Die Venture-Capital-Finanzierung
Von Dr. iur. Thies Vogel, BraunschweigDiese Art der Risikokapitalbeteiligung unterscheidet sich somit erheblich von einer klassischen Bankfinanzierung. Sie ist häufig bei einer Beteiligung an einem Start-up-Unternehmen oder bei Unternehmen, die erhebliche (Anfangs-)Investitionen vornehmen wollen/müssen. Das Risikokapital kann auf unterschiedliche Arten in das Unternehmen eingebracht werden. Dies hat konkrete Auswirkungen auf die vertragliche Vereinbarung zur Art und Weise des Investments, aber auch auf die gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Zielunternehmen. Dieser Artikel soll einen Überblick über verschiedene Szenarien bieten, in denen eine Venture- Capital-Finanzierung typischerweise vorkommt, und welche vertraglichen Gestaltungen zur Umsetzung notwendig sind.
Eine Venture Capital-Beteiligung lässt sich stichwortartig wie folgt umschreiben:
- Besonders kaptalintensiv sind häufig junge Unternehmen aus der Technologie- oder Medizinbranche sowie Unternehmen, die dem Forschungsbereich zuzuordnen sind.
- Da mangels banktypischer Sicherheiten eine klassische Finanzierung ausscheidet (Banken unterliegen eben strengen gesetzlichen Anforderungen), müssen andere Formen der Kapitalbeschaffung gewählt werden. Venture-Capital-Geber lassen sich im Gegenzug eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Unternehmen einräumen, deren Höhe Gegenstand der Verhandlungen ist und die von der konkreten Finanzierungssituation abhängt. Im Regelfall handelt es sich um eine Minderheitsbeteiligung, z. B. in klassischen Fällen in Höhe von 20 – 35 % an der Gesellschaft.
- Dem Risiko des Verlustes des eingesetzten Kapitals steht der künftige unternehmerische Erfolg gegenüber. Ziel des Venture-Capital-Gebers ist es in der Praxis, aus einem späteren erfolgreichen Verkauf der Beteiligung (sogenannter „Exit“) Gewinn zu erzielen und so das eingesetzte Kapital zu „verzinsen“. In erfolgreichen Fällen können erhebliche Gewinne erzielt werden, die das zur Verfügung gestellte Kapital um ein Vielfaches übersteigen.
- Venture-Capital-Geber müssen nicht zwingend Geld zur Verfügung stellen. Oftmals wird von erfahrenen Unternehmern geschäftliches und/oder betriebswirtschaftliches Know-how und in nicht unerheblichem Maße Arbeitszeit angeboten. Begrifflich spricht man dabei von sogenanntem „intelligenten Kapital“ oder „smart capital“. In vielen praktischen Fällen lassen sich Kapitalbeschaffung und Einsatz von Know-how durch Venture-Capital-Geber nicht trennen.
- Gesellschaftsrechtlich wird das Engagement der Risikokapitalgeber durch die Einräumung einer Beteiligung, aber auch durch Mitspracherechte (Informations- und Kontrollrechte) abgesichert.
Den Venture-Capital-Gebern ist eines jedoch immer klar:
Die Beteiligung ist mit einem hohen Risiko verbunden, da der Erfolg der unternehmerischen Entwicklung nicht absehbar ist. Dies kann im schlechtesten Fall zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen. Auf der anderen Seite besteht indes die Chance, dass sich bei einem Erfolg der Unternehmung sehr hohe Renditen/Gewinne im Fall des Verkaufs der Beteiligung realisieren lassen.
Venture Capital stellt somit keinen klassischen Kredit dar, sondern ist mehr eine Art „Entwicklungshilfe“ für Unternehmensideen. Zwischen folgenden vier Einstiegsszenarien wird allgemein differenziert:
Startkapital
Zu Beginn eines unternehmerischen Handelns wird Startkapital benötigt. In dieser Phase (auch „Seed-Finance- Phase“ genannt) werden finanzielle Mittel z. B. für Forschung und Entwicklung des Produktes benötigt. Ziel ist in dieser Phase, ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Marktreife zu führen. Ein Investor fordert nach praktischer Erfahrung zu diesem Zeitpunkt wegen des hohen wirtschaftlichen Risikos eine hohe Beteiligungsquote, was grundsätzlich akzeptiert wird, da das Projekt mangels Finanzierungsalternativen sonst nicht ins Laufen kommt.
Abschluss Produktentwicklung
Nach dem Abschluss der eigentlichen Produktentwicklung wird in der „Early-Stage-Phase“ Kapital für Tests, z. B. klinische Studien in der Pharma- oder Biotechnologiebranche oder für technische Modelle/Formen benötigt. Ferner stellt sich die Frage, wie Produktionskapazitäten finanziert werden. Der geschäftliche Erfolg steht jedoch auch in dieser Phase noch „in den Sternen“, sodass das Risiko für den Venture-Capital-Geber hoch bleibt.
Wachstumsphase
Nach dem Erreichen der Marktreife des Produkts (sogenannte „Later-Stage-Phase“) wird Kapital für den Ausbau der Produktions- und insbesondere der Vertriebskapazitäten benötigt. Der Venture-Capital-Geber kann zu diesem Zeitpunkt durch Marktanalysen sein Risiko besser abschätzen als in den vorausgegangen Phasen. Oftmals werden in der Praxis daher auch verschiedene „Finanzierungsrunden“ vereinbart. Dies bedeutet, dass ein Venture-Capital-Geber erst dann weiteres Geld investiert, wenn die vorausgegangenen unternehmerischen Ziele („Meilensteine“) erreicht worden sind.
Letzte Phase: Exit
Das Ziel der Venture Capital-Geber ist die gewinnbringende Veräußerung ihrer Beteiligung, auch „Exit“ genannt. Der Investor verkauft seine Anteile z. B. an der Börse, an Unternehmen oder bietet sie gar dem Unternehmer/anderen Gesellschaftern zum Rückkauf an. In der Praxis wird zeitlich oftmals im Voraus festgelegt, innerhalb welchen Zeitraums ein „Exit“ erreicht werden soll. Üblich ist z. B. ein Zeitraum von 2 – 10 Jahren.
Vertragsgestaltung
Um in allen Phasen sowohl als Investor, als auch als Unternehmensinitiator/Gründer abgesichert zu sein, wird in der Praxis eine umfassende Vertragsgestaltung vorgenommen. Der Beteiligungsvertrag und die Gesellschaftervereinbarung bieten hier schon große Herausforderungen. Die Konditionen sind aber überwiegend Gegenstand wechselseitigen Verhandelns. Die Unternehmer verfolgen oftmals die Idee, das Produkt unbeeinflusst fortführen zu können. Die Investoren wollen ihr Investment für den Fall des Erfolges absichern und vorrangig auf den Erlös zugreifen können, auch Erlöspräferenz genannt. Finden mehrere Finanzierungsrunden mit unterschiedlichen Investoren statt, ist eine Reihenfolge der Erlöspräferenzen abzustimmen. Grundsätzlich erhält der zeitlich zuletzt hinzutretende Investor als Erster sein Investment zurück („Last in – First out“).
Fazit
Venture-Capital-Beteiligungen können für Start-up-Unternehmen und risikobewusste Investoren ein lohnendes Geschäft sein. Voraussetzung ist, dass die vertraglichen Vereinbarungen und die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen so ausgewogen ausgestaltet werden, dass Gründer und Investoren sich nicht gegenseitig hindern. Die praktische Erfahrung zeigt aber, dass oftmals der notwendige Gestaltungsspielraum der Unternehmer zu sehr eingeschränkt wird, weil die „Erfolgskontrolle“ der Investoren tatsächlich/rechtlich zu sehr dominiert. Je nach Einzelfall und Geschäftsmodell ist daher auf eine sehr sorgsame vertragliche/gesellschaftsrechtliche Gestaltung zu achten.