Artikel erschienen am 30.10.2019
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Rechtliche Fallstricke für Versicherungsvermittler in der digitalen Kundenansprache

Von Anne Fischer, Düsseldorf | Dr. Jan Schröder, Düsseldorf

Versicherungsvermittler verfolgen bei der Kundenansprache heute meistens einen „Multichannel-Ansatz“. Bei Nutzung der unterschiedlichen Kanäle sind dabei die jeweils geltenden rechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. In Bezug auf die immer wichtiger werdende Ansprache von Kunden über digitale Kanäle stellen die Vorgaben aus der Umsetzung der Europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie („IDD“) eine große Herausforderung dar.

Statusinformationen beim ersten Geschäftskontakt

Der Versicherungsvermittler ist verpflichtet, dem Versicherungsnehmer beim ersten Geschäftskontakt bestimmte Angaben zu seinem Status (Makler, Vertreter, Art der Beratung etc.) mitzuteilen. Die Versicherungsvermittlerverordnung sieht vor, dass diese Infor­mationen grundsätzlich in Papierform mitzuteilen sind. Wenn dies dem Geschäft angemessen ist, können sie allerdings auch über einen anderen dauerhaften Datenträger oder ggf. über eine Website mitgeteilt werden. Die Einhaltung dieser Vorschriften kann selbst dann erforderlich sein, wenn lediglich Informationen über eine Website oder einen sonstigen digitalen Kommunikationskanal zur Verfügung gestellt werden, der Abschluss des Versicherungsvertrags aber offline erfolgt.

Zeitpunkt der Mitteilung ungeklärt

Der erste Geschäftskontakt mit einem Versicherungsnehmer liegt grundsätzlich vor, wenn zwischen Versicherungsnehmer und -vermittler ein telefonisches oder persönliches Gespräch über den Abschluss oder die Änderung von konkreten Versicherungsverträgen gemäß den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers stattfindet. Nicht ausreichend sind hingegen bloße Terminabsprachen oder private Unterhaltungen.

Für die potenzielle Kontaktaufnahme über Websites wird in der juristischen Literatur gleichwohl teilweise angenommen, dass hier der erste Geschäftskontakt bereits mit dem Besuch der Website stattfindet. Folglich müssten die statusbezogenen Informationen dann in einer Weise in die Website integriert werden, dass sie dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden, bevor er sich die Inhalte der Website ansehen kann. Sofern die Website des Versicherungsvermittlers nicht nur die Kontaktdaten des Vermittlers enthält, sondern bspw. auch Informationen zu einzelnen Versicherungs­produkten, ist es nach dieser Auffassung nicht ausreichend, wenn die statusbezogenen Informationen nur in das Impressum der Website integriert sind.

Vielfach wird allerdings für Websites und andere digitale Kommunikationsformen ein erster Geschäftskontakt – wie bei der persönlichen Ansprache – erst angenommen, wenn sich der Versicherungsnehmer für konkrete Produkte interessiert bzw. der Versicherungsvermittler konkrete Produkte bewirbt, da damit die Schwelle von der allgemeinen Informationsbeschaffung oder Termin­absprache zu einer bedürfnisgerechten Ansprache überschritten ist.

Rechtlich auf der ganz sicheren Seite ist der Versicherungsvermittler, wenn er seine Website so ausgestaltet, dass die Inhalte erst freigeschaltet werden, nachdem dem Versicherungsnehmer die statusbezogenen Informationen mitgeteilt wurden. Allerdings sprechen auch gute Argumente dafür, dass die Mitteilung erst erfolgen muss, sobald sich die Suche bzw. Ansprache des Versicherungsnehmers auf ein bestimmtes Produkt bezieht. Doch bleibt dann mangels entsprechender Gerichts­urteile eine rechtliche Unsicherheit.

Aktives Mitteilen, nicht bloßes Zurverfügungstellen

Unabhängig davon, wann die Informationen zu erteilen sind, hat das Landgericht München in seinem Check24-Urteil hervorgehoben, dass ein bloßes Zurverfügungstellen der Informationen nicht ausreicht, sondern eine Mitteilung an den Versicherungsnehmer zu erfolgen hat. Folglich reicht es weder aus, die Informationen in das Impressum zu integrieren, noch sie anderweitig auf der Website zu verlinken. Die Statusinformationen müssen für den Versicherungsnehmer vielmehr „auf den ersten Blick“ sichtbar sein.

Form der Mitteilung

Wie bereits erwähnt, sieht die Versicherungsvermittlerverordnung für die Mitteilung der statusbezogenen Informationen neben der Papierform ausdrücklich auch die Mitteilung auf einem anderen dauerhaften Datenträger vor, wenn dies im Rahmen des getätigten Geschäfts angemessen ist. Als solche dauerhafte Datenträger kommen in der vertrieblichen Praxis insbesondere E-Mails in Betracht. Eine Mitteilung über eine Website bedarf hingegen entweder eines personalisierten Zugangs oder der Zustimmung des Versicherungsnehmers. Im zweiten Fall müssen dem Versicherungsnehmer zusätzlich die Web-Adresse und ein Link zu den Statusinformationen elektronisch mitgeteilt werden. Zudem muss die Information für einen angemessenen Zeitraum auf der Website abrufbar sein.

Bestehende Kunden

Die Mitteilung der Statusinformationen kann auch bei bestehenden Kunden erforderlich sein. Allerdings muss der Versicherungsvermittler die statusbezogenen Informationen bei der digitalen Ansprache per E-Mails oder über Messenger-Dienste, bspw. bezüglich neuer Produkte, nur dann erneut formgerecht mitteilen, wenn sich die Informationen seit dem ersten Geschäftskontakt geändert haben. Dies ist nicht nur dann angezeigt, wenn sich bspw. die Anschrift des Vermittlers geändert hat, sondern kann insbesondere auch erforderlich sein, wenn der Versicherungsvermittler bezüglich des spezifischen Produkts – wie nach der IDD nunmehr möglich – keine Beratung anbietet oder sich die Art der Vergütung, die er für die Vermittlung erhält, geändert hat.

Beratungs- und Dokumentationspflichten bei der digitalen Vermittlung von Versicherungsprodukten

Im Hinblick auf die Beratungs- und Dokumentationspflichten der Versicherungs­-vermittler gibt es kaum gesetzliche Erleichterungen für den Vertrieb über digitale Vertriebskanäle. Lediglich die Erklärung des Verzichts auf Beratung und Dokumentation durch den Versicherungsnehmer muss bei einem Fernabsatzvertrag nicht in Schriftform erfolgen. Hier reicht Textform, also E-Mails, aus. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass diese Ausnahme nicht mehr greift, wenn der Versicherungsvertrag nicht ausschließlich im Fernabsatz vermittelt wird.

Anlassbezogene Beratung auch im digitalen Vertrieb

Auch bei digitalen Antragsstrecken, also Online-Anträgen über eine Website oder einen anderen digitalen Vertriebskanal, muss eine anlassbezogene Beratung erfolgen. Bei der Ausgestaltung der Antragsstrecke sollten jedenfalls die folgenden generellen Aspekte berücksichtigt werden, wobei auch die Komplexität des zu vermittelnden Versicherungsprodukts eine wesentliche Rolle spielt:

  • Eine Antragsstrecke, bei der lediglich die Option besteht, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, ist ohne Beratungsverzicht des Versicherungsnehmers nicht ausreichend.
  • Das Beratungstool sollte so ausgestaltet sein, dass es Informationen, die Anlässe zur Beratung geben, passend für das jeweilige Produkt bspw. im Rahmen einer Bedarfsanalyse abfragt.
  • Im Rahmen der Antragsstrecke muss allerdings nicht geprüft werden, ob Vo­raussetzungen vorliegen, die eine spezifische Befragung oder Beratung des Versicherungsnehmers erforderlich machen.

Aufgrund der Komplexität bestimmter Produkte ist zu überlegen, ob sich bestimmte digitale Kanäle für manche Produkte besonders oder auch gar nicht eignen. So dürfte der Vertriebserfolg, wenn private Krankenversicherungen unter ausschließlicher Nutzung eines Drop-down-Menüs angeboten werden, geringer sein als in Fällen, in denen der Abschluss per Video-Chat unterstützt wird. Denn ein Drop-down-Menü, das allen rechtlichen Anforderungen gerecht wird, dürfte für die allermeisten Kunden zu komplex sein. Ob die konkrete Antragsstrecke tatsächlich den gesetzlichen Vorgaben entspricht, bedarf dabei jeweils einer genauen rechtlichen Analyse im Einzelfall.

Fazit

Die rechtlichen Anforderungen an die digitale Vermittlung von Versicherungsprodukten bedürfen in einigen Punkten noch der weiteren Klärung durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung. Vor diesem Hintergrund ist ein rechtskonformer Digitalauftritt nicht immer einfach. Datenschutz- und wettbewerbsrechtliche Vorgaben erhöhen zusätzlich die rechtliche Komplexität.

Bild: Fotolia/Photobank

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