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Schutzstrategien für das Ersatzteilgeschäft

Von Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Jan Plöger, LL.M., Braunschweig | Dipl.-Ing. Joachim Gerstein, Hannover

Das Ersatzteilgeschäft kann die Hürde für die Einführung von Innovationen senken und Erlöse verstetigen. Ein geeignet gestaltetes Patent bietet Schutz gegen Trittbrettfahrer. Kartellrechtliche Aspekte sollten stets mit bedacht werden.

Echte Innovatoren haben es oft schwer, denn sie müssen dem meist skeptischen Kunden eine naturgemäß weniger erprobte Lösung verkaufen. Die Hürde ist besonders hoch, wenn die neue Lösung zwar die variablen Kosten senkt, aber eine Investition erfordert. In diesem Fall würde sich ein potenzieller Kunde durch geringere Investitionskosten leichter überzeugen lassen, auch wenn das die laufenden Kosten, bspw. durch Ersatz- oder Verschleißteile, etwas erhöhen würde.

Das Ersatzteilgeschäft verspricht zudem höhere Margen und weniger konjunkturelle Schwankungen. Das gilt besonders, wenn das Primärprodukt laufend Verschleißteile benötigt – wie bspw. Filter oder Werkzeuge. Ist Patentschutz für das Ersatzteil nicht zu erreichen, benötigen Originalhersteller eine Strategie, die eigentlich sowohl für den Innovator als auch für dessen Kunden günstige Kostenverlagerung auf die Ersatzteile abzusichern.

Eine Möglichkeit des Innovators, diesem Dilemma zu entkommen, bietet das Patentrecht. Allerdings ist Vorsicht geboten. Einen klassischen Fall betraf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das sich auf ein patentiertes Pipettensystem aus Halter und Pipettenspitze bezog, die bspw. zum Pipettieren von Blutproben verwendet werden. Die Bilder auf der nächsten Seite zeigen die Pipettenspitze schematisch. Nach jedem Tropfvorgang muss die Spitze getauscht werden. Mit dem Versuch, sich den lukrativen Markt für Pipettenspitzen zu sichern, scheiterte der Patentinhaber.

Das Urteil ruht auf dem Erschöpfungsgrundsatz: Wer eine patentierte Vorrichtung verkauft, muss deren bestimmungsgemäße Benutzung wie das Austauschen der Spitze dulden. Das wäre auch durch einen Lizenzvertrag nicht umgehbar gewesen, denn das Kartellrecht machte es dem Patentinhaber lange Zeit praktisch unmöglich, dem Käufer Verpflichtungen aufzuerlegen, die wegen der Erschöpfung nicht vom Schutzrecht gedeckt waren.

Die restriktiven Bestimmungen des deutschen Kartellrechts wurden indes nach Beginn des Rechtstreits novelliert, maßgeblich ist nun in weiten Teilen europäisches Recht. Auch das verbietet im Grundsatz Lizenzverträge, die den Handel beeinträchtigen können. Es existieren aber Ausnahmen, die in Freistellungsverordnungen festgelegt sind. Danach sind Lizenzverträge mit Bezugsbindung kartellrechtskonform, wenn der Marktanteil der Vertragspartner 20 % unterschreitet. Sind die Vertragsparteien keine Wettbewerber, liegt die Schwelle gar erst bei 30 %. Voraussetzung ist, dass der Lizenzvertrag Patente, Know-how und/oder Software­lizenzen zum Gegenstand hat, es eine eigene Nachfrage nach dem Ersatzteil gibt und die Vereinbarung insgesamt natürlich nicht als Deckmantel für verbotene Wettbewerbsbeschränkungen dient (z. B. im Hinblick auf Preise, Kunden oder Gebiete). Heute kann ein kleines Unternehmen seine Kunden also grundsätzlich auf einen Ersatzteilbezug bei sich verpflichten.

Erfolgreiche Unternehmen geraten allerdings schnell über die Marktanteilsschwelle, da zum relevanten Markt eines Produkts nur diejenigen Erzeugnisse zählen, auf die die Abnehmer ausweichen können, wenn sich das Produkt vorübergehend um einen kleinen, aber signifikanten Prozentsatz verteuert. Je erfolgreicher also der Patentinhaber mit seinem Konzept ist, desto schwieriger wird es für ihn, seinen Erfolg zu schützen. Zwar können auch oberhalb der genannten Schwellen im Einzelfall zulässige Bezugsbindungen vereinbart werden, dies ist aber meist mit einem deutlich höheren Risiko verbunden, kartellrechtswi­drig zu handeln.

Es existiert aber eine patentrechtliche Lösung auch für solche erfolgreichen Unternehmen. Der Erschöpfungsgrundsatz, nach dem patentrechtlich geschützte Vorrichtungen nach dem Verkauf frei verwendet werden dürfen, bezieht sich nämlich ausschließlich auf Patente, die einen Vorrichtungsanspruch enthalten.

Bei einem reinen Verfahrenspatent hingegen tritt keine Erschöpfung ein. Es ist einem Inhaber eines Verfahrenspatents unbenommen, eine Vorrichtung zu verkaufen, mit der das für ihn geschützte Verfahren durchgeführt werden kann, ohne seine Patentrechte zu verlieren. Auch bei einem Verzicht auf einen Vorrichtungsanspruch kann der Patentinhaber auf Basis der Vorschriften gegen die mittelbare Patentverletzung gegen einen Hersteller einer Vorrichtung vorgehen, der eine Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens im Inland vertreibt.

In vielen Fällen lässt sich eine Erfindung sowohl durch einen Vorrichtungsanspruch als auch durch einen Verfahrensanspruch schützen. Wenn der wirtschaftliche Wert einer Erfindung also auf dem Ersatzteilgeschäft liegt, sollte genau geprüft werden, ob ein Vorrichtungsanspruch zielführend ist. Es könnte gelten: Weniger (Ansprüche) ist mehr (Schutzwirkung).

Eine weitere Möglichkeit kann sein, die Basisvorrichtung, im vorliegenden Fall also den Pipettenhalter, nicht zu verkaufen, sondern nur zu verleasen. Im Leasingvertrag kann dann die Abnahme der Ersatz- und Verschleißteile geregelt werden, zumindest solange die Basisvorrichtung – rechtlich – noch dem Leasinggeber gehört.

Fazit

Es existieren damit gute Möglichkeiten, einem innovativen Unternehmen seinen Erfinderlohn auch über das Ersatzteilgeschäft zu sichern und so potenzielle Kunden mit geringeren Anfangsinvestitionen von der neuen Lösung zu überzeugen.

Bild: BGH-Urteil X ZR 38/06, EP 0 656 229 B1

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