Artikel erschienen am 29.03.2017
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Kasse und Betriebsprüfung

Endlich Klarheit?

Von Andreas Deumeland, Braunschweig

In den letzten Jahren gab es leider genügend aufgedeckte Fälle von „nicht vollständig erfassten“ Umsätzen, die entsprechend öffentlich ausgeschlachtet wurden und als Ursache der ständigen Verschärfung der Auflagen und Prüfungen dienten. Die öffentliche Hatz gipfelte in der bekannten Forderung nach Abschaffung des Bargeldes, frei nach dem Motto, wer Banküberfälle ver­hindern will, muss einfach alle Banken schließen. Das Grundmisstrauen gegenüber den sog. „Hochrisikobetrieben“ wird noch eine Weile bleiben. Es bleibt aber zumindest die Hoffnung, dass der Generalverdacht einer – auch gesetzlich gebotenen – sachlichen Differenzierung weicht, denn es gibt auch viele „weiße“ Schafe.

In der Sache ist das Einzige, was im Moment sicher ist, das Auslaufen der zeitlich wirklich großzügigen Übergangsfrist für „nicht ordnungsgemäß speichernde Kassen“ zum 31.12.2016 (seit Ende 2010).

Ansonsten stellen sich weiterhin viele Fragen und selbst wenn im Folgenden etwas als „sicher“ tituliert wird, gilt auch dass nur, bis Gerichte oder Verwaltung zu anderen Anforderungen kommen. Und weitere Verschärfungen sind ganz frisch in einem neuen Gesetz beschlossen, die z. T. schon mit Wirkung zum 29.12.2016 wirksam werden, andere 2020 mit einer neuen Übergangsfrist.

Warum eine Kasse nutzen?

Eine Registrierkassenpflicht besteht in Deutschland nicht. Viele, auch führende Vertreter der Finanzverwaltung hätten das gern, wie es schon in verschiedenen Nachbarländern praktiziert wird, und bringen das auch regelmäßig deutlich in der Presse zum Ausdruck.

Unternehmer sollten Kassen dann nutzen, wenn es ihnen wirtschaftlich und/oder organisatorisch nutzt. Das sind insbesondere sinnvolle Auswertungen der Umsätze und eine ordnungsgemäße Abrechnung mit den Mitarbeitern.

Die Anforderungen des Finanzamtes können auch durch eine sog. offene Ladenkasse (Schublade) erfüllt werden, allerdings muss davon ausgegangen werden, dass diese Form der Kassenführung „besonderer Aufmerksamkeit“ der Prüfer unterliegt. Ordentlich geführt, ist sie aber weiter zulässig (Details siehe Abb.). Wer ausreichend betriebliche Vorteile in der Nutzung einer Registrierkasse sieht, sollte diese auch nutzen, weil dann das „besondere Misstrauen“ der Prüfer geringer sein dürfte.

Kassenbuch oder Kassenbericht? Kassendifferenzen?

Kassenbuch und Kassenbericht sollten im Gesamtergebnis zu gleichen Resultaten kommen, sind aber in ihrer Philosophie grundlegend verschiedene Instrumente.

Kassenberichte werden täglich und nur für den Tag erstellt. Sie beginnen mit dem ausgezählten Kassenbestand am Ende des Tages und berechnen am Ende den Tagesumsatz.
Kassenbücher beginnen dagegen mit dem Tagesumsatz laut Z-Bon oder anderer separater Erfassung der Einnahmen und berechnen am Ende den Soll-Kassenbestand, der dann mit dem Ist-Bestand laut Zählung zu vergleichen ist. Kassenbücher werden täglich fortlaufend erstellt und in der Regel für den Monat gebucht.

Kassendifferenzen sind im Bargeldbereich normal. Es ist eher auffällig, wenn es keine gibt. Sie sollten natürlich schon rein organisatorisch möglichst im Rahmen bleiben, doch sie gehören dazu und sollten regelmäßig als Kassendifferenzen gebucht werden – plus und minus.

Sind Zählprotokolle erforderlich?

In Zählprotokollen wird die Anzahl der gezählten Scheine und Münzen aufgelistet (siehe Abb. links). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Text eines Urteils aus dem Jahr 2015 das Fehlen von Zählprotokollen als gravierenden Mangel bezeichnet. Das erscheint sogar einem renommierten Vertreter der Finanzverwaltung zu weit zu gehen. Er sieht dies in der Intensität der Beurteilung als redaktionelles Versehen und verweist auf den 5. Leitsatz des Urteils. Dieser listet 4 Punkte auf, die jeweils für sich allein als gravierende Mängel zur Schätzung berechtigen: fehlende Betriebsanleitung oder Protokolle von Programmieränderungen, fehlende Tagesendsummenbons oder fehlende Kassenberichte bei offener Ladenkasse. Zählprotokolle werden hier nicht genannt und sind insoweit wohl doch nicht als „gravierender Mangel“ zu betrachten. Aber „sicher“ ist das nicht.

In Anbetracht der zu erwartenden „besonderen Aufmerksamkeit“ bei offenen Ladenkassen, dürften tägliche Zählprotokolle dem Prüfer aber schon etwas den Argumentationsspielraum einengen und sind insoweit bei offenen Ladenkassen sehr empfehlenswert.

Welche Anforderungen sind nun „sicher“?

Nach § 146 Abs. 1 AO hatten bisher alle Steuerpflichtigen ihre Geschäftsvorfälle vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen. Zeitgerecht bedeutet für Kassen noch am Abend oder begründet am nächsten Vormittag, z. B. bei Abend-/Nachtbetrieb. Ziel ist die Kassensturzfähigkeit, der jederzeitige Abgleich zwischen Ist- und Soll-Bestand.

Die Aufzeichnungen/Buchhaltung müssen nachvollziehbar und nachprüfbar sein, insbesondere dürfen die Aufzeichnungen nicht änderbar sein. Deshalb sind alle Aufzeichnungen auf Excel-Basis oder vergleichbaren Programmen generell wertlos, weil sie rückwirkend jederzeit änderbar sind. Die Schätzung in der Prüfung ist dann sicher. Fehler passieren immer, die Korrektur muss nur sichtbar/nachvollziehbar sein, durch Korrektur-/Gegenbuchung bzw. Storno – nur nicht durch eine Löschung.

Erfassung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls – Branchen­vereinfachungen weiterhin ?

Bisher waren Geschäftsvorfälle nicht zwingend einzeln zu erfassen. Der BFH hatte dies noch mit Urteil vom 16.12.2014 klar festgestellt und auf das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift verwiesen. Das hat der Gesetzgeber mit Gesetz vom 22.12.2016 nachgeholt und § 146 Abs. 1 AO um den Begriff „einzeln“ ergänzt, mit Anwendung ab dem 29.12.2016 – also sofort. Dies ist für Nutzer von Kassen nur logisch und auch nicht weiter verschärfend, weil die Kassen jetzt ohnehin alles einzeln aufzeichnen müssen und dann eine Ausnahme entfällt. Relevant wird die Ausnahme somit nur noch für die offene Ladenkasse und dort im Detail besprochen.

Nutzung von Registrierkassen – Anforderungen ab 01.01.2017

Der Unternehmer muss ein durchgehendes Kassenbuch führen, in dem alle Tageseinnahmen direkt laut Z-Bons bzw. Tagesauswertung der Kasse(n) und alle Ausgaben einzeln und mit Belegen geordnet und „umgehend“ erfasst werden.

Die Kassen selbst müssen folgende Anforderungen vollständig erfüllen. Der wesentliche Unterschied zur Vergangenheit liegt darin, dass nicht Summen als Z-Bons aufbewahrt werden, sondern alle einzelnen Kassendaten und diese in elektronisch auswertbaren Dateien:

  1. Einzelaufzeichnung jeder Einnahme mit Datum, Zeit, Bediener, Artikel, Anzahl, Einzelpreis, Gesamtpreis, …
  2. Trennung barer und elektronischer Zahlungen (EC Cash, Kreditkarten, …)
  3. vollständig und unveränderbar
  4. elektronische Aufbewahrung, jederzeit maschinell auswertbar (Schnittstelle)
  5. ausgedruckte Aufbewahrung reicht nicht mehr
  6. Speichern in der Kasse oder auf externen Datenträgern (10 Jahre Kapazität prüfen!)
  7. Aufbewahrung von Bedien- und Programmieranleitungen
  8. Protokolle über alle Nutzer und Datenänderungen/Kasseneinstellungen
  9. Aufbewahrungsfrist für alles bleibt 10 Jahre (Vorteil: weniger Papier).

Lassen Sie sich im Zweifel vom Händler/Lieferanten bestätigen, dass die erforderlichen Kriterien ab 2017 erfüllt werden.

Kassennachschau

Ab dem 01.01.2018 dürfen Prüfer ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung in den Geschäftsräumen, während der üblichen Öffnungszeiten, die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen von Kasseneinnahmen und -ausgaben überprüfen.

Anforderungen in der Zukunft – ab 2020 (mit Übergangslösungen)

Folgende technische Anforderungen sind zu beachten:

  1. Elektronische Aufzeichnungssysteme (Kassen, Waagen, Taxameter, …) müssen die Daten einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unveränderbar speichern.
  2. Protokollierung aller Nutzer und Datenänderungen/Kasseneinstellungen muss gewährleistet sein.
  3. Weiterhin sind alle „sonstigen Vorgänge“ in der Kasse aufzuzeichnen, das sind z. B. Stornierungen, Trainingsbuchungen, aber nicht abgeschlossene Geschäftsvorfälle.
  4. Das Aufzeichnungssystem muss aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle bestehen.
  5. Der Hersteller muss dieses System beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach konkreten Vorgaben zertifizieren lassen (auch spätere Anpassungen/Änderungen).
  6. Das erteilte Zertifikat wird den Kauf-/Auswahlprozess für Unternehmer sicherer machen.

Weiterhin müssen die Aufzeichnungssysteme zwingend für den Kunden einen Beleg ausstellen. Was dieser mit dem Beleg macht, bleibt dessen Sache, aber er muss diesen zur Verfügung gestellt bekommen. Die Finanzverwaltung kann unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen bewilligen. Ab dem 01.01.2020 haben Kunden erworbene Aufzeichnungssysteme mit Bezeichnung und Zertifizierung dem zuständigen Finanzamt zu melden. Alle vorher erworbenen Systeme
sind bis zum 31.01.2020 anzumelden. Bei Verstößen gegen diese neuen Auflagen können Bußgelder bis zu 25 000 Euro festgesetzt werden.

Anforderungen an eine offene Ladenkasse – Einzelaufzeichnungspflicht?

Die bisherige Befreiung von der Einzelaufzeichnungspflicht einzelner Branchen wurde durch Erlass vom 05.04.2004 geregelt. Dies ist mit Erlass vom 14.03.2016 rückwirkend zum 01.01.2015 aufgehoben worden. Vertreter der Finanzverwaltung gingen schon damals davon aus, dass sich die Rechtslage dadurch nicht geändert habe. Nur vereinzelte Stimmen stellten die bisherigen Befreiungen einzelner Branchen damals in Frage. Warum sich die Zumutbarkeit von Einzelaufzeichnungen für die Unternehmer und deren Kunden durch das Auslaufen einer Übergangsfrist ändern sollte, war nicht zu verstehen, sachliche Gründe für einen Wandel im Kundenverhalten und der Zumutbarkeit sind jedenfalls nicht erkennbar. Nun aber steht die damalige Vereinfachung mit Wirkung ab dem 29.12.2016 im Gesetz. Danach muss bei „Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht“ einzeln aufgezeichnet werden. Ohne diese Vereinfachung müssten alle Einnahmen einzeln mit Name, Adresse, Leistungsgegenstand, Beträgen und Zeiten in Listen erfasst werden. Soweit dies nicht zumutbar ist, gilt die Vereinfachung. In den ursprünglichen Erlassregelungen wurden Beträge ab 15 000 Euro als in jedem Fall zumutbar genannt. Es sollte davon ausgegangen werden, dass dieser Betrag bei einer gerichtlichen Klärung inzwischen deutlich niedriger ausfallen dürfte.
Zudem ist zu erwarten, dass in Prüfungen die Frage der Zumutbarkeit je nach Branche und Größe des Betriebes diskutiert wird. Das Gesetz macht da jedoch keine Unterschiede.

Offene Ladenkasse ohne Einzelaufzeichnungen

Es ist täglich bei Kassenschluss ein Kassenbericht wie oben beschrieben zu erstellen. Die Zählung sollte durch das Zählprotokoll nachgewiesen werden. Dies gilt für Betriebe, bei denen Einzelquittungen nicht zumutbar sind.

Offene Ladenkassen mit Einzelaufzeichnungen

Alle Einnahmen werden durch Einzelquittungen belegt. Dann reicht auch ein Kassenbuch statt eines Kassenberichtes. Dies gilt für Betriebe, bei denen Einzelquittungen zumutbar sind. Das könnte z. B. bei Ärzten beim Verkauf von IGEL-Leistungen der Fall sein.

Wer generell mit dem gestiegenen Formalaufwand der offenen Ladenkasse nicht leben möchte oder Zweifel bei der Begründung der „Nicht-Zumutbarkeit“ hat, sollte besser die PC-/Registrier-Kasse statt der offenen Ladenkasse wählen, wenn er größtmögliche Sicherheit will.

Am Ende bleibt weiter einiges unsicher und somit in den Prüfungen zu lösen. Deshalb können auch alle Ausführungen nur als unverbindliche Orientierung dienen. Der Einzelfall bleibt mit Ihren Beratern zu lösen. Im Streitfall sollte der Gang zum Gericht bei allzu forschen Schätzern ernsthaft erwogen werden. Bei grundsätzlich ordentlicher Kassenführung haben Gerichte schon einige Schätzungen verworfen oder auf Augenmaß reduziert. Deshalb ist die ordentliche Kassenführung so wichtig.

Bild: Fotolia/Pavlo Burdyak

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