Artikel erschienen am 03.01.2015
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Liquiditätsoptimierung in Unternehmen

Sofort zahlen – Geld sparen!

Von Dipl.-Kfm. Dr. rer. pol. Ingo Lippmann, Braunschweig

Ausreichende und jederzeit verfügbare Liquidität ist die Grundvoraussetzung für jedes erfolgreiche Unternehmen. Gleichzeitig ist die Liquidität auch ein für Geschäftspartner sichtbares Zeichen der Bonität eines Unternehmens, sodass Zahlungsverzüge, die über das vom Geschäftspartner tolerierte zeitliche Maß hinausgehen, oft den ersten, deutlichen Rückschluss auf eine als nicht ausreichend unterstellte Bonität zulassen bzw. so gewertet werden. Auch viele professionelle Anbieter von Bonitätsauskunftsagenturen beobachten sehr genau das Zahlungsverhalten der Unternehmen und nutzen diese Information als einen von verschiedenen Indikatoren für die Bonitätseinschätzung. Doch wie kann ein Unternehmen nicht nur die ausreichende Liquiditätsversorgung im täglichen Geschäft sicherstellen, sondern darüber hinaus auch optimieren?

Instrumente für die Unternehmensliquidität

Grundsätzlich stehen jedem Unternehmen verschiedene Liquiditätsquellen zur Verfügung. Neben der Zuführung neuer Liquidität aus Gewinnen bzw. Eigenmitteln stehen in erster Linie die Kassen- bzw. Girokontenbestände zur Verfügung. Darüber hinaus gehören zu den Instrumenten der kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung

  • der Lieferantenkredit,
  • der Kontokorrentkredit und
  • der Verkauf von Forderungen (Factoring bzw. Forfaitierung).

Von diesen Instrumenten, so zeigt eine empirische Erhebung der Universität Potsdam aus dem Jahr 2011, ist der Lieferantenkredit bei mittelgroßen deutschen Unternehmen (Jahresumsatz zwischen 10 und 50 Mio. Euro und Mitarbeiteranzahl zwischen 50 und 249) eine der am häufigsten eingesetzten Instrumente der Liquiditätsschöpfung.1

Als Lieferantenkredit wird das Einräumen eines Zahlungsziels durch den Verkäufer verstanden. Damit besteht für das bestellende Unternehmen die Möglichkeit, die Zeit zwischen dem Einkauf der Ware, der Weiterverarbeitung, dem Verkauf und dem Zahlungseingang zumindest teilweise zu überbrücken. Ist die Zeit des Warenumschlags kurz und das vom Verkäufer gewährte Zahlungsziel lang, erscheint der Lieferantenkredit zunächst als vorteilhaft. Überdies steht er kurzfristig und ohne lange Bonitätsprüfung zur Verfügung. Ist er jedoch auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht vorteilhaft?

Die Wirtschaftlichkeit des Lieferantenkredites hängt von den Zahlungsalternativen ab. Gewährt der Verkäufer ein Skonto, so verliert der Lieferantenkredit schnell seine augenscheinliche Vorteilhaftigkeit: Ein gewährtes Skonto von z. B. 3 % bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen wirkt zwar auf den ersten Blick nicht besonders vorteilhaft, insbesondere dann nicht, wenn das Skonto mit Kontokorrentzinsen bei Banken von beispielsweise 12,5 % verglichen wird. Entscheidend ist aber hier, die Effektivzinssätze bezogen auf den gleichen Betrachtungszeitraum zu vergleichen. Verzichtet ein Kunde beispielsweise auf die Ausnutzung von 3 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen und nutzt dafür lieber ein Zahlungsziel von sechs Wochen, zahlt er einen effektiven Jahreszins für diesen Lieferantenkredit von 39 %. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Berechnung:
Es zeigt sich, dass es fast immer wirtschaftlich vorteilhafter ist, die Ware unter Ausnutzung von Skonto über einen Kontokorrentkredit zu bezahlen. Welche Beträge sich bei der wiederholten Inanspruchnahme von Skonti einsparen lassen, macht auch folgende Berechnung deutlich:

Beispiel

Ein Unternehmen bestellt Waren im Wert von 80 000 Euro. Der Verkäufer gewährt ein Zahlungsziel von sechs Wochen und räumt bei Zahlung innerhalb von vierzehn Tagen 3 % Skonto ein. Der Besteller bezahlt demnach unter Abzug von Skonto nach 14 Tagen 77 600 Euro (Skontovorteil: 2 400 Euro). Die 77 600 Euro finanziert er über seinen Kontokorrentrahmen, für dessen Nutzung seine Sparkasse oder Hausbank 12,5 % Zinsen p. a. verlangt. Benötigt der Unternehmer beispielsweise 50 Tage für die Weiterveräußerung, d. h. von der Rechnungsstellung vom Einkauf der Rohwaren bis zum Zahlungseingang des Verkaufspreises für das verkaufte Endprodukt, und nutzt er die 14-tägige Skontofrist voll aus, so muss er 36 Tage über seinen Kontokorrentkredit zwischenfinanzieren. Hierfür zahlt er Zinsen in Höhe von knapp 960 Euro. Damit hat er durch die Ausnutzung des Skontos bei diesem Bestellvorgang trotz Vorfinanzierung über den Kontokorrentkredit einen Betrag von 1 440 Euro gespart. Werden derartige Geschäfte beispielsweise acht Mal pro Jahr getätigt, dann erwirtschaftet der Unternehmer einen zusätzlichen Gewinn von über 11 500 Euro p. a. – allein durch Verwendung des Kontokorrentkredits anstelle des Lieferantenkredits. De facto ist der Gewinn sogar noch höher, da sich die Liquidität des Unternehmens durch die Gewinnspanne zwischen Ein- und Verkaufspreis erhöht und so nicht alle Einkäufe vollumfänglich über den Kontokorrentkredit finanziert werden müssen.

Die nachfolgenden Grafiken zeigen am obigen Beispiel die Gewinnverläufe aus der Skontoinanspruchnahme in Abhängigkeit von der Höhe des Kontokorrentzinssatzes bzw. in Abhängigkeit von der Finanzierungsdauer (siehe Abb. 1 und 2):

Abbildung 1

Abbildung 2

Anhand der Grafiken wird schnell deutlich, dass sich der Kontokorrentkredit gegenüber dem Lieferantenkredit auch bei relativ hohen Kontokorrentzinssätzen als wirtschaftlich vorteilhafter erweist. Allerdings zeigt Abb. 2 auch, dass der Kontokorrentkredit eher ein Instrument der kurzfristigen Liquiditätsüberbrückung ist. Sollten längerfristige Finanzierungen anstehen, ist eine Umfinanzierung von Kontokorrentkrediten in ein zinsgünstigeres Raten- oder Annuitätendarlehen anzustreben. Bei dieser Entscheidung können die Mitarbeiter der Sparkasse oder Hausbank kompetent unterstützen.

Als weitere Möglichkeit der kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung stehen den Unternehmen der Verkauf bzw. die Abtretung ihrer Kundenforderungen offen. Handelt es sich dabei um den laufenden Ankauf von kurzfristigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gegenüber einer Vielzahl von Kunden auf Grundlage einer langfristigen Rahmenvereinbarung, wird von Factoring gesprochen. Weitere Vorteile neben der sofortigen Liquiditätszuführung sind auch – sofern gewünscht – die Übernahme des Bonitätsrisikos durch den Forderungsankäufer sowie die Möglichkeit, die gesamte Debitorenbuchhaltung, einschließlich des Mahnwesens und des Inkassos, auszulagern. Diese Leistungen werden allerdings zusätzlich in Rechnung gestellt. Durch den Wandel von Forderungen in Kassenbestände, durch die wiederum Lieferantenskonti genutzt oder Darlehensverbindlichkeiten getilgt werden können, bietet das Factoring auch die Möglichkeit der Bilanzverkürzung und der Erhöhung der Eigenkapitalquote. Allerdings eignet sich das Factoring nicht für alle mittelständischen Unternehmen. Die meisten Factoringgesellschaften setzen voraus, dass die Unternehmen, die sich des Factorings bedienen, einen Jahresumsatz von mindestens 700 000 Euro erwirtschaften und die Rechnungsbeträge im Durchschnitt über 200 Euro betragen. Weiterhin sollte der Kundenstamm aus einem breit diversifizierten Kreis von Abnehmern bestehen. Unternehmen aus Branchen, in denen häufig Reklamationen stattfinden oder Voraus- bzw. Teilzahlungen üblich sind, können daher nur eingeschränkt das Factoring nutzen.

Eine andere Variante des Forderungsankaufs ist die Forfaitierung. Hier werden Einzelforderungen aus Lieferungen und Leistungen angekauft, wobei diese meist sehr große Volumina aufweisen, längere Zahlungsziele haben und i. d. R. aus dem Auslandsgeschäft stammen.

Fazit

Unternehmen stehen in Deutschland eine Vielzahl an Instrumenten zur kurzfristigen Liquiditätsoptimierung zur Verfügung. Hierbei handelt es sich i. d. R. um Instrumente, die kurzfristig benötigte Liquidität bereitstellen, welche z. B. aufgrund von saisonaler Schwankungen oder aufgrund des Unternehmenswachstums notwendig wird. Obwohl der Lieferantenkredit bei mittelgroßen Unternehmen oft sehr beliebt ist, lohnt es sich, z. B. mit seinem Sparkassen- oder Bankberater zu prüfen, ob nicht eine Erhöhung der Kontokorrentlinie zur Nutzung des Skontos beim Einkauf für das Unternehmen wirtschaftlich vorteilhafter ist. Als Faustregel sollte man sich vornehmen, im Rahmen der Jahresplanung zu überprüfen, ob aufgrund der aktuellen Wachstumszahlen eine Anpassung des Kontokorrentrahmens angebracht ist – denn wenn das geplante Umsatzwachstum eintritt, ist hinsichtlich der Ausnutzung entsprechender Skonti beim Einkauf meist Eile geboten. Da sich damit bares Geld sparen lässt und diese Optimierung sich auch positiv auf die Bonitätseinschätzung des Unternehmens im Wirtschaftsleben auswirkt, kann sich eine professionelle Beratung bei der Sparkasse oder Hausbank schnell auszahlen.

Fußnoten

1 Vgl. Hummel, Detlev: Mittelstands- und Innovationsfinanzierung in Deutschland, Potsdam 2011, S. 116.

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