Artikel erschienen am 30.10.2014
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Was wäre der Gewinn, wenn Sie das Belastende loslassen könnten?

Ein Kernthema der Verwaltungs- und Wirtschaftsmediation

Von Dr. iur. Michael Moeskes, Magdeburg

„Mein Mann hatte nach der Wende ein kleines Unternehmen aufgebaut. Er ist dann gestorben. Meine 4 Kinder haben sich nie einigen können und haben einander vorgeworfen, wer von welchem Elternteil am meisten in der Kindheit bevorzugt worden ist. Mein Mann hatte kein Testament gemacht. Ich konnte den Betrieb nicht führen. Da kein Testament gemacht wurde und kein Testamentsvollstrecker eingesetzt war, mussten wir den ganzen Betrieb zwangsversteigern. Wir erlitten einen erheblichen Schaden. Alles, was mein Mann und ich aufgebaut hatten, war fast weg. Ich musste mit 62 Jahren Privatinsolvenz anmelden. Die ganzen Prozesskosten und Erbstreitigkeiten haben das Vermögen unserer Familie aufgefressen. Am Ende konnten wir die Prozesskosten nicht einmal mehr aus der Versteigerung bezahlen.“

Selbstverständlich hatten alle einen Anwalt und man suchte natürlich sein Recht vor Gericht – und fand es nicht. 5 Jahre lang. Alle Beziehungen sind seitdem zerrüttet. Die Finanzen sind erschöpft. Auf die Frage, ob sie schon einmal von einer außergerichtlichen Streitbeilegung oder einer Mediation gehört hätten, lautete ihre Antwort: „Was ist das?“

Gerichtliche Auseinandersetzungen sind manchmal notwendig. Meistens sollte man sie jedoch vermeiden. Gerichtliche Verfahren kosten Geld, Zeit und – häufig auch – Nerven.

So jedoch schaffen gerichtliche Verfahren – schon wegen der Zeitdauer – oft keine Planungssicherheit. Häufig ist der Ausgang ungewiss und hängt von vielen Unwägbarkeiten und Zufällen ab. Für Unternehmen und Verwaltungen ist daher ein Prozess sehr häufig leider nicht die bestmögliche Alternative.

Es gibt bessere Alternativen:

Alternative Streitbeilegung ist häufig nicht nur besser, sondern auch preiswerter als gerichtliche Verfahren. Selbst eine außergerichtliche Streitbeilegung nach Beginn eines Prozesses ist spät, aber nicht zu spät.

Sehr weit verbreitet sind Wirtschaftsmediation und Verwaltungsmediation. Dies betrifft z. B. Fragen der Nachfolgeplanung im Unternehmen genauso wie innerbetriebliche Konflikte oder Konflikte mit der Gemeinde oder der Gewerbeaufsicht bei Industriestandorten oder der Einhaltung bestimmter öffentlich-rechtlicher Standards.

Die Mediation ist ein gegliedertes Verfahren, das aus folgenden Schritten besteht:

  • Vorbereitung und Mediationsvertrag: Was möchten Sie mit der Mediation erreichen? Wie läuft eine Mediation ab und was ist zu beachten?
  • Informations- und Themensammlung: Worum geht es genau? Welche Themen möchten Sie besprechen?
  • Interessenklärung: Warum sind diese Themen so wichtig? Worum geht es bei dem Streit wirklich?
  • Kreative Lösungssuche: Was wäre für Sie alles denkbar? Wie könnten Sie sich eine Lösung konkret vorstellen?
  • Bewertung und Auswahl von Optionen: Was ist von den Vorschlägen machbar? Wie könnten wir es angehen? Was passiert, wenn Sie sich nicht einigen?
  • Vereinbarung eines Lösungspaktes.

In der Praxis erlebt man immer wieder ganz typische Fälle:

Ein Betreiber hatte Windenergieanlagen errichtet, die z. T. zu wenig Strom abwarfen. Ein anderer Windenergieanlagenbetreiber hat im selben Gebiet ebenfalls Windenergieanlagen errichtet, die an anderer Stelle ebenfalls zu wenig Strom abwarfen. Beide waren Konkurrenten. Die Grundstücksflächen waren begrenzt.

Durch geschickten Flächentausch und gewisse Veränderungen in der Zuordnung der Standorte zum jeweiligen Betreiber haben sich gute wirtschaftliche Lösungen für alle entwickelt. Die Verwaltung war miteinbezogen. Durch geringfügige Veränderungen in den Genehmigungen konnten die Standorte besser ausgenutzt werden, ohne dass Nachbarn hierdurch belästigt wurden. Schadensersatzforderungen an den anderen Betreiber, Landeigentümer oder die öffentliche Hand, die schon teilweise angekündigt waren, konnten nicht mehr erhoben werden. Der Konflikt war deeskaliert und wirtschaftlich vernünftig innerhalb von 9 Wochen gelöst.

Ein öffentlicher Verkehrsweg wird durch eine gemeindeeigene Straße gekreuzt. Die Beteiligten hatten im Jahr vorher eine Vereinbarung abgeschlossen, die wegen einer Rechtsänderung nicht mehr umsetzbar war. Einige Rechtsfragen waren völlig offen, die rein juristisch betrachtet so oder glatt gegenteilig hätten entschieden werden können. Ein reines Glücksspiel. Man beschließt ein Mediationsverfahren, in welchem der Kompromiss gefunden wird, dass alles, was der Verbindung der Gemeindeteile dient, von der Gemeinde getragen wird, alles andere durch den anderen Beteiligten. Man definiert damit die unmittelbaren Interessen der Gemeinde. Alles, was nicht darunterfällt, ist automatisch in der Interessenlage des anderen Beteiligten (Subtraktionsmethode). Diese Verteilung ergab sich aufgrund logischer Regeln, die so nicht im Gesetz standen, jedoch zweckmäßig und für jeden „einfach einleuchtend“ waren.

Das Bestechende an der Mediation ist, dass Lösungen gefunden werden können, wo man das Gefühl hat, „dafür hätten wir doch gar keine Juristen gebraucht“. Genau das ist es!

Denn der allparteiliche Mediator soll die Parteien nur dazu befähigen, Lösungen selbst zu finden, d. h., er vermittelt diese, stellt Schnittstellen und Vernetzungen her, paraphrasiert die Interessen und Wünsche und versucht, auf einer kommunikativen und begrifflichen Ebene Brücken zu dem anderen Beteiligten herzustellen.

Die Juristen braucht man in der Mediation, um die kreative Lösungssuche mit einem rechtsförmlichen Abschluss zu krönen. Dies ist eine Kunst für sich, denn es geht darum, diese Ansätze in eine nötigenfalls wiederum gerichtlich durchsetzbare vertragliche Konstruktion zurückzuübersetzen. Man könnte daher Mediation auch als „pragmatische Auffächerung“ bezeichnen. Varianten herauszuarbeiten, ist wiederum ein Charakteristikum der rechtsanwaltlichen Tätigkeit. Der Rechtsanwalt als Mediator wird jetzt als Kommunikator aktiv, indem er sich zurücknimmt und den Ball in das Spielfeld der Parteien gibt. Er spielt den Ball gelegentlich nicht nur vom Spielfeldrand weiter, sondern auch auf dem Spielfeld, ist kein Beteiligter, bleibt allparteilich und wirkt mit, den Spielfluss in Gang zu halten. Er schießt kein Tor. Es ist daher auch in einem Mediationsverfahren absolut anzuraten, sich auch dort neben dem Mediator professioneller rechtsanwaltlicher Unterstützung zu bedienen. Denn der Mediator ist allparteilich und kein besonderer Interessenvertreter. Der Mediator kommuniziert, vermittelt zwischen den Inte-ressen, paraphrasiert diese und schafft Schnittstellen, an die jeder Beteiligte anknüpfen kann. Der Beteiligte spielt den Ball, den der Mediator sprichwörtlich hineinwirft. Das Coaching übernimmt der Anwalt.

Der finanzielle Vorteil für die Beteiligten besteht darin, dass sehr schnell Lösungen gefunden werden (können). Es ist ein unglaublicher Erfolg und stärkt die Rechtssicherheit für das Unternehmen, wenn etwa innerhalb von 3 bis 4 Wochen bei einer erfolgreichen Mediation eine vollständige Konfliktbereinigung erfolgte und ein gerichtliches Verfahren nicht mehr stattfinden muss! Langfristig können hierdurch sogar Beziehungen stabilisiert und verbessert werden. Das geht übrigens auch im Vergaberecht, wenn sich Erst- und Zweitplazierter (dieser als einziger Kläger) untereinander unter Einbeziehung des Auftraggebers einigen. Wir haben solche Einigungen bereits in Vergabesenaten bei OLGen erlebt, etwa bei Softwareentwicklungen.

Die Mediation ist durch die Offenheit der Fragestellungen gekennzeichnet, bei der Interessenklärung etwa:

  • Was ist Ihnen bei diesem Thema besonders wichtig?
  • Was verbinden Sie mit diesem Zweck?
  • Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
  • Welche Zielsetzung verfolgen Sie bei diesem Thema?
  • Welches Anliegen haben Sie bei diesem Thema?
  • Was ist Ihnen darüber hinaus noch wichtig?
  • Was steht hinter Ihrer Forderung?
  • Worum geht es Ihnen hierbei ganz genau?

Egal ob im Erbrecht oder bei wirtschaftlichen Auseinandersetzungen, in der Nachfolge­planung, dem Umgang mit Behörden, der Vergabe öffentlicher Aufträge – die außergerichtliche Streitbelegung wird immer wichtiger. Wirtschafts- und Verwaltungsmediation spart sehr häufig Zeit und Geld.

Was ist Ihnen wichtig?

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