Artikel erschienen am 24.01.2015
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„Eine schrecklich nette Familiengesellschaft“

Streit zwischen Familiengesellschaftern vermeiden

Von Hubertus Leo, LL.M., Hamburg | Dr. iur. Thorben Rein, Hamburg

„Familienunternehmen schlagen den Dax“, titelte die FAZ am 27.11.2014. Familienkontrollierte Unternehmen haben in der Tat eine überragende Bedeutung für Deutschland; sie erwirtschafteten 2010 laut IfM 47 % des Gesamtumsatzes aller Unternehmen und beschäftigten 55 % aller Arbeitnehmer. Ein Streit zwischen Gesellschaftern wird oft dann besonders heftig, wenn sie Mitglieder einer Familie sind. „So erbittert wird nur in Familien gestritten“, meinte das Handelsblatt am 10.11.2014, als es über den Streit in der Familie Tönnies (Fleischkonzern) berichtete. Dieser Beitrag beleuchtet kurz die Mittel im Gesellschafterstreit und zeigt dann bewährte Gestaltungen in Gesellschaftsverträgen der üblichen Rechtsformen (GmbH, GmbH & Co. KG) zu seiner Vermeidung.

I. Die Eskalation im Gesellschafterstreit

Zumeist entzündet sich ein Streit an einer Geschäftsentscheidung. Oft stehen Sachfragen im Vordergrund, mitunter will aber ein Mehrheitsgesellschafter einen unliebsamen Partner in die Schranken weisen oder ein Minderheitsgesellschafter eine Sperrminorität nutzen, um eigene Vorteile ohne Rücksicht auf das Unter-nehmensinteresse zu erzielen.

Wird ein Gesellschafter überstimmt, kann er die Wirksamkeit des Beschlusses gerichtlich überprüfen lassen, je nach Rechtsform und Klageziel durch Anfechtungs-, Nichtigkeits- oder Beschlussfeststellungsklage.

98 % der familienkontrollierten Unternehmen werden lt. IfM von den Inhabern geführt. Ein Streit unter Familiengesellschaftern betrifft daher regelmäßig auch die Geschäftsführung. Die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers lässt sich gegen die Mehrheit nur bei Pflichtverletzungen oder aus anderen wichtigen Gründen durchsetzen. Hierbei kann die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu den Mitgeschäftsführern ausreichend sein.

Im GmbH-Recht können Gesellschafter eine Sonderprüfung von Vorgängen der Geschäftsführung auf Kosten der Gesellschaft beschließen. Damit werden häufig Schadenersatzansprüche gegen die Geschäftsführung vorbereitet.

Schadenersatzansprüche kann ein Gesellschafter gegen Geschäftsführer und im Einzelfall auch gegen Gesellschafter für die Gesellschaft geltend machen.

In Auseinandersetzungen mit Mitgesellschaftern werden in letzter Zeit immer häufiger die Ermittlungsbehörden eingeschaltet. So kam es im Streit um die Gaffel-Brauerei zu einer umfangreichen kartellrechtlichen Untersuchung.

Schließlich kommen die Ausschließung eines Gesellschafters oder gar die Auflösung der Gesellschaft in Betracht, wegen ihrer einschneidenden Konsequenzen aber nur als „Ultima Ratio“.

II. Vorausschauende Vertragsgestaltung

1. Verfahren der Beschlussanfechtung

Zur Streitvermeidung sind klare Regeln und Fristen sinnvoll, wie ein Gesellschafter die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses geltend machen kann. Zumindest bei größerem Gesellschafterkreis empfiehlt sich auch in der Kommanditgesellschaft, dass solche Klagen gegen die Gesellschaft zu richten sind.

2. Eigenfinanzierung

Die Stimmung in Familiengesellschaften bleibt trotz latenter Unstimmigkeiten oft friedlich, solange es dem Familienunternehmen gut geht. Um Krisen und somit der Gefahr von Gesellschafterstreitigkeiten vorzubeugen, sollte der Gesellschaftsvertrag Regelungen zum Kapitalbedarf vorsehen. Dazu können Nachschusspflichten und die Bildung von Rücklagen gehören.

3. Die Auflösung von Pattsituationen

Ein dauerhaftes Patt kann in einer „radikalen“ Variante dadurch aufgelöst werden, dass ein Gesellschafter in einem formalisierten Verfahren die Anteile des anderen Gesellschafters kauft. Die Wirksamkeit einer solchen auch als „Russian Roulette“ bezeichneten Klausel hat jüngst das OLG Nürnberg bestätigt. Sie sieht vor, dass ein Gesellschafter in bestimmten Fällen seinem Mitgesellschafter ein Angebot zum Erwerb seiner Beteiligung unterbreiten kann. Der Angebotsempfänger hat dann nur die Möglichkeiten, entweder das Angebot anzunehmen oder seine Beteiligung zu dem vom Mitgesell-schafter genannten Preis an diesen zu veräußern.

Eine solche vereinfachte Trennung ist bei Joint Ventures üblich. In traditionsreichen Familienunternehmen sollte dagegen die Streitschlichtung vor der Trennung stehen.

4. Gesellschaftsschiedsgericht

Im Gesellschaftsvertrag können die Gesellschafter die Schlichtung von Streitfragen einem ad hoc zusammengesetzten „Schiedsgericht“ oder sonstigen Schlichtungsgremium übertragen, das in einem streitigen Fall angerufen werden kann und dann einzelne Streitfragen entscheidet.

5. Übertragung von Beteiligungen

Die freie Übertragbarkeit von GmbH-Geschäftsanteilen lässt sich beschränken. Den Mitgesellschaftern bietet eine solche „Vinkulierung“ – neben Vorkaufsrechten und ähnlichen Gestaltungen – Schutz vor dem Eindringen unerwünschter Dritter in den Gesellschafterkreis. Bei wiederholter oder unberechtigter Verweigerung der Zustimmung kann dem verkaufswilligen Gesellschafter allerdings ein Austrittsrecht zustehen.

Ebenfalls der Abwehr des Einflusses Dritter dienen gesellschaftsvertragliche Bestimmungen zum ehelichen Güterstand, mit denen die Beteiligung vor den Auswirkungen einer Scheidung geschützt werden soll.

Per Gesellschaftsvertrag können die Gesellschafter die Rechtsnachfolge im Todesfall einschränken. Üblich ist es, nur bestimmte oder eine begrenzte Zahl von Erben zuzulassen. Gerade hier und bei Abfindungsregeln ist auch das Steuerrecht zu beachten.

6. Kündigung, Ausschließung

Die Befugnis eines Gesellschafters, die Gesellschaft – mit der Folge seines Ausscheidens gegen Abfindung – zu kündigen, sollte sowohl in der Kommanditgesellschaft als auch (als Austrittsrecht) in der GmbH möglichst genau geregelt werden. Rechtlich sind der Beschränkung von Kündigung und Abfindung allerdings Grenzen gesetzt. Umgekehrt sollte der Gesellschaftsvertrag die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund (und in der GmbH die Einziehung seiner Geschäftsanteile) durch Gesellschafterbeschluss zulassen.

7. Geschäftsführer

Gerade wenn ein Familienstamm Geschäftsführer stellen darf, sind Bestellung und Amtsbeendigung klar zu regeln. Ein Geschäftsführer kann entweder auf Vorschlag des Familiengesellschafters gewählt oder von diesem einseitig entsandt werden. Für die Beendigung des Amts ist insbesondere der „wichtige Grund“ zu definieren, da in solchen Fällen der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer und bestimmte nahestehende Gesellschafter kein Stimmrecht haben.

8. Beirat

Um Pattsituationen und sonstige Blockaden unter den Gesellschaftern zu vermeiden oder zu lösen, ist in vielen Fällen ein Beirat oder ein ähnliches Gesellschaftsorgan das richtige Mittel. Bis auf wenige, zwingend den Ge-sellschaftern vorbehaltene Befugnisse besteht bei der nicht mitbestimmten GmbH und der GmbH & Co. KG Gestaltungsfreiheit, einem freiwilligen Beirat Aufgaben und Rechte – von der reinen Beratung über die laufende Kontrolle bis zur Personalkompetenz – zuzuweisen. Gerade wenn der Gesellschafterkreis über die Zeit groß und heterogen geworden ist, bietet sich ein mit aktiven und kompetenten Gesellschaftern besetztes Gremium an. Stets ist zu überlegen, ob ein Teil der Sitze in diesem Organ zwingend Außenstehenden vorbehalten wird: Fachleuten oder Vertretern von Banken oder sonstigen wichtigen Geschäftspartnern. Von diesen ist im Falle eines Gesellschafterstreits zu erwarten, dass sie ohne Emotionen im Sinne des Familienunternehmens entscheiden.

9. Verschwiegenheit, Wettbewerb

Die Pflicht der Gesellschafter zur Verschwiegenheit wird selten genau geregelt. Sinnvoll sind Klauseln, die sowohl den sachlichen und zeitlichen Umfang der Verschwiegenheitspflicht als auch die Ausnahmen ausdrücklich bestimmen und Sanktionen – von der Schadensersatzpflicht über Vertragsstrafen bis zur Ausschließung – festlegen.

Noch wichtiger sind genaue Regeln zum Verbot konkurrierender Tätigkeiten oder Beteiligungen, wobei der Gestaltungsfreiheit gesetzliche Grenzen gesetzt sind.

10. Schlichtung

Der Gesellschaftsvertrag kann ein Schlichtungsverfahren vorsehen, um eine einvernehmliche Lösung schon vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu finden. Als Schlichter kommen der ständige Beirat oder ad hoc von den Streitparteien benannte Dritte in Betracht.

11. Schiedsverfahren

Schließlich kann generell das Schiedsverfahren für streitige Auseinandersetzungen anstelle der Zivilgerichte vereinbart werden. Sein Vorteil ist vor allem, dass es die gerade in Familienangelegenheiten unerwünschte Öffentlichkeit vermeidet.

12. Besonderheit bei der Änderung bestehender Verträge

Eine besondere Herausforderung für die Gesellschafter und ihre Berater ist die Anpassung schon seit Langem geltender Gesellschaftsverträge eines Unternehmens mit großem Gesellschafterkreis. Hierbei stellt sich häufig heraus, dass unzeitgemäße Klauseln das Ergebnis mühsamer Kompromisse in der Vergangenheit sind, deren Änderung auf Widerstand der damals schon beteiligten Gesellschafter oder ihrer Nachfahren trifft. Hilfreich ist eine sorgfältige Begründung der Änderungsvorschläge möglichst weit im Vorfeld der Beschlussfassung.

Info

Über die Rufschädigung hinaus kann ein Streit für Gesellschafter und das Familienunternehmen existenzbedrohend werden. Bricht ein Streit einmal aus, eskaliert er oft schnell. Gesellschafter-Geschäftsführer stehen vor neuen juristischen Fragen, die erhebliche Fallstricke enthalten. Der „Hausjurist“ kann wegen eines Interessenkonflikts häufig keine Streitpartei vertreten. Die sorgfältige und genaue Fassung des Gesell-schaftsvertrags hilft, diese Streitigkeiten zu vermeiden oder beizulegen.

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