Bei Vergaben aufgepasst!
Das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe enthält viele Tücken – und Chancen.
Von Dr. iur. Michael Moeskes, Magdeburg
Auch dann, wenn sich ein Unternehmen gar nicht bei öffentlichen Aufträgen bewerben möchte, kommt es häufig vor, dass das Unternehmen – zum Teil ohne es zu wissen – selbst das Vergaberecht anzuwenden hat. Dies ist namentlich der Fall, wenn Fördermittel an das Unternehmen ausgereicht werden. Hier ist ohnehin besondere Vorsicht angezeigt. Die meisten Fördermittelbescheide enthalten Nebenbestimmungen, die ausdrücklich zur Beachtung vergaberechtlicher Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe verpflichten. Durch dieses „Kleingedruckte“ werden die Vorschriften der öffentlichen Auftragsvergabe Teil des Förderbescheides. Fehler können sich hier existenziell auswirken, da diese dann grundsätzlich zum Widerruf bzw. Rücknahme eines Förderbescheides berechtigen können.
Eine Person kann also Nutzer des Vergaberechts sein oder als Nutzer von Förderinstrumenten zugleich „Geschädigter“.
Egal also, in welcher Rolle das Unternehmen ist, es lohnt in jedem Fall ein Blick in einige Weichenstellungen (ohne Details): Das Vergaberecht hat europarechtlichen Ursprung, sodass bei der Auslegung und Anwendung der nationalen vergaberechtlichen Vorschriften Deutschlands immer das Europarecht, dass diesem vorausgeht, parallel in den Blick zu nehmen ist. Das verkompliziert die Situation für jedes Unternehmen. Eines ist sicher: Wenn definierte Schwellenwerte erreicht werden, ist das Vergaberecht unmittelbar anwendbar. Diese Schwellenwerte verändern sich und werden tendenziell ständig geringer.
Beispiel
Bereits bei einem Dienstleistungsauftrag in Höhe von grundsätzlich193 000 Euro gilt europäisches Vergaberecht.
Oder anders: Vergibt ein Unternehmen einen Auftrag und setzt dabei Fördermittel ein, gilt nationales und europäisches Vergaberecht.
Gewisse Vereinfachungen gibt es temporär im Rahmen des Konjunktur-Pakets II bis zu bestimmten Werten, die in der Regel höher als die genannten Schwellenwerte sind. Dies wird auf Dauer aber nicht bleiben. Auftragsvergaben aus Mitteln des Konjunktur-Pakets II sind also etwa für Unternehmen, welche Fördermittel durch die öffentliche Hand erhalten und welche durch das „Kleingedruckte“ im Zuwendungsbescheid verpflichtet werden, von Interesse.
Falls sich ein Unternehmen gegen den beabsichtigten Zuschlag zugunsten eines Konkurrenten wenden will, kann es sich grundsätzlich an die Vergabekammer wenden (Primärkontrolle). In diesem Verfahren herrscht kein Anwaltszwang. Die öffentliche Hand ist verpflichtet, vor Erteilung des Zuschlages die unterliegenden Bewerber über die Entscheidung zu informieren, dass der Konkurrent den Zuschlag bekommen soll. Erfolgt dies nicht, ist ein Vertrag mit dem Konkurrenten nichtig. Rechtsmittel sind möglich. Für Rechtsmittel sind die Oberlandesgerichte (Vergabesenat) zuständig. Dort herrscht Anwaltszwang.
Es empfiehlt sich, sofort nach Erhalt während des laufenden Vergabeverfahrens Ausschreibungstext und Leistungsverzeichnis sehr kritisch durchzusehen. Denn das Unternehmen muss innerhalb sehr kurzer Fristen mögliche Vergabeverstöße rügen. Erfolgt dies nicht, ist ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer oder dem Oberlandesgericht nicht mehr möglich.
Es kommt nicht selten vor, dass die Unternehmen bereits die formellen Voraussetzungen nicht erfüllen, indem insbesondere unvollständige Preisangaben gemacht werden. In einem solchen Fall ist die Bewerbung zwingend zurückzuweisen, ohne dass für den, der die Vergabe durchführt, noch ein Beurteilungsspielraum bestünde.
Derartige Vergabefehler sind grundsätzlich auch zu beachten, wenn im Fall der Ausreichung öffentlicher Fördermittel die Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen für das Unternehmen, welches Ausschreibungen durchführt, einzuhalten ist.
Fazit
Das Vergaberecht richtig angewandt und genutzt, kann immense Vorteile für ein Unternehmen bringen. Werden diese Vorteile nicht genutzt, entstehen für die Wettbewerbssituation des Unternehmens gravierende Nachteile. Gerade mit der Ausreichung von Fördermitteln können die Folgen existenziell dramatisch sein.
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