen Regierungsentwurf sollen die Begünstigungen, insbesondere die weitgehende Verschonung von Betriebsvermögen, grundsätzlich beibehalten werden, jedoch soll
- nur noch solches Betriebsvermögen begünstigt sein, das „dem Hauptzweck des Unternehmens dient“, und Verwaltungsvermögen nur insoweit, als es 10 % des Betriebsvermögens nicht übersteigt,
- die Lohnsummenpflicht bereits für Betriebe ab drei Beschäftigten Anwendung finden und
- bei Erwerb von Betriebsvermögen von mehr als 26 Mio. Euro (bzw. unter bestimmten, praktisch in der jetzigen Form wohl kaum erfüllbaren, Voraussetzungen 52 Mio. Euro)
- der Verschonungsabschlag abschmelzen („Abschmelzungsmodell“) oder
- der Erwerber nachweisen, dass er die Steuerschuld nicht aus 50 % seines verfügbaren Vermögens bezahlen kann mit der Folge, dass ihm (nur) insoweit die Steuer erlassen wird („Erlassmodell“).
Der Gesetzentwurf wird stark kritisiert und die Länder haben auf Ebene des Bundesrates in ihrer Stellungnahme vom 25.09.2015 (BR-Drs. 353/15) an wesentlichen Stellen Änderung gefordert. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, welches ursprünglich bis Ende des Jahres 2015 getätigt sein sollte, zögert sich daher hinaus, sodass mit einem Inkrafttreten des neuen Erbschaftsteuergesetzes möglicherweise erst am 01.07.2016 zu rechnen ist.
Beurteilung und Ausblick
Wie das neue Erbschaftsteuergesetz schließlich konkret aussehen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Es dürfte in vielen Fällen zu einer höheren Steuerbelastung, regelmäßig höherem Erklärungsaufwand und gerade in der Anfangszeit zu Rechtsunsicherheiten führen, aber auch künftig Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Da bisher keine rückwirkende Änderung geplant ist, bleibt möglicherweise noch ein kurzes Zeitfenster, in dem Übertragungen – z. B. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – noch dem aktuellen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht unterliegen.
Foto: Panthermedia/Alexey Romanov, Mario Pagnacco