Artikel erschienen am 12.04.2017
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Effektive Verteidigung in Steuerstrafsachen

Von Dr. iur. Paul-Frank Weise, Braunschweig

Steuerstrafverfahren und Besteuerungsverfahren sind eng miteinander verzahnt. Ein guter Steuerstrafverteidiger sollte daher auch ein guter Steuerrechtler sein. Gegebenenfalls sind beide Kompetenzen in einem eng kooperierenden Team sicherzustellen.

I. Ein Begriff – zwei Verfahren

Formal unterliegen das Steuer- und das Steuerstrafverfahren jeweils getrennten Verfahrensvorschriften (§ 393 Abs.1 S. 1 Abgabenordnung [AO]). Über die Steuer entscheiden dementsprechend die Finanzverwaltungen, ggf. die Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof (BFH). Im Steuerstrafverfahren ermitteln und entscheiden Strafermittlungsbehörden, namentlich Bußgeld- und Strafsachenstellen, die Steuerfahndung, Staatsanwaltschaften und Strafgerichte.

Wie das Steuerverfahren und das Steuerstrafverfahren im praktischen Ablauf zueinander stehen, ist gesetzlich nicht normiert. Oft mag es zweckmäßig sein, erst das Steuerverfahren mit der Finanzverwaltung und ggf. der Finanzgerichtsbarkeit zu führen und danach den Vorgang steuerstrafrechtlich zu beurteilen. Gemäß § 396 AO kann das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt werden. Dies ist jedoch weder zwingend noch in allen Fällen opportun.

II. Risiko widersprüchlicher Ergebnisse

Zu bedenken ist, dass die strafrechtliche Entscheidung eines Strafgerichts und die steuerrechtliche Entscheidung eines Finanzgerichts in derselben Sache keineswegs gegenseitige Bindungswirkung haben. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass es in derselben Sache widersprüchliche Entscheidungen eines Strafgerichts einerseits und eines Finanzgerichts andererseits gibt.

Dies und einige weitere Gesichtspunkte machen deutlich, dass es bei der effektiven Steuerstrafverteidigung insbesondere darauf ankommt, den Ausgang beider Verfahren im Blick zu haben und im Idealfall eine sog. Paketlösung zu erzielen, das heißt einen möglichst gleichzeitigen oder aufeinander abgestimmten Abschluss des Steuer- und des Steuerstrafverfahrens zu erreichen.

III. Zusätzliche Verfahren

Eine effektive und verantwortungsvolle Steuerstrafverteidigung muss dabei außerdem im Blick haben, dass mit dem Vorwurf einer Steuerhinterziehung häufig auch noch weitere zunächst vom Betroffenen ausgeblendete oder nicht erkannte Tatbestände mit teilweise empfindlichen Auswirkungen verbunden sein können:

  • separate Verfolgung zusätzlicher Strafbarkeitsvorwürfe (z. B. Betrug, Urkundenfälschung, Bestechungs- oder Vorteilsnahme im In- oder Ausland, Schwarzarbeit, Sozialversicherungsbetrug und weitere Vorwürfe)
  • berufsrechtliche Konsequenzen für Angehörige von Heilberufen
  • Konsequenzen für Beamte und Angehörige des öffentlichen Dienstes
  • berufsrechtliche Konsequenzen für bestimmte Berufsgruppen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte etc.)
  • Gefahr des Widerrufs und der Versagung wichtiger behördlicher Genehmigungen (z. B. Waffen- oder Jagdschein, Pilotenschein, Gewerbeerlaubnis, Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer, Geschäftsführertätigkeiten etc.)
  • Verhängung von Bußgeldern durch die Ordnungsbehörden
  • persönliche Haftungsinanspruchnahmen der handelnden Personen oder Berater.

IV. Ziel: Gesamtpaket

Diese Risiken werden häufig nicht früh genug erkannt. Aus Sicht des Betroffenen kann es aber stets nur um das Gesamtpaket gehen.

Von Anfang an sollten daher das Steuer- unter Steuerstrafverfahren parallel und miteinander verzahnt betreut werden und auch das Risiko weiterer Verfahren konsequent beleuchtet werden. Schädlich ist daher die Einschätzung, das Steuerverfahren zunächst und klassischer Weise durch den Steuerberater bis zur Bestandskraft zu führen. Erst dann sei die Verteidigung aktiv aufzunehmen und ein Strafverteidiger hinzuzuziehen. Richtigerweise muss von Anfang an eine Verknüpfung zu einem Gesamtpaket angestrebt werden.

V. Spannungsverhältnis zwischen Steuerrecht und Steuerstrafrecht

Im Verfahren zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen kommt der Zusammenarbeit aller Beteiligten (Finanzverwaltung, Fahndung, Steuerpflichtiger, Steuerstrafverteidiger, Steuerberater) grundlegende Bedeutung zu. Nach §§ 393 Abs. 1 i. V. m 90, 93, 200 AO bleibt der Steuerpflichtige zwar im Besteuerungsverfahren weiterhin zur Mitwirkung verpflichtet. Diese Mitwirkung kann jedoch während des Steuerstrafverfahrens nicht mehr erzwungen werden, weil andernfalls das strafrechtlich garantierte Aussageverweigerungsrecht (insbesondere §§ 136 Abs. 1 S. 2; 163a Abs. 3 und 4 StPO) durch eine Selbstbelastung unterlaufen würde.

De facto folgt daraus auch im Besteuerungsverfahren ein Auskunftsverweigerungsrecht. In der Folge kann es dann aber zu Streit um steuerliche Schätzungen bei dem schweigenden Steuerpflichtigen kommen.

Weitere damit zusammenhängende Probleme können bei der Abgabe laufender Steuererklärungen während des Steuerstrafverfahrens auftreten. Nach herrschender Meinung befreit das strafrechtliche Aussageverweigerungsrecht den Betroffenen nicht von der Pflicht, auch während eines Steuerstrafverfahrens laufende Steuererklärungen abzugeben. Hier müssen die Beteiligten aufpassen, dass durch unterlassene Steuererklärungen oder wahrheitswidrige weitere Steuererklärungen nicht ein zusätzlicher Sachverhalt der Steuerhinterziehung verwirklicht wird. Gleichzeitig muss vermieden werden, dass aus aktuellen Erklärungen zwingende negative Rückschlüsse auf die Vergangenheit und damit auf die im Raum stehenden steuerstrafrechtlichen Vorwürfe zu Lasten des Betroffenen gezogen werden können.

Während des Steuerstrafverfahrens besteht daher häufig ein schmaler Grat zwischen sachgerechtem und zulässigem Verteidigungsverhalten einerseits und negativen Folgen bei Schweigen oder fehlerhaften Einlassungen andererseits.

VI. Steuerstreit und Steuereinigung

Als Mittel der Verteidigung sind daher der Steuerstreit und die Steuereinigung zum richtigen Zeitpunkt anzustreben. Die tatsächliche Verständigung bietet dazu ein mit der Finanzverwaltung regelmäßig eingesetztes Instrument. Im Rahmen einer solchen Einigung kommt es dann allerdings darauf an, dass es nicht zu einer sog. „Schein-Gesamtlösung“ kommt, bei der alle weiteren rechtlichen Folgen nicht bereits bedacht sind.

Zusätzlich zur Steuerfahndung sollten zu diesem Zeitpunkt daher auch schon zumindest Gespräche mit der Bußgeld- und Strafsachenstelle, unter Umständen auch schon mit der Staatsanwaltschaft geführt sein, um zum Beispiel Möglichkeiten einer Einstellung gegen Geldauflage (§ 153a StPO) oder der Verhängung eines Strafbefehls miteinander abgestimmt zu haben.

VII. Streitige Klärung

Schließlich – sollte es trotz allen Bemühens auf streitige Klärungen vor dem Finanzgericht und/oder dem Strafgericht hinauslaufen – muss sichergestellt sein, dass in dem Verfahrensstadium bis dahin im Spannungsverhältnis zwischen (strafrechtlichem) Aussageverweigerungsrecht und (steuerlicher) Mitwirkung weder schädliche Einlassungen noch schädliche Unterlassungen stattgefunden haben. Im Steuerrecht greift – auch bei Informationsgewinnung im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Steuerverfahrensrecht – nicht ohne Weiteres ein Verwertungsverbot (siehe etwa § 393 Abs. 2 und 3 AO für das Steuerrecht, Steuerstrafrecht und Taten, die keine Steuerstraftaten sind).

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