Artikel erschienen am 06.02.2017
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Industrie und Wirtschaft 4.0

Eine Megachance für unsere Region

Von Florian Bernschneider, Braunschweig

Google, Amazon und Facebook haben mittlerweile eine Marktkapitalisierung von über einer Bill. Dollar erreicht. Siemens, Volkswagen, BMW und Mercedes zusammen kommen gerade mal auf ein Viertel dieser Summe. Dabei haben die US-Onlinegiganten ihre Geschäftsmodelle allein auf den Möglichkeiten rasant wachsender Vernetzung, Digitalisierung sowie Rechner- und Speicherkapazitäten gebaut. Dass die Verbindung dieser Möglichkeiten mit traditionellen Fertigungswelten schon zur industriellen Revolution ausgerufen wird, bevor sie richtig begonnen hat, wundert also nicht.

Kaum eine Veranstaltung oder Veröffentlichung in Wirtschaftskreisen kommt deswegen seit Monaten ohne das Thema Industrie oder Wirtschaft 4.0 aus. Fast ein wenig zu akademisch und abstrakt kommt die Diskussion dabei häufig daher. So mancher Mittelständler kann die immer gleichen und abstrakten Buzzwords schon nicht mehr hören und wendet sich gelangweilt ab. Doch es lohnt sich konkreter zu werden – gerade in unserer Region Braunschweig/Wolfsburg.

Hier sitzen BMA, SMAG, Lanico und die vielen anderen mittelständischen Maschinenbauer, die in ihren Disziplinen Weltmarktführer sind. Mit Volkswagen, Salzgitter Stahl, Siemens, MAN und ALSTOM schlägt hier das industrielle Herz Norddeutschlands.

Aber wir sind nicht nur die Ingenieurregion, wie der VDI Braunschweig angesichts dieser Unternhemen völlig zu Recht festgestellt hat. Nirgendwo in Niedersachsen arbeiten gemessen an der Bevölkerungsanzahl so viele Beschäftigte in der Informations- und Kommunikationstechnik wie in unserer Region, nämlich 5,8 %. Und diese Beschäftigten arbeiten nicht nur in den IT-Abteilungen der Großunternehmen. Die 30 größten IT-Unternehmen der Region mit Firmen wie H&D in Gifhorn, der ckc group in Braunschweig oder der mvi group in Wolfsburg beschäftigen über 6 000 Mitarbeiter. Woanders mag die IT-Start-up-Szene auffälliger sein, aber „German-IT-Mittelstand“ ist in unserer Region so präsent wie an wenig anderen Orten der Republik.

Gelingt es uns, diese Kenntnisse und Fähigkeiten als Erste in der Breite zu verbinden und darauf neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, hätte unsere Region mehr als nur einen Standortvorteil gewonnen. Dabei geht es weniger um die eine einzige geniale Idee, sondern um eine kontinuierliche Weiterentwicklung, in denen Produkte und Fertigungswelten Schritt für Schritt digitaler und vernetzter werden.

Der Strukturwandel wird kommen

Aber klar ist auch: Es geht nicht nur um technische Fragen. Der beschriebene Wandel wird beispielsweise auch einen massiven Strukturwandel – auch und gerade an unserem regionalen – Arbeitsmarkt nach sich ziehen.

Der Spiegel titelte im letzten September: „Sie sind entlassen! Wie uns Computer und Roboter die Arbeit wegnehmen.“ Diese Schlagzeile kann ohne Zweifel unter unnötiger Panikmache verbucht werden und in die gleiche Schublade gelegt werden, in der auch der Spiegel Nr. 16 aus dem Jahr 1978 liegt: „Die Computer-Revolution: Fortschritt macht arbeitslos.“ Eine scheinbar typisch deutsche Angstkultur: Obwohl uns bis 2030 über 5 Millionen Fachkräfte fehlen werden, sorgen wir uns darum, dass Computer und Roboter uns Arbeit abnehmen könnten.

Dennoch lohnt es sich natürlich, frühzeitig arbeitsmarktliche Strukturen neu zu denken. Industrie 4.0 und Wirtschaft 4.0 sind ein Aufruf zu Interdisziplinarität in Ausbildung und Studiengängen. MINT-Förderinitiativen sind dringender denn je. Erste Kenntnisse zum Programmieren sollten in der Schule und nicht in einer AG für wenige Exoten eine Rolle spielen, sondern fester Unterrichtsbestandteil werden. Und nicht zuletzt heißt Industrie 4.0 und Wirtschaft 4.0 auch Arbeit 4.0 – also eine neue Kultur und mehr Flexibilität in Zeit und Raum von Arbeit.

Es ist also viel zu tun im Themenfeld Industrie und Wirtschaft 4.0. Doch die Mühe lohnt sich – gerade in unserer Region.

Bild: Fotolia/Rzoog

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