Artikel erschienen am 24.10.2014
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Auswirkungen der Niedrigzinspolitik auf Unternehmen und Privatpersonen

Von Dr. rer. pol. Jürgen Fox, Halle (Saale

In einer Marktwirtschaft ergibt sich der Marktzins aus dem Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Hierbei fließen dann verschiedene Faktoren wie die jeweilige Menge auf Angebots- und Nachfrageseite, das Inflationsniveau, die Erwartungen der zukünftigen Wirtschafts- und Zinsentwicklungen sowie Risikoprämien in die Preisbildung ein. Im Ergebnis wird ein Zins gebildet, der bei ungestörtem Funktionieren der Kapitalmärkte und rationalen Akteuren auf alle Fälle oberhalb der Inflationsrate liegt. So besagt es auf alle Fälle die Theorie. Die Praxis sieht hingegen seit einiger Zeit anders aus.

Entwicklung der Zinssätze der EZB seit 1999

In Abbildung 1 ist dargestellt, wie die Europäische Zentralbank (EZB) im Gefolge der Finanzkrise die Zinsen drastisch gesenkt hat.

Abbildung 1: Entwicklung der EZB-Zinssätze seit 1999, Quelle: EZB

Anleger und Sparer spüren die Folgen dieser Zinsentwicklung unmittelbar, denn die Zinsen, die sie auf ihre Einlagen bekommen, sind auf historischen Tiefstpunkten angelangt. Die Rendite einer Bundesanleihe mit 10 Jahren Laufzeit hatte ihren (bisherigen) Tiefstpunkt am 28.08.2014 mit einem Wert von 0,87 % (Quelle: Bloomberg). Die aktuellen Marktzinssätze für Spareinlagen liegen seit einiger Zeit unter der Inflationsrate. Für die Sparer und Anleger bedeutet das, dass die Zinsen auf ihr Erspartes nicht ausreichen, um den inflationsbedingten Wertverlust auszugleichen. Auslöser dieser Zinsentwicklung sind die Aktivitäten der EZB, die durch ihre expansive Geldpolitik die Märkte mit Finanzmitteln überflutet und alles in ihrer Kraft Stehende unternimmt, die Zinsen so gering wie möglich zu halten. Im Fokus dieser Aktivitäten steht das Bemühen, auch in den durch die anhaltende Wirtschaftskrise geprägten europäischen Volkswirtschaften wie Griechenland oder Portugal die Finanzmärkte zu stützen und so möglichst das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Erfolge diese Maßnahmen sind leider nach wie vor begrenzt. Bei allen Schlagzeilen um die Krisen einzelner Volkswirtschaften gerät jedoch in den Hintergrund, dass die Politik der EZB in anderen Volkswirtschaften auch massive Nachteile mit sich bringt.

Potenzielle Risiken der Niedrigstzinsen

Neben der Tatsache, dass die Märkte mit Geld überflutet werden und so eben die oben beschriebene marktübliche Bildung eines (Gleichgewichts-)Zinssatzes nicht ohne äußere Einflüsse erfolgt, sind verschiedene Gefahren zu benennen (vgl. Dauerhafte Niedrigzinsen und die Folgen, Informationen aus der Sparkassen-Finanzgruppe 2014 /03, S. 2):

  • Niedrige Zinsen verleiten zu Investitionen, die sich nur vor dem Hintergrund des aktuell sehr niedrigen Zinsniveaus rechnen. Das wiederum birgt die Gefahr von Preisblasen in einzelnen Marktsegmenten in sich. Eine solche Preisblase bei den US-Immobilien war einer der Auslöser der Finanzkrise in 2007/2008. Die Geldpolitik sollte die Wiederholung solcher Entwicklungen nicht befördern, sondern vielmehr zu vermeiden versuchen.
  • Je länger die Niedrigzinsphase andauert, desto größer ist die Gefahr, dass die Wirtschaft im Teufelskreis aus niedrigen Zinsen und Preisblasen bei Vermögenswerten stecken bleibt. Die Gefahr besteht, dass Schuldner keine höheren vom Markt verlangten und gegebenenfalls auch eine höhere Inflationsrate reflektierenden Zinsen zahlen können oder aber potenzielle Käufer den Vermögenswerten viel niedrigere Werte beimessen, weil sie höhere Zinsen und Renditeerwartungen zugrunde legen.
  • Das kapitalgedeckte System der Altersvorsorge wird ebenso wie der Vermögensaufbau durch die negative Realverzinsung auf den Kopf gestellt – statt eines Wertzuwachses müssen die Sparer real einen Wertverlust in Kauf nehmen. Parallel hierzu erfolgt eine Entwertung bereits bestehender Geldvermögen. Wenn aber das umlagefinanzierte Rentensystem angesichts der demografischen Entwicklung durch die kapitalgedeckte Altersvorsorge zumindest ergänzt werden sollte, bleibt die Entwicklung nicht ohne weitreichende negative Folgen.
  • Zudem besteht die Gefahr, dass Anleger mit ihren Anlagen in Anlageformen ausweichen, die für sie womöglich nicht die Richtigen sind oder die wiederum infolge des Zuspruchs vieler neuer Investoren durch Preisblasen gekennzeichnet sind.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Durch die aktuelle Zins- und Geldpolitik greift die EZB massiv in das Geschehen an den Finanzmärkten ein und setzt etliche wichtige Mechanismen weitestgehend außer Kraft. Die Erfolge dieser Aktivitäten, gemessen an der wirtschaftlichen Entwicklung im Euro-Raum sowie auch darüber hinaus, bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es stellt sich die Frage, ob die – nur beispielhaft – aufgezeigten Nachteile nicht überwiegen und perspektivisch die EZB-Geldpolitik wieder einer anderen Agenda folgen sollte.

Für die Unternehmen und Privatpersonen gilt es, in dieser Situation unüberlegte Entscheidungen zu vermeiden:

  • Dazu gehört beispielsweise, nicht nur deswegen, weil das aktuelle Zinsniveau quasi eine reale Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern darstellt, die Flucht in die Aufnahme von Schulden anzutreten. Bei der Kreditaufnahme sollte man sich nicht von den aktuellen Zinssätzen blenden lassen, sondern bei der Investition sicherheitshalber auch berechnen, ob sich diese auch bei deutlich höheren, den langfristigen Mittelwerten entsprechenden Zinssätzen noch als tragfähig erweist. Zu erwägen ist, bei Finanzierungen möglichst lange Zinsbindungen einzugehen. Für Unternehmen könnte es sinnvoll sein, Finanzierungen ggf. um Cap-Vereinbarungen (Vereinbarungen, bei denen der Zins innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine Maximalhöhe nicht überschreitet) zu ergänzen. Bei Privatpersonen kann sich die Einbeziehung eines Bausparvertrages (dieser schließt die Möglichkeit ein, einen Kredit zu fest stehenden Zinssätzen zu bekommen) als geeignetes Instrument erweisen.
  • Allen Verlockungen, dass hohe Renditen quasi risikolos erwirtschaftet werden können, sollte man mit gebotener Skepsis begegnen. Insbesondere das Einbeziehen von zukünftigen Wertsteigerungen der Investitionsobjekte in die Berechnungen ist hier kritisch zu sehen – Preise bewegen sich eben nicht nur in eine Richtung, sondern können auch fallen. Diese Möglichkeit ist sinnvollerweise in die Entscheidung über Investitionen einzubeziehen.
  • Generell gilt es, unter Berücksichtigung der eigenen Einkommens- und Vermögenssituation sowie der Risikoneigung und -tragfähigkeit Entscheidungen über Kreditaufnahmen sowie Anlagen/Investitionen zu treffen. Die Devise, dass man „nicht alle Eier in einen Korb legen“ soll, also über mehrere Anlage- und Finanzierungsformen streuen sollte, ist hierbei unverändert eine wertvolle Maxime. Schließlich gilt noch der Rat, solcherlei Entscheidungen nicht „über das Knie zu brechen“, sondern sie vielmehr im Rahmen eines systematischen und strukturierten Entscheidungsprozesses zu fällen.

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