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Die Eigenverwaltung als Mittel der Wahl zur Sanierung von Unternehmen

Von Dr. iur. Steffen Koch, Hamburg

Die gute und anhaltende Konjunkturlage in Deutschland führte dazu, dass auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stark sank. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2014 – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – um 9,2 % zurück.

Entgegen diesem Trend haben sich jedoch die Zahlen der – mit dem ESUG vor rund zwei Jahren eingeführten – Sanierungsinstrumente Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung entgegengesetzt entwickelt.

Den vorliegenden Daten zufolge wurden im ersten Halbjahr 2014 insgesamt 150 ESUG-Verfahren gestartet. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es gerade einmal 111 Verfahren, dies bedeutet einen prozentualen Zuwachs von rund 35 %. Doch diese Zahlen zeigen nicht nur, dass entgegen dem allgemeinen Trend weniger Unternehmensinsolvenzen die Sanierungschancen mit den „neuen“ Sanierungsmöglichkeiten des ESUG als besonders zielführend eingeschätzt haben und sich am Markt bereits nach rund 2 Jahren etabliert haben, sondern bringen noch einen weiteren, erstaunlichen Aspekt zum Vorschein:

Mit Einführung der ESUG-Änderungen in die Insolvenz-ordnung wurde das gänzlich neu geschaffene Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO als das herausragende Sanierungsinstrument der kommenden Jahre bezeichnet. Und insbesondere Vergleiche mit dem US-amerikanischen Chapter-11-Verfahren führten dazu, dass das Schutzschirmverfahren in den ersten Monaten bzw. in dem ersten ESUG-Jahr die größte Aufmerksamkeit auf sich zog. Die oben bereits zitierten Zahlen zeigen jedoch, dass im ersten Halbjahr 2014 unter den gestarteten ESUG-Verfahren lediglich 27 Schutzschirmverfahren waren.

In Bezug auf „Sanierung mit den neuen Möglichkeiten des ESUG“ scheint sich somit mittlerweile die reine Eigenverwaltung als Mittel der Wahl herauszukristallisieren und das vormals so beachtete Schutzschirmverfahren eher ein Sanierungsinstrument für einige, wenige – zumeist größere – Spezialfälle zu werden.

Mit gutem Gewissen kann man nunmehr zwei Jahre nach Einführung des ESUG den anfänglichen Befürchtungen entgegentreten, dass es sich bei den „neuen“ ESUG-Verfahren um praxisferne und nicht anwendbare Verfahren handelt. Und auch die anfängliche „Angst“, dass eine regelrechte Flucht unter den Schutzschirm des § 270b InsO einsetzen würde, hat sich eindeutig nicht bewahrheitet.

Grundsätzlich wurden mit den Änderungen des ESUG sinnvolle und wirksame Möglichkeiten in der Insolvenz-ordnung geschaffen, die eine insolvenznahe, schnelle und unbürokratische Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen ermöglicht.

Insbesondere Verfahren der Eigenverwaltung und die Möglichkeit, einen Insolvenzplan – ggfs. unter einem Schutzschirm – selbst zu erarbeiten, sind sinnvolle und wirksame Optionen, Unternehmen mit einem tragfähigen Geschäftskonzept wieder erfolgreich in den Markt zu bringen bzw. dort zu halten. Zahlreiche schon wieder erfolgreich abgeschlossene/beendete größere Verfahren zeigen dies.

Dass dennoch gerade bei einer überragenden Zahl von kleineren Verfahren das Problem auftritt, dass die neuen Möglichkeiten der Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens gar nicht erst angeordnet werden, lässt auch weiterhin nur den Schluss zu, dass mehrheitlich in größeren Verfahren professionelle und insolvenzerfahrene, sowie im neuen Recht bewanderte Berater auch im Vorfeld der Antragstellung tätig sind.

Die vor dem Antrag notwendige Beratung, die Erarbeitung der Anträge selbst und schließlich die Bescheinigung nach § 270b InsO wird in größeren Verfahren somit professioneller und erfolgreicher umgesetzt und in kleineren Verfahren eher vernachlässigt.

Die Insolvenzverfahren nach §§ 270a, 270b InsO erfordern profundes Fachwissen, nicht nur in der Durchführung regulärer (bisheriger) Insolvenzverfahren, sondern auch besondere Kenntnisse im Bereich des neuen (ESUG-)Rechts. Neue Herausforderungen ergeben sich speziell im Bereich der ESUG-Verfahren im Bereich der Gesellschafterrechte von insolventen Unternehmen. Denn ein Wesensmerkmal der Verfahren nach §§ 270a, 270b InsO ist die Eigenverwaltung. Dem Schuldner/schuldnerischen Unternehmen wird durch die Eigenverwaltung die Möglichkeit gegeben, sich im Rahmen des Insolvenzrechtes im gewissen Maße selbst zu sanieren, also weiterhin zu verwalten. Dem Schuldner wird hierbei ein sogenannter (vorläufiger) Sachwalter zur Seite gestellt, der im Grunde lediglich eine Art Kontrollinstanz oder erweiterte insolvenzgerichtliche Kontrolle darstellt und insbesondere dafür Sorge zu tragen hat, dass die Eigenverwaltung des Schuldners nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Schuldner im gewissen Umfang „seinen“ Sachwalter mit in das Verfahren bringen kann. Dies stellt sozusagen den Bonus dar, den der Schuldner dafür erhält, dass er sich mehr oder weniger freiwillig den Bestimmungen des Insolvenzrechts unterwirft. Dennoch steht der Sachwalter nicht „im Lager“ des Schuldners, sondern übt eine objektive Kontrollfunktion aus, kann andererseits aber auch nicht den Schuldner an Verfügungen hindern, sondern hat als einzige Sanktionsmöglichkeit die Pflicht, dem Insolvenzgericht unverzüglich anzuzeigen, wenn durch das Handeln des Schuldners Nachteile für die Gläubiger drohen. Die Arbeit des Sachwalters unterscheidet sich somit sehr stark von der Arbeit des Insolvenzverwalters und setzt demnach, neben fundierten Kenntnissen des Insolvenzrechtes und Erfahrungen als Unternehmensinsolvenzverwalter, auch weitere Fähigkeiten voraus.

Ein professioneller Sachwalter (und/oder Insolvenzverwalter) versteht sich insbesondere in der Eigenverwaltung als kompetenter Partner der Geschäftsführung des krisenbefangenen Unternehmens, der gleichermaßen beratend, wie – im Sinne der Gläubiger – kontrollierend zur Seite steht, jedoch keinesfalls als „Scharfrichter“ der Unternehmens auftritt.

Selbstverständlich verfügt der Sachwalter über das erforderliche betriebs­wirtschaftliche und juristische Know-how sowie über exzellente Soft Skills. Diese ermöglichen es dem Sach­walter – als eine Art Moderator mit Kontroll­funktion –, in Gesprächen mit allen am Ver­fahren beteiligten Interessen­gruppen (Kunden, Gläubiger, Gesell­schafter, Arbeit­nehmer) möglicher­weise verloren gegangenes Ver­trauen wieder­her­zustellen. Ins­besondere in der Eigen­ver­waltung hat sich dies als besonders wichtig und verfahrens­ent­scheidend heraus­gestellt. Denn in der Eigen­verwaltung ändert sich für außenstehende Interessengruppen – wie insbesondere Kunden und Gläubiger des krisenbefangenen Unternehmens – auf den ersten Blick nichts, da die Geschäftsführung weiterhin die Geschicke des Unternehmens lenkt. Gerade hier kann ein professioneller und erfahrener Sachwalter die Wogen glätten und gerade diesen wichtigen Interessengruppen die neuen Perspektiven und den Weg zum Erhalt des Unternehmens aufzeigen.

Für den professionellen Sachwalter und/oder Insolvenz-verwalter ist zudem eine regelmäßige Zertifizierung ebenso selbstverständlich wie die Mitgliedschaft in verschiedenen nationalen (beispielsweise VID – Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands) oder internationalen Berufsverbänden (INSOL-Europe), mit den damit einhergehenden Selbstverpflichtungen und der Einhaltung von entsprechenden etablierten und erprobten Standards der Restrukturierung und Sanierung.

So wird sich ein entsprechend professioneller Sachwalter bzw. Insolvenzverwalter mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Erhalt des Unternehmens und die Erhaltung von Arbeitsplätzen einsetzen. Auch eine – mitunter erforderliche – mehrjährige Sanierungsphase und damit Fortführung des Unternehmens mit den Möglichkeiten der Insolvenzordnung wird der professionelle Sachwalter/Insolvenz-verwalter nicht scheuen. Vielmehr wird dieser, um das krisenbefangene Unternehmen wieder auf eine gesunde Basis zu stellen, nötigenfalls auch dazu bereit und in der Lage sein, sich auch persönlich für notwendige Masse- oder Lieferantenkredite zu verbürgen.

In einer zunehmend globalisierten Welt sind Geschäftsbeziehungen in den seltensten Fällen allein auf ein Land beschränkt. Der internationale Geschäftsverkehr und der grenzüberschreitende Handel machen oftmals auch Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern und Lieferanten notwendig. Ein professioneller Sachwalter/Insolvenzverwalter spricht selbstverständlich verhandlungssicher Englisch und zumeist eine weitere Fremdsprache, sodass auch Verhandlungen mit ausländischen Kunden, Lieferanten oder Investoren persönlich geführt werden können, was für eine weitere Akzeptanz in und Vertrauen auf die Sanierung mittels Eigenverwaltung sorgt und damit die Sanierung des krisenbehafteten Unternehmens in Eigenverwaltung ermöglicht.

In diesem Zusammenhang wird auch die überregionale und internationale Ausrichtung der Sachwalter- bzw. Insolvenzverwalterkanzlei immer wichtiger. Um überregional, wie auch international auf das globale Handelsgeschäft schnell und professionell reagieren zu können, sind überregionale und/oder internationale Teams nicht zu unterschätzen.

Dennoch sollte bei allen oben benannten Argumenten nicht außer Acht gelassen werden, dass – insbesondere im Falle der angestrebten Restrukturierung in Eigenverwaltung – die Sanierung des krisenbefangenen Unternehmens nicht mit Stellung des Antrages auf Eigenverwaltung beginnt, sondern bereits im Vorfeld. Auch bzw. gerade hier kann ein professioneller Sachwalter/Insolvenzverwalter bzw. im Insolvenzenzrecht bewanderter Berater der beste Garant für eine erfolgreiche anschließende Sanierung sein. Da für den Erfolg der Zusammenarbeit sehr wichtig ist, dass „die Chemie stimmt“, lohnt es sich also bereits im Vorfeld das persönliche und vertrauliche Gespräch zu suchen. Dies kann selbstverständlich gegebenenfalls unter Anonymisierung des Krisenunternehmens erfolgen.

Genauso, wie sich die Entwicklung der neuen Sanierungsmöglichkeiten (Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren) in den letzten zwei Jahren abgezeichnet haben, wird sich diese Entwicklung und die gewachsenen Anforderungen an die handelnden Personen (Sachwalter/Insolvenzverwalter) in den kommenden Jahren noch beschleunigen. Professionelle Insolvenzverwaltung, insbesondere in Form der Sachwaltung im Eigenverwaltungsverfahren, wird mehr und mehr zum Regelfall der Sanierung krisenbefangener Unternehmen werden. Dabei werden gerade die ESUG-Sanierungsmöglichkeiten – allen voran die Eigenverwaltung – nicht mehr als Insolvenzmakel wahrgenommen werden, sondern als hilfreiche und erfolgreiche Sanierungsin-strumente akzeptiert werden, die zum gewöhnlichen Geschäftsleben gehören.

Die Voraussetzungen dafür schaffen professionelle Sachwalter/Insolvenzverwalter gemeinsam mit professionell beratenen Unternehmen.

Fotos: panthermedia/Olaf von Lieres

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