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Portrait: 1. Büromarktbericht für Braunschweig

Nur wer den Markt kennt, kann Chancen und Risiken seiner Immobilieninvestments identifizieren

Von Dipl.-Ing. Stephan Lechelt, Braunschweig

Der Rat, sein Geld nur in Produkte zu investieren, die man auch versteht, wird im Schatten der globalen Finanzkrise regelmäßig gegeben. In Zeiten marginaler Zinsen für Sparanlagen wird zunehmend die Investition in Sachwerte propagiert. Immobilien stehen da an erster Stelle, vermitteln sie doch das Gefühl von Stabilität und Sicherheit. Doch verstehen die unzähligen Privatinvestoren das Produkt „Immobilie“ überhaupt? Kennen sie die spezifischen Eigenheiten einer Immobilie, die abhängig von der Nutzungsart sehr vielschichtig und komplex sein können? Und wie ist es mit der Marktkenntnis rund um die Immobilie bestellt? In diesem Artikel geht es nicht um die privat genutzte Wohnimmobilie, sondern ausschließlich um die zur Kapitalanlage erworbene Immobilie.

Markttransparenz

Preise und mithin Werte werden durch Angebot und Nachfrage am Markt geschaffen. Dass eine große Nachfrage bei einem knappen Angebot zu höheren Preisen führt und umgekehrt, ist ein Fundamentalgrundsatz der Volkswirtschaftslehre. Ein weiterer wesentlicher Grund für den Handel von Gütern ist ein Informationsungleichgewicht zwischen Verkäufer und Käufer. Wenn der Verkäufer über mehr Informationen bzgl. des Marktes und seiner wahrscheinlichen zukünftigen Entwicklung verfügt, kann eine negative Zukunftsprognose den Ausschlag geben, sich von dem Gut zu trennen. Der vermeintlich deutlich schlechter informierte Käufer muss anschließend u. U. Nachteile hinnehmen, die bei einer ausreichenden Informationsbasis abzusehen gewesen wären. Die Umkehrung funktioniert genauso und ermöglicht einem gut informierten Käufer, aufgrund der Unwissenheit des Verkäufers Chancen durch den Erwerb des Gutes wahrzunehmen. Die Informationsbasis spielt gerade bei einer langfristigen und kapitalintensiven Investition in eine Immobilie eine maßgebliche Rolle.

Die Volkswirtschaftslehre bemisst die Verfügbarkeit von Informationen über und in einem Markt als den Grad der Markttransparenz. Mit zunehmender Informationsdichte wird ein Markt transparenter, wobei die vollkommene Markttransparenz mit einer vollständigen Informationsbasis über alle gehandelten Güter, deren Qualitäten und Preise sowie sonstige Konditionen für alle Marktteilnehmer ein eher theoretisches Modell ist.

Informationen stehen für den deutschen Immobilienmarkt in vielfältiger, aber extrem unterschiedlicher Qualität und Quantität zur Verfügung. Der Grad der Markttransparenz ist in Bezug auf die örtliche und die nutzungsspezifische Verteilung sehr heterogen. Um ein Mehr an Transparenz zu schaffen, wurden mit Einführung des Bundesbaugesetzes 1960 die örtlichen Gutachterausschüsse für Grundstückswerte geschaffen. Sie sollen den Immobilienmarkt beobachten und den Teilnehmern Daten und Informationen zur Verfügung stellen. Dazu werden in Deutschland alle Grundstückskaufverträge durch die zahlreichen Gutachterausschüsse ausgewertet und regelmäßig Marktberichte veröffentlicht, die in Umfang und Qualität aber eine große Spannweite aufweisen.

Für eigengenutzte Wohnimmobilien stehen nahezu flächendeckende Informationen zur Verfügung, die sich im Einzelnen stark in der Quantität unterscheiden, was auf das Volumen und die Agilität der einzelnen Teilmärkte zurückzuführen ist. Für die Region Braunschweig existiert eine Vielzahl von Marktberichten verschiedenster He­rausgeber. In ländlichen Bereichen ist die Informationsbasis dagegen deutlich geringer, was u. a. daran liegt, dass sich umfangreiche Auswertungen aufgrund der geringen Größe der einzelnen Teilmärkte für gewerbliche Herausgeber wirtschaftlich nicht lohnen.

Dieses Problem besteht auch für alle übrigen Immobilien, die i. d. R. einen gewerblichen Nutzungshintergrund haben. Beispielsweise existieren für Büroimmobilien in Deutschland in erster Linie für die großen Städte entsprechende Informationen und Berichte, sehr oft auch von vielen verschiedenen Herausgebern. Die Informationsbasis für solche Objekte in kleineren Städten ist dagegen sehr viel geringer und mitunter nur rudimentär vorhanden. Sie weisen lediglich ein geringes Maß an Markttransparenz auf. Andere Immobilienarten, die in ihrer Quantität geringer am Markt vorhanden sind als Büroimmobilien (z. B. Hotels, Fachmarktzentren, Logistikobjekte), betrifft das noch stärker.

Der Investor muss dabei beachten, dass sein wirtschaftliches Risiko umso größer wird, je geringer der Grad der Markttransparenz für seine Immobilie ist. Ein zu hoher Kaufpreis zu Beginn, sinkende Mieterträge und kein Käufer beim Exit sind typische Lebensläufe für fehlgeschlagene Immobilieninvestments, die allzu oft aus der Unkenntnis des Marktes resultieren. Professionelle Immobilieninvestoren meiden daher Märkte bzw. Marktsegmente, zu denen keine hinreichende Informationsbasis existiert. Da sie das Risiko nicht abschätzen können, verzichten sie auf die Allokation des entsprechenden Marktes.

Beispiel: Büroimmobilienmarkt Braunschweig

Der Braunschweiger Markt für Büroimmobilien ist ein sehr gutes Beispiel für einen eher intransparenten Immobilienmarkt. Bis dato existieren nur sehr wenige öffentlich zugängliche Informationen über dieses Marktsegment. Dies hat in erster Linie mit dem recht begrenzten Umfang an Objekten und Akteuren zu tun, was den Büromarkt für institutionelle Investoren in der Vergangenheit eher unattraktiv gemacht hat. Ein Schicksal, welches Braunschweig mit vielen vergleichbar großen Städten teilt. Um die Attraktivität der Immobilienmärkte zu erhöhen, werden in verschiedenen Mittelstädten entsprechende Marktberichte von den lokalen Wirtschaftsförderungen herausgegeben. Sie sollen für Transparenz sorgen, die Vorzüge der stabilen Märkte hervorheben und zusätzliche Marktteilnehmer von außerhalb anlocken.

In der westfälischen Stadt Münster, die mit Braunschweig durchaus vergleichbar ist, aber einen deutlich agileren Büroimmobilienmarkt aufweist, wird ein entsprechender Marktbericht für Büroimmobilien seit gut 20 Jahren veröffentlicht.

Beim Immobilienfrühstück zu Beginn des Jahres 2015 kam folgerichtig die Frage auf, wie sich der Büromarkt in Braunschweig aktuell darstellt. Insbesondere die hohe Neubautätigkeit und der Einfluss des Volkswagen-Konzerns verursachen bei verschiedenen Marktteilnehmern eine zunehmende Unsicherheit. Deshalb wurde das Projekt „Büroimmobilienmarkt Braunschweig“ als private Initiative gestartet. Als wesentliche Zielsetzungen wurden die Veröffentlichung des 1. Büromarktberichts für die Stadt Braunschweig und die Schaffung eines Online-marktplatzes für Büroimmobilien definiert.

Fachlich versierte Partner aus den Bereichen Recht und Medien sowie ein Unterstützerkreis aus namhaften Immobilieneigentümern und immobilienaffinen Unternehmen, Institutionen und Verbänden konnten gewonnen werden, um qualitativ eine solide Basis an Daten zu erhalten und das Anliegen professionell zu kommunizieren.

Fundierte Aussagen über den Braunschweiger Büroimmobilienmarkt können nur auf Grundlage einer breiten und gesicherten Datenbasis getroffen werden. Daher wurde zunächst ein Objektkataster für Büroimmobilien erstellt, in dem über 1 300 Objekte mit Angaben zu Baujahren und abgeschätzten Mietflächen enthalten sind. Soweit möglich, wurden die Daten direkt von den Eigentümern zur Verfügung gestellt und um Angaben zu Mieten und Flächenqualitäten ergänzt. Als erstes Ergebnis wurde festgestellt, dass Braunschweig mit rund 2,1 Mio. m² über deutlich mehr Bürofläche verfügt als bisher bekannt. Die bisherige Angabe von 1,4 Mio. m² wurde um etwa 50 % übertroffen.

Auch die recherchierten Mieten weisen mit 3 Euro/m² bis 16 Euro/m² eine signifikant größere Spanne auf, als in den bisherigen Veröffentlichungen dargestellt. Darüber hinaus gibt es erstmalig Aussagen über den jährlichen Vermietungsumsatz und den tatsächlichen Leerstand von Büroflächen im Stadtgebiet. Die Übersicht von Flächen, welche sich im Bau befinden und projektiert sind, gibt einen Anhaltspunkt, wie sich das Angebot an Büros in den nächsten Jahren in Braunschweig verändern wird.

Diese Informationsbasis schafft für den Immobilieninvestor zusätzliche Transparenz. Er ist somit in der Lage, die Randbedingungen seiner Investition deutlich realistischer einzuschätzen. Allein die Kenntnis des jährlichen Vermietungsumsatzes in der Stadt kann zur Risikoabschätzung des eigenen Vermietungsvolumens herangezogen werden. Dabei gibt es einen deutlichen Unterschied, ob der Eigenanteil einen Promillewert ausmacht oder einen signifikanten Anteil am Gesamtumsatz. Eine wesentliche Triebfeder für die Wirtschaftlichkeit ist natürlich die erzielbare Miete. Und wurden bisher 11 Euro/m² als maximaler Mietpreis genannt, so ist es gut zu wissen, dass grundsätzlich auch höhere Mieten zu erzielen sind und unter welchen Bedingungen dies geschehen kann.

Alle diese Informationen werden zu Beginn des Jahres 2016 im 1. Büromarktbericht für Braunschweig veröffentlicht und kostenlos an Interessenten verteilt. Darüber hinaus wird auf der unter der Webadresse www.immobilien-regioker.de eine Plattform geschaffen, auf der Eigentümer und Verwalter ihre Objekte dauerhaft präsentieren und aktuelle Angebote veröffentlichen können. Außerdem werden kontinuierlich Informationen aus dem Büroimmobiliensektor zur Verfügung gestellt.

Braunschweig schließt auf

Mit dem 1. Büromarktbericht für Braunschweig wird eine Lücke geschlossen, wodurch es Braunschweig möglich ist, sich mit anderen Mittelstädten in Deutschland zu messen. Der Bürostandort Braunschweig wird zunehmend auf dem Radar auswärtiger Investoren erscheinen, die aufgrund des Angebotsmangels in den großen Ballungszentren mehr denn je gezwungen sind, in die B- und C-Standorte zu schauen und lu­krative Investitionsobjekte zu identifizieren.

Für den privaten Immobilieninvestor bleibt einmal mehr die Erkenntnis, dass sich der Wert der Immobilie nicht an den Steinen bemisst, sondern an den Chancen einer nachhaltigen Vermietung zu wirtschaftlich attraktiven Mieten. Die Entwicklungen des Marktes, sowohl auf der Mieter- als auch auf der Investmentseite, sollte daher kontinuierlich beobachtet werden, um das Chance-Risiko-Profil der Immobilieninvestition regelmäßig zu bestimmen und die eigene Strategie ggf. anzupassen. Dies ist aber nur mit einer hinreichenden Markttransparenz möglich. Andernfalls schmilzt das vermeintlich sichere Investment wie Eis in der Sonne.

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