Artikel erschienen am 01.02.2014
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Streubesitzbeteiligungen

Handlungsbedarf für Kapitalgesellschaften

Von Jan Maertins, Hamburg

Hält eine Kapitalgesellschaft weniger als 10 % der Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft (Streubesitzbeteiligung), unterliegen Dividenden nach dem 28.02.2013 grundsätzlich der vollen Besteuerung mit Körperschaftsteuer. Zuvor galt hier eine Steuerfreistellung zu 95 %. Gewinne aus der Veräußerung solcher Anteile sind derzeit zwar noch zu 95 % steuerfrei, allerdings droht auch hier eine Verschlechterung. Grund genug für Kapitalgesellschaften zu prüfen, ob sie Streubesitzbeteiligungen halten und wie sie ihre steuerliche Situation verbessern können.

Der Ursprung der Sonderregelung für Streubesitzbeteiligungen findet sich in Luxemburg. Dort erkannte der Europäische Gerichtshof (Urt. v. 20.10.2011, Az. C-284/09) einen Verstoß gegen die EU-rechtlichen Vorgaben. Eine deutsche Kapitalgesellschaft, die zu weniger als 10 % an einer anderen inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, war bislang zu 95 % von der Besteuerung mit Körperschaftsteuer ausgenommen. Eine Kapitalgesellschaft im EU-Ausland mit einer solchen Streubesitzbeteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft wurde hingegen in Deutschland der Besteuerung unterworfen. Der deutsche Gesetzgeber hatte zweierlei Möglichkeiten, auf dieses Urteil zu reagieren: entweder eine uneingeschränkte Steuerfreistellung oder eine uneingeschränkte Besteuerung der Dividenden, unerheblich, ob die Beteiligung von einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft gehalten wird. Bekanntermaßen entschied sich der Gesetzgeber – unbeeindruckt von den vielerorts vorgebrachten dogmatischen Einwänden wegen eines Bruchs im System der Dividendenbesteuerung – für die volle Besteuerung der von Kapitalgesellschaften nach dem 28.02.2013 bezogenen Dividende, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft weniger als 10 % beträgt.

Maßgeblich für die Anwendung dieser Streubesitzregelung ist der Beteiligungsumfang zu Beginn des Kalenderjahres. Allerdings gilt der unterjährige Kauf einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Jahresbeginn getätigt. Dies kann dazu genutzt werden, im gesamten Kalenderjahr 2014 das Vorliegen von voll steuerpflichtigen Streubesitzdividenden zu vermeiden.

Kapitalgesellschaften sollten deshalb prüfen, ob sie im Fall von Streubesitzbeteiligungen in 2014 eine Beteiligung von mindestens 10 % hinzukaufen. Nach der überwiegend in der Fachliteratur vertretenen Auffassung müssten in 2014 ausgeschüttete Dividenden auf die insgesamt gehaltenen Anteile zu 95 % körperschaftsteuerfrei sein. Laut den bisherigen Verlautbarungen der Finanzverwaltung besteht zwar die Tendenz, im Jahr des Zukaufs zu differenzieren und die Streubesitzregelung weiterhin auf die Dividenden, soweit sie auf die Altanteile anfallen, anzuwenden. Dem kann jedoch mit guten Argumenten, nicht zuletzt mit Verweis auf den Wortlaut der Regelung, entgegengetreten werden.

Wird nur ein Hinzuerwerb von weniger als 10 % erwogen, durch den die Beteiligungsgrenze von 10 % erstmals überschritten wird, dürfte die Anwendung der Streubesitzregelung in 2014 nicht zu vermeiden sein. Ist jedoch mit einer Gewinnausschüttung erst ab 2015 zu rechnen, lohnt auch dieser Hinzuerwerb, da zumindest ab dem Folgejahr keine Streubesitzbeteiligung mehr gegeben ist und somit auch die 95 %ige Steuerfreistellung zum Zuge kommt.

Besondere Relevanz dürfte die Streubesitzregelung in Konzernstrukturen haben. Denn es ist durchaus üblich, dass mehrere Tochterkapitalgesellschaften kleinere Anteilspakete an derselben Kapitalgesellschaft halten, etwa weil mit dieser intensive Geschäftskontakte gepflegt werden. Ist z. B. die Tochtergesellschaft A zu 5 % und die Tochtergesellschaft B zu 6 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, käme ein Verkauf der Anteile von A an B oder umgekehrt in Betracht, sodass eine Beteiligung von mindestens 10 % in der Hand einer der Tochtergesellschaften gebündelt wird. Dadurch lässt sich zumindest das Vorliegen von voll steuerpflichtigen Streubesitzdividenden ab 2015 vermeiden. Soll darüber hinaus die Steuerbefreiung von in 2014 zufließenden Dividenden sichergestellt werden, könnte die Veräußerung der Anteile an eine gemeinsam gehaltene Kapitalgesellschaft (NewCo) geprüft werden. Entsprechend kann auch ein Bündeln von Streubesitzbeteiligungen im Konzern angezeigt sein, wenn z. B. die Tochtergesellschaft 5 % und die Enkelgesellschaft 7 % an einer anderen Kapitalgesellschaft hält. Auch hier sollte entweder die Veräußerung der Anteile von der Tochter- an die Enkelgesellschaft oder umgekehrt erwogen werden, wobei dadurch wiederum erst ab 2015 die Anwendung der Streubesitzregelung vermieden werden kann. Denkbar wäre auch eine Verschmelzung der Tochter- und der Enkelgesellschaft, sofern dieser Gestaltung nicht andere wirtschaftliche oder steuerliche Aspekte entgegenstehen.

Werden zur Vermeidung von Streubesitzbeteiligungen Anteile veräußert, löst die Veräußerung nach aktueller Rechtslage die Besteuerung von 5 % des Gewinns aus. Diese somit 95 %ige Steuerfreistellung der Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen könnte allerdings in Zukunft ins Wanken geraten, denn die neue Regierung auf Bundesebene hat sich laut Koalitionsvertrag die ergebnisoffene Überprüfung dieser Steuerbegünstigung in ihr Pflichtenheft geschrieben. Zwar handelt es sich bei dieser Steuerfreistellung nicht um ein Steuergeschenk, sondern um eine systemimmanente Begünstigung für Kapitalgesellschaften, um eine Überbesteuerung der erwirtschafteten und ausgeschütteten Gewinne zu verhindern. Der Gesetzgeber hat aber bereits mit Einführung der Besteuerung von Streubesitzdividenden gezeigt, dass er aus fiskalischen Gründen auch vor Systembrüchen nicht haltmacht.

Für Kapitalgesellschaften lässt sich daraus letztlich nur schlussfolgern, dass sie möglichst zeitnah ihre Beteiligungsstrukturen überprüfen und durch geeignete Maßnahmen das Vorliegen von Streubesitzbeteiligungen vermeiden sollten.

Fotos: panthermedia/Lars Tuchel

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