Artikel erschienen am 01.12.2017
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Teamplay statt einsamer Wolf

Was wir vom FBI für schwierige Verhandlungen lernen können

Von Dipl.-Psych. Zorana Dippl, Braunschweig | Dr. phil. Dipl. pol. Thomas Piko, Braunschweig

Was haben gescheiterte Tarifverhandlungen, frustrierende Einkaufsverhandlungen oder ergebnislose Bankgespräche mit dem FBI zu tun? Mehr als wir denken – professionelle Krisenverhandler, z.B. in den entsprechenden Spezialeinheiten der Polizei, nutzen ein ganzes Repertoire an erforschten und trainierten Interventionen, um gegenüber aggressiven oder blockierenden „Powerplayern“ in einer deeskalierenden Form kooperative Optionen zu etablieren – und damit ihre Ziele zu erreichen.

In Zeiten, in denen das „Win-win-Konzept“ in der Privatwirtschaft zunehmend und auch be-wusst verletzt wird, gewinnen Methoden der Krisenverhandlungen stark an Bedeutung . Der Umgang mit schwierigen Verhandlungspartnern verlangt mehr als nur instinktive Reaktionen, Selbstwert schützende Schlagfertigkeit oder das Delegieren der Verantwortung an einen Mediator.

Arbeitsteilung aus dem FBI-Konzept

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in eine Verhandlung mit Ihrer Bank, weil Sie einen dringend benötigten Kredit aushandeln wollen. Sie führen das Gespräch. Gleichzeitig versuchen Sie, den aufkommenden Stress in den Griff zu bekommen: Ärger über das Auftreten Ihres Gegenübers, Unsicherheit über die gewählte Strategie, Druck, den Kredit unbedingt zu bekommen. Jede Emotion wirkt sich auf Ihr Gehirn und Ihre Handlungsfähigkeit aus. Zusätzlich müssen Sie die Fakten, die auf dem Tisch sind, analysieren, sich dazu positionieren und Entscheidungen treffen. Ein ziemlich komplexes Vorhaben, das Sie schnell an Ihre Grenzen bringen kann.

Dieses Phänomen ist neuropsychologisch erklärbar und hat sich unter dem Fachbegriff „hijacked amygdala“ etabliert. Gemeint ist der Verlust des rationalen Handelns und eine unangemessene emotionale Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung. Die Amygdala ist das emotionale Zentrum des menschlichen Gehirns und erstellt in Sekundenbruchteilen Antworten, wenn ein Mensch sich bedroht fühlt – Sie fühlen sich blockiert, Sie beenden das Gespräch, Sie gehen in die Rechtfertigung, Sie sagen Dinge zu, die Ihnen später das Gefühl geben, „über den Tisch gezogen“ worden zu sein oder Sie wechseln in den Angriffsmodus.

Ein Verhandlungsführer der Polizei verhandelt nie allein. Und das aus gutem Grund. Wer allein verhandelt, ist emotional sehr stark in die Verhandlung eingebunden.

Er ist auf sein Verhandlungsziel fixiert und hat deshalb seine Strategie und seine Argumente ständig präsent. Diese Präsenz ist sehr gut für ein zielgerichtetes Verhandeln – und sehr schlecht für ein analytisches Zuhören. Wenn der Verhandlungsführer die Situation deeskalieren und Kooperation erzielen will, muss er zwei Dinge können: seine eigenen Emotionen regulieren und sich auf sein Gegenüber einlassen.

Bei sehr stressigen und emotional geführten Verhandlungen – wie Geiselnahmen – kann es sein, dass der Verhandlungsführer durch sein zielgerichtetes Verhandeln das Zuhören und damit wichtige Chancen vernachlässigt. Deshalb wird bei polizeilichen Verhandlungen der Verhandlungsführer beim Zuhören und beim strategischen Vorgehen unterstützt. Polizeiliche Verhandlungen werden im Team geführt:

Aufbauorganisation nach dem FBI-Konzept

Der Verhandlungsführer ist der einzige direkte Ansprechpartner für das polizeiliche Gegen-über. Er stellt sich persönlich oder telefonisch als Verhandlungsführer mit seinem Namen vor. Er stellt gleich zu Beginn klar, dass er der alleinige Ansprechpartner für diese Verhandlung sein wird. Zusätzlich weist er darauf hin, dass aus rechtlichen Gründen einige wichtige Entscheidungen nicht von ihm allein, sondern von der Einsatzleitung getroffen werden müssen. Der Verhandlungsführer entscheidet bei einer Teamverhandlung nicht allein! Er kann lediglich jene Bereiche entscheiden, für die er vom Entscheidungsträger das Mandat erhalten hat, bspw. das Gewähren von Lebensmitteln, Getränken und Zigaretten. Das Austauschen von Geiseln fällt jedoch nicht mehr in seinen Entscheidungsbereich.

Der Ghost ist ein Kollege des Verhandlungsführers. Meist wird es ein sehr erfahrener Kollege sein. Seine Aufgabe besteht darin, die Verhandlung mit einer bestimmten Distanz zu verfolgen. Er sitzt am gleichen Tisch wie der Verhandlungsführer, hört die Verhandlung mit, greift jedoch nie direkt in die Verhandlung ein. Der Umstand, dass er nicht sofort reden, antworten und argumentieren muss, verschafft ihm viel gedanklichen Freiraum. Er hört durch die Distanz mehr oder andere Aspekte als der Verhandlungsführer.

Der Entscheidungsträger entscheidet in letzter Instanz über das weitere Vorgehen. Er ver-antwortet die Entscheidung und damit die Folgen. Bei polizeilichen Einsätzen ist dies der Einsatzleiter. Ihm unterstehen die Leiter der jeweiligen Spezialgruppen wie z. B. das SWAT-Team (Spezial Weapons And Tactics) oder speziell für das FBI „HRT“ (Hostage Rescue Team – Geiselbefreiungsgruppe).

Benchmark des FBI-Konzeptes für Wirtschaftsverhandlungen

Nutzen Sie – insbesondere bei einem hohen Krisenpotenzial – Anleihen aus dem FBI-Konzept. Dafür bieten sich zwei Varianten an:

Spielvariante 1

Senden Sie mit Ihrem Verhandlungsführer einen Ghost mit in die Verhandlung, der sich mit flankierenden Fragen vortastet und Informationen einholt. Klären Sie unbedingt vorab die Rollen und das Mandat. Der wirkliche Entscheider bleibt im Hintergrund, indem er sich nicht aktiv ins Gespräch einbringt oder gänzlich abwesend ist. Der Ghost wird Spielräume und Grenzen der Gegenseite abtasten und dem Entscheider wertvolle Informationen liefern. Dieser kann – ohne emotionale Betroffenheit – entscheiden und die nächsten Schritte sorgfältig planen.

Aufbauorganisation „FBI-Konzept“

Alle Teammitglieder müssen über die minimalen und maximalen Ziele, die Strategie und die taktischen Schritte Bescheid wissen. Vor allem muss die Verantwortung klar abgrenzt werden: Was darf verhandelt werden und was nicht? Was darf zugesagt werden und was nicht? Was darf abgelehnt werden und was nicht? Übrigens bereiten sich laut einer aktuellen Studie 54 % der Führungskräfte auf eine einstündige Verhandlung höchstens eine halbe Stunde vor. Und gerade mal 16 % der Zeit widmen sie der Analyse des Verhandlungspartners.

Spielvariante 2

Sollten aufbauorganisatorische Arbeitsteilungen nicht oder nicht spontan möglich sein, greifen Sie unter dem Gebrauch von Legenden auf ablauforganisatorische Arbeitsteilungen zurück.

Ablauforganisation „FBI-Konzept“

Ablauforganisation nach dem FBI-Konzept: Seien Sie sich bewusst, dass Sie in einer Verhandlung alle Rollen „spielen“. Unterbrechen Sie die Verhandlung immer dann, wenn Sie eine andere Teamrolle benötigen. Fordern Sie Pausen ein, vertagen Sie sich, weisen Sie auf Ihr begrenztes Mandat hin, um Zeit zu gewinnen – aber entscheiden Sie nichts, bevor Sie Ihre „hijacked amygdala“ reguliert, Ihr inneres Analyseteam befragt oder Ihr taktisches Team vorbereitet haben.

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