Artikel erschienen am 25.12.2014
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Umsatzsteuer und Auslandsbeziehungen

Der Lockruf Europas mobilisiert den Fiskus

Von Anika Hertel, Braunschweig | Karin Kutz, Braunschweig | Dr. iur. Joachim Gulich, LL.M., Braunschweig | Dr. Steffen Helbing, LL.M., MBA, Braunschweig | Andreas Janßen, LL.M., Braunschweig

Auslandsbeziehungen von Unternehmen geraten unter umsatzsteuerlichen Aspekten verstärkt ins Visier der Finanzämter. Endete früher die Umsatzsteuer-Sonderprüfung an der deutschen Grenze, erstreckt sie sich heute weit darüber hinaus. Das Augenmerk der Prüfer ist stärker denn je auf die europäische Umsatzsteuer-Harmonisierung gerichtet.

Schon das Tagesgeschäft birgt zahlreiche steuerliche Stolperfallen. Doch welche umsatzsteuerlichen Fragen sind im Zeitalter zunehmender Globalisierung gesondert zu beachten?

1. Europäischer Versandhandel

Internetplattformen ermöglichen es jedem Unternehmen, via Onlineshop europaweit zu handeln. Geboten wird ein Rundumservice – steigende Umsätze werden versprochen, alles erscheint denkbar einfach. Der Teufel steckt im Detail: Die Steuerangelegenheiten bleiben Aufgabe der Unternehmen selbst. Bewusst fehlerhafte Umsatzsteuervoranmeldungen ziehen regelmäßig steuerstrafrechtliche Verfahren nach sich.

a. Direktversand durch einen eigenen Onlineshop an private Abnehmer im EU-Ausland

Die Abrechnung innergemeinschaftlicher Lieferungen (Lieferungen zwischen Unternehmern) ist dem europäisch handelnden Unternehmer hinreichend bekannt.

Dagegen sind die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen bei Verkäufen an private Abnehmer im EU-Ausland vielfach nicht präsent. Bestellt ein Kunde im unternehmenseigenen Onlineshop und wird die Ware aus Deutschland in das EU-Ausland verschickt, gilt die sog. „Versandhandelsregelung“ des UStG. Überschreitet der Unternehmer mit seinen Umsätzen in einem EU-Mitgliedstaat die dort festgelegte „Lieferschwelle“, muss er sich im Zielland der Lieferung für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen. Die jeweilige Umsatzsteuer ist dort anzumelden und abzuführen. Dabei sind oft zusätzliche – im Einzelfall abweichende – Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten bei Rechnungslegung und Rechnungserstellung zu beachten.

b. Versand an private Abnehmer unter Einbeziehung von Logistikunternehmen mit Lagerhaltung „vor Ort“

Wird dagegen Ware auf Vorrat in ein Warenlager im europäischen Ausland verbracht, ohne dass zu diesem Zeitpunkt ein Käufer feststeht, liegt darin ein dem eigentlichen Absatzgeschäft vorgeschaltetes „rechtsgeschäftsloses Verbringen“. Die Ware bleibt Eigentum des Verkäufers. Der Vorteil liegt auf der Hand. Lieferzeiten und Lieferwege zum Abnehmer verkürzen sich, der Kunde kann sein Paket früher in den Händen halten. Doch Vorsicht ist geboten: Die Ware befindet sich bei Abverkauf an den privaten Abnehmer bereits im europäischen Ausland. Der Versand beginnt nicht mehr in Deutschland, die Lieferschwellen der Versandhandelsregelung greifen nicht. Der Unternehmer schuldet die gesetzliche Umsatzsteuer nicht in Deutschland, sondern in dem EU-Mitgliedsstaat, in dem sich sein Warenlager befindet.

2. Europäischer Dienstleistungsverkehr

Auch im europäischen Dienstleistungsverkehr gibt es zahlreiche Tücken. Ob deutsches oder ausländisches Umsatzsteuerrecht anzuwenden ist, bestimmt sich bei Dienstleistungen im europäischen Ausland nach verschiedenen Kriterien. Zum einen ist die Art der Dienstleistung entscheidend, zum anderen, ob es sich bei dem Abnehmer um eine Privatperson oder um einen Unternehmer handelt. Obwohl es für Dienstleistungen an private Abnehmer und Unternehmer jeweils Grundregeln gibt, sind zahlreiche Sonderregelungen im Auge zu behalten.

a. Grundregeln des europäischen Dienstleistungsverkehrs

Bei Dienstleistungen an private Abnehmer im EU-Ausland hat der deutsche Unternehmer grundsätzlich die deutsche Umsatzsteuer auszuweisen und zu entrichten.

Werden Dienstleistungen für Unternehmer im EU-Ausland ausgeführt, ist prinzipiell der Unternehmer im EU-Ausland verpflichtet, die ausländische Umsatzsteuer anzumelden und abzuführen. Wird die Leistung dagegen für eine inländische Betriebsstätte des Auftraggebers erbracht, ist deutsche Umsatzsteuer fällig. Dies gilt selbst dann, wenn der Auftrag aus dem Ausland erteilt und die Rechnung entsprechend
adressiert ist.

b. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken im europäischen Ausland

Zahlreiche Spezialregeln überlagern die Grundregeln. Scheinbar einfach erscheint die Umsatzbesteuerung bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken. Es fällt stets die Umsatzsteuer des EU-Mitgliedstaates an, in welchem das Grundstück liegt. Dies zwingt den Unternehmer, der für private Abnehmer Dienste an Grundstücken leistet, sich im EU-Mitgliedsstaat des Grundstücks für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren zu lassen. Er hat die nationale Umsatzsteuer abzuführen und die dortigen Rechnungslegungs- und Aufzeichnungspflichten zu beachten. Probleme ergeben sich bei der Bestimmung, welche Dienstleistungen zu den Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück zählen. Dies sollte im Zweifel durch eine Beratung geklärt werden.

c. Neuregelungen bei elektronischen Dienstleistungen innerhalb Europas ab dem 01.01.2015

Für bestimmte, auf elektronischem Weg auszuführende Dienstleistungen an private Abnehmer gilt ab dem 01.01.2015 eine Neuregelung. Dies gilt z. B. für den Verkauf von Musik, E-Books, Apps und Filmen zum Download im Internet. Unternehmen, die diese Dienstleistungen erbringen, haben dann stets die Umsatzsteuer des EU-Mitgliedstaates zu berechnen, in dem der private Abnehmer wohnt. Konsequent müsste sich der Unternehmer in jedem EU-Wohnsitzstaat seiner Abnehmer für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen. Um dies zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, beim Bundeszentralamt für Steuern eine elektronische Erklärung für sämtliche innerhalb der EU erbrachten elektronischen Dienstleistungen abzugeben und die Umsatzsteuer insgesamt zu entrichten.

3. Vergangenheitsbewältigung – Konsequenzen bei fehlerhaften Umsatzsteuerabrechnungen

Was ist zu tun, wenn unzutreffend deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen wurde? Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Unternehmer die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer zwingend anzumelden und zu zahlen hat. Korrespondierend hat er die Möglichkeit, den unrichtigen Steuerbetrag gegenüber dem Abnehmer zu berichtigen. Im Voranmeldungszeitraum der Berichtigung erlischt die unrichtig ausgewiesene Steuerschuld. Voraussetzung der Berichtigung ist eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Abnehmer, aus der erkennbar ist, auf welche Rechnungen sich die Berichtigung bezieht. Die Berichtigungserklärung muss dem Abnehmer tatsächlich zugehen, dies muss der Unternehmer im Zweifel nachweisen.

Diese vermeintlich einfache Berichtigungsmöglichkeit kann gegenüber privaten Abnehmern eine große He-rausforderung darstellen. Der Unternehmer steht vor dem Problem, den jeweiligen Abnehmer wieder ausfindig zu machen. Gelingt ihm dies nicht, besteht keine Möglichkeit, die Steuer in Deutschland zu berichtigen. Bei Nachholung der Umsatzbesteuerung im EU-Ausland kann es folglich zu unangenehmen Doppelbelastungen kommen.

Das Ergebnis zukünftiger Prüfungen ist absehbar. Der deutsche Prüfer wird im Amtshilfeverfahren den berechtigten Steueranspruch anderer EU-Mitgliedstaaten feststellen. Die Erstattung unberechtigter deutscher Umsatzsteuer wird dagegen zeitraubenden Formalien und den Tücken der Verjährung unterliegen.

Die fehlende Umsatzbesteuerung im EU-Ausland kann zudem in Deutschland zu straf- oder bußgeldrechtlichen Konsequenzen führen. Durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung im EU-Ausland kommt eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung in Betracht, die nach den Vorschriften der deutschen Abgabenordnung geahndet werden kann. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer in Deutschland angemeldet und entrichtet hat.

Foto: Fotos: panthermedia/Andriy Popov

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