Artikel erschienen am 25.01.2019
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Das Betriebsrentenstärkungsgesetz

Unsere Bilanz nach einem Jahr: Was hat sich geändert, was wird sich noch verändern?

Von Sebastian Schmeling, Braunschweig | Alexander Ahrens, Braunschweig | Carolin Behrla, Braunschweig

Zur Stärkung der Betriebsrenten ist zum 01.01.2018 das „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ (kurz: BRSG) in Kraft getreten. Es zielt darauf ab, die betriebliche Altersversorgung insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen weiter zu verbreiten. Unsere Spezialisten der betrieblichen Altersversorgung, Alexander Ahrens und Sebastian Schmeling, erzählen aus der Praxis: Was hat sich alles geändert? Welche Änderungen kommen auf die Unternehmen noch zu?

Das BRSG soll die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung, kurz bAV, fördern. Wie soll das geschehen?

Schmeling: Neben neuen Anreizen für Arbeitgeber mit geringverdienenden Mitarbeitern, also für Arbeitnehmer mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen, hat der Gesetzgeber mit dem BRSG die steuerliche Förderung grundsätzlich erhöht. Bisher konnte ein Arbeitnehmer jährlich bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung steuer- und sozialversicherungsfrei in eine Betriebsrente einzahlen. Man spricht bei den 4 % auch von dem sogenannten „Förderrahmen“.

Ahrens: Mit Inkrafttreten des BRSG wurde der Förderrahmen für die steuerfreie Einzahlung von 4 auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze erweitert. Bis einschließlich 2017 konnten zusätzlich zu den 4 % bis zu 1 800 Euro jährlich steuerfrei in eine Betriebsrente eingebracht werden. Dieser steuerfreie Aufstockungsbetrag entfällt nun. Ab 2018 kann ein Arbeitnehmer somit bis zu 520 Euro monatlich steuerfrei einzahlen. Die Sozialversicherungsfreiheit der Beiträge ist weiterhin auf 260 Euro pro Monat begrenzt.
Schmeling: Zusätzlich ist der Arbeitgeber durch das BRSG verpflichtet, eventuelle Sozialversicherungsersparnisse an seine Arbeitnehmer weiterzugeben.

Was bedeutet die Weitergabe der Sozialversicherungsersparnis konkret?

Ahrens: Schließt ein Arbeitnehmer eine Betriebsrente durch Entgeltumwandlung ab, so muss der Arbeitgeber einen pauschalen Zuschuss in Höhe von 15 % des Umwandlungsbetrages leisten, sofern er durch die Gehaltsumwandlung des Arbeitnehmers Sozialversicherungsbeiträge spart. Dies gilt für neue Entgeltumwandlungsvereinbarungen ab dem 01.01.2019 und für bestehende Vereinbarungen ab 2022.

Herr Schmeling, Sie sprachen von neuen Anreizen für Arbeitgeber mit geringverdienenden Mitarbeitern. Wie sieht dieser aus?

Schmeling: Seit Beginn dieses Jahres kann ein Arbeitgeber eine staatliche Förderung erhalten, wenn er für seine geringverdienenden Arbeitnehmer einen Zuschuss zur betrieblichen Altersversorgung zahlt. Als geringverdienend in diesem Sinne gilt ein Arbeitnehmer, der im jeweiligen Monat, unabhängig von der vereinbarten Arbeitszeit, ein monatliches Bruttoeinkommen bis zu 2 200 Euro erhält. Voraussetzung für die staatliche Förderung ist, dass der Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung für seinen Arbeitnehmer neu einrichtet und mindestens 240 Euro im Jahr einzahlt.

Und wie gestaltet sich dieser Förderbetrag?

Schmeling: Der maximale Betrag, der staatlich gefördert wird, beträgt 144 Euro pro Jahr. Es soll den Unternehmen einen Anreiz bieten insbesondere dem genannten Personenkreis eine Betriebsrente anzubieten.

Was passiert mit einem bAV-Vertrag, wenn ich als Arbeitnehmer beispielsweise wegen Elternzeit oder einer längeren Krankheit ausfalle?

Ahrens: Fällt ein Arbeitnehmer längerfristig aus, wird der Vertrag durch den Arbeitgeber beitragsfrei gestellt. Während dieser Zeit hat der Arbeitnehmer dann die Möglichkeit in den Vertrag privat einzuzahlen. Oftmals werden aus finanziellen Gründen die Beiträge zur Altersversorgung in dieser Zeit jedoch nicht privat weitergezahlt.

Das heißt also, wenn ich langfristig ausfalle, reduziert sich meine Betriebsrente?

Ahrens: Vor Inkrafttreten des BRSG hätte ich diese Frage bejahen müssen. Mit dem BRSG erhalten die Arbeitnehmer nun eine Nachzahlungsoption. Ruht das Arbeitsverhältnis mindestens ein Jahr, wie beispielsweise in der Elternzeit, in der Pflegezeit für Angehörige oder auch während eines Sabbaticals, können Arbeitnehmer für jedes Jahr ohne Gehalt eine Nachzahlung in Höhe von 8 % der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze leisten. Dabei können sogar entgeltlose Dienstjahre vor dem 01.01.2018 einbezogen werden. Die Nachzahlungsoption ist jedoch auf maximal 10 Jahre begrenzt.

In den meisten Unternehmen müssen die Beschäftigten aktiv auf ihren Arbeitgeber zugehen, wenn sie sich für eine Betriebsrente interessieren. Hat sich daran durch das BRSG etwas geändert?

Schmeling: Genau, so ist es aktuell oftmals geregelt. Wer nicht selber aktiv wird, bekommt auch keine Betriebsrente. Das sogenannte „Opting out“ kehrt dieses System jedoch um: Zu einem definierten Zeitpunkt, beispielsweise mit Beendigung der Probezeit, werden alle zur bAV angemeldet. Nur wer aktiv widerspricht, nimmt dann nicht an der Entgeltumwandlung teil. Seit diesem Jahr bekommt die Anwendung dieses Systems durch Tarifverträge eine rechtssichere Grundlage und wird somit erleichtert.

Können nicht tarifgebundene Unternehmen das „Opting out“-Modell ebenfalls anbieten?

Schmeling: Nicht tarifgebundene Arbeitgeber können sich wie bisher auch an Tarifverträge anlehnen – Vo­raussetzung dafür ist eine Betriebsvereinbarung.

Gibt es weitere Verbesserungen?

Ahrens: Ja, auch für Riester-Verträge, die im Rahmen einer bAV abgeschlossen wurden, hat sich etwas geändert. Seit Beginn des Jahres müssen in der Rentenphase keine Sozialversicherungsbeiträge mehr auf die Leistungen gezahlt werden. Damit wird der Riester-Vertrag in der bAV dem privaten Riester-Vertrag gleichgestellt. Dies gilt auch für bereits bestehende Riester-Verträge in der bAV. Zusätzlich wurde die jährliche Grundzulage für alle Riester-Verträge, sowohl als Privatvertrag als auch im Rahmen der bAV, von 154 auf 175 Euro erhöht.

Hat sich durch das BRSG auch etwas für den Rentenbezug im Allgemeinen geändert?

Schmeling: Bisher wurden Betriebsrenten vollständig auf die Grundsicherung angerechnet. Durch das BRSG wurde nun ein Freibetrag eingeführt. Das führt dazu, dass die Renten aus einem bAV-Vertrag, aber auch aus Riester- und Basisrenten-Verträgen, seit dem 01.01.2018 nicht mehr vollständig auf die Grundsicherung angerechnet werden.

Und wie setzt sich dieser Freibetrag zusammen?

Schmeling: Es gibt einen monatlichen Sockelbetrag. Dieser Sockelbetrag i. H. v. 100 Euro wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Darüber hinaus bleiben zusätzliche 30 % der Rente anrechnungsfrei. Insgesamt ist dieser Freibetrag „gedeckelt“ auf 208 Euro, dies entspricht 50 % der Regelbedarfsstufe 1 nach dem SGB XII.

Ahrens: Diese neue Regelung führt insbesondere dazu, dass die Beiträge zur bAV für Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen auch in der Rentenphase tatsächlich als Altersvorsorge-Leistung bei den Arbeitnehmern ankommen. Früher ist diese Art der Altersvorsorge bei diesem Personenkreis oftmals „verpufft“.

Kann man nun also sagen, dass durch das BRSG die bAV einfacher geworden ist?

Ahrens: Zu den bisherigen Durchführungswegen sind nun weitere Modelle hinzugekommen. Das führt natürlich dazu, dass das Thema für Laien noch komplexer wird. Eine ausführliche Beratung und Betreuung wird in Zukunft somit immer wichtiger. Ein neues Modell ist das sogenannte Sozialpartnermodell.

Was steckt hinter dem Sozialpartnermodell?

Ahrens: Das Sozialpartnermodell oder auch „Nahles-Rente“ ist eine neue zusätzliche Form der bAV. Es handelt sich dabei um eine Vereinbarung, die die Tarifvertragsparteien, also Arbeitgeber und Gewerkschaften, in die Tarifverträge mit aufnehmen können. Diese neue Zusageart gilt dann für alle Unternehmen, die dem entsprechenden Tarifvertrag unterliegen. Der Arbeitgeber zahlt dabei einen Beitrag in einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung ein, ohne für eine aus diesen Beiträgen erwirtschaftete Leistung einzustehen – also eine reine Beitragszusage.

Gibt es dieses Sozialpartnermodell bereits?

Schmeling: Die Tarifvertragsparteien entscheiden aktuell darüber, ob und wie die Möglichkeit zur reinen Beitragszusage genutzt werden soll. Zur Auszahlung wird eine sog. Zielrente vereinbart. Garantierte Leistungen oder eine Kapitalauszahlung sind nicht vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form die Umsetzung erfolgt.

Muss jedes Unternehmen, das eine bAV für seine Mitarbeiter anbietet, eine bestehende Versorgungsordnung erneuern?

Ahrens: Eine Überprüfung sollte unbedingt stattfinden, aber in den seltensten Fällen muss eine bestehende Versorgung komplett neu gestaltet werden. Bei etwa 20 % sind kleine Anpassungen ausreichend. Grundsätzlich ist es immer zu empfehlen, eine bestehende Versorgungsregelung in regelmäßigen Abständen durch einen Fachmann überprüfen zu lassen.

Was kann man abschließend über das BRSG festhalten?

Schmeling: Das BRSG beinhaltet eine Reihe von Vorteilen, sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer. Einige Neuerungen sind bereits in diesem Jahr in Kraft getreten, einiges folgt nun in den kommenden Jahren. Die nächste Zeit bleibt spannend.

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