Artikel erschienen am 01.12.2012
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Schweigen ist silber, Vorbereitung ist gold

Verhaltenshinweise und Präventionsmaßnahmen im Strafverfahren

Von Christian Ballasch, Braunschweig | Jan Hahlweg, Braunschweig

Die Situation ist unangenehm: Die Polizei erscheint bei Ihnen zu Hause oder in der Firma und will mit Ihnen „kurz einen Sachverhalt klären“. Noch schlimmer ist es, wenn die Polizei einen Durchsuchungsbeschluss vorlegt und die Privat- und Geschäftsräume durchsucht.

Wie kann es dazu kommen?

Die Vorfeldermittlungen der Ermittlungsbehörden sind regelmäßig noch lückenhaft und unvollständig. Somit kann es jeden – ob schuldig oder unschuldig – treffen. Anhaltspunkte für Ermittlungen sind häufig (anonyme) Anzeigen oder Hinweise. Diese können beispielsweise von neidischen Nachbarn, Konkurrenten oder auch Mitarbeitern stammen. Im Bereich der Wirtschaftsstraftaten erlangen die Ermittlungsbehörden ihre Erkenntnisse aus Betriebsprüfungen, Kontrollmitteilungen, Steuer-CDs und den Auswertungen der Geschäftsvorfälle. Selbst wenn die eigenen Unterlagen „sauber“ sind, kann beispielsweise ein Fehlverhalten von Geschäftspartnern zu Verdachtsmomenten führen, die sich auch gegen einen selbst richten.

Es kommt daher gar nicht so selten vor, dass man sich völlig unerwartet einer solchen Situation ausgesetzt sieht.

Was geht einem durch den Kopf?

Aus zahlreichen Gesprächen mit Mandanten können wir sagen, dass einem Betroffenen in einer solchen Lage oftmals folgende Gedanken durch den Kopf gehen:

  • Ich muss die Angelegenheit schnellstmöglich klären, ich will die Sache so schnell wie möglich vom Tisch haben!
  • Wenn ich jetzt sage, dass ich nichts sagen will, erweckt das doch den Anschein, als hätte ich etwas zu verbergen!
  • Das gilt erst recht, wenn ich sage, dass ich mich erst mit meinem Anwalt besprechen will.
  • Ich kann die Situation vielleicht entschärfen, indem ich mich uneingeschränkt kooperativ zeige!
  • Wenn ich alles tue, was man von mir will, lässt man mich am ehesten wieder in Ruhe!

Wie verhält man sich am besten?

Das Erscheinen der Ermittlungsbehörden ist eine außergewöhnliche Situation. Instinktiv neigt nahezu jeder dazu, sich gegen einen Vorwurf zu verteidigen – gerade wenn dieser Vorwurf unberechtigt erscheint. Dies führt häufig dazu, dass bereits ganz am Anfang eines Strafverfahrens Fehler passieren, die sich im weiteren Verfahren nicht oder nur schwer korrigieren lassen. Der Polizeibeamte, der nach Ihnen verlangt, hat einen Wissensvorteil: Er weiß, was er von Ihnen will. Sie wissen das noch nicht. Will er Sie als Zeugen sprechen oder als Beschuldigten? Abhängig davon haben Sie völlig unterschiedliche Rechte.

Gegenüber der Polizei müssen sowohl der Zeuge, als auch der Beschuldigte keine Angaben machen. Letzterer hat im gesamten Strafverfahren ein umfassendes Schweigerecht. Sofern ein Betroffener über seinen Status im Unklaren gelassen wird, er sich aber „spontan“ zu Vorwürfen äußert, sind diese Angaben häufig dennoch verwendbar!

Der Zeuge

Auch für den Zeugen bestehen Risiken. Eine unbedachte Aussage – gerade bei komplexen Vorwürfen – kann dazu führen, dass sich der Status ändert und aus dem Zeugen plötzlich ein Beschuldigter wird. Der Zeuge hat ebenfalls einen Anspruch auf rechtlichen Beistand. Er sollte im Zweifelsfall mit seinem Anwalt abklären, welche Gefahren bestehen, selbst in den Fokus der Ermittler zu geraten, und wie diesen zu begegnen ist.

Für Zeugen besteht zudem bei allzu sorgloser Verdächtigung anderer Personen die Gefahr, sich selbst strafbar zu machen.

Der Beschuldigte

Wie bereits ausgeführt, ist der Beschuldigte in der Ausgangssituation in einem deutlichen Wissensnachteil. Im Strafverfahren gilt es, diesen erst einmal aufzuholen.

Abzuklären ist:

  • Was wird mir vorgeworfen?
  • Auf welche Beweismittel (z. B. Zeugen) wird der Vorwurf gestützt?
  • Reichen die Beweismittel überhaupt aus, den strafrechtlichen Vorwurf zu begründen?

Ein Verteidiger wird immer, bevor er für seinen Mandanten Angaben zur Sache macht, Akteneinsicht nehmen, um diese Fragen abzuklären.

Dabei kann es z. B. sein, dass die Ermittlungsbehörde im Laufe des Verfahrens einen milderen Vorwurf annimmt, als sie es zunächst getan hat. Dann muss sich „nur“ noch gegen diesen verteidigt werden.

Der Verteidiger kann ersehen, wer Strafanzeige gestellt hat. Möglicherweise ist es der Konkurrent oder der Nachbar, der seit Langem angekündigt hatte, Ihnen „Ärger einzuhandeln, den Sie nicht so schnell vergessen werden“.

Der spezialisierte Verteidiger kann nach erfolgter Akteneinsicht beurteilen, ob der Betroffene weiter zum Vorwurf schweigen oder eine Stellungnahme abgeben sollte. „Richtiges“ Schweigen ist Verteidigung!

Sofern sich der Betroffene zu früh zum Vorwurf äußert, beraubt er sich dieser Verteidigungsmöglichkeit.

Präventionsmaßnahmen/Compliance

Wie man sich auf mögliche strafrechtliche Ermittlungen vorbereitet, hängt von den persönlichen Lebensumständen ab.
Für den Privatmann wird es ausreichen, wenn er keine Angaben zur Sache macht und gleich zu Beginn des Verfahrens auf anwaltliche Hilfe zurückgreift.

Für den Unternehmer ist es hingegen ratsam, weitreichendere Maßnahmen zu ergreifen. Solche vorbeugenden Maßnahmen werden oftmals auch als „Compliance“ bezeichnet.

Der erste Schritt hierzu ist eine Risikoanalyse. Bin ich „nur“ privat oder auch unternehmerisch tätig? In welcher Branche bin ich tätig? Beschäftige ich Mitarbeiter? Mache ich Auslandsgeschäfte? Bin ich steuerlich gut beraten?

Ein Unternehmer sollte sich damit beschäftigen, welchen spezialisierten (Wirtschafts-) Strafrechtler man im Fall der Fälle anruft. Nichts ist schlimmer, als bei einer Durchsuchung nicht zu wissen, wen man anrufen soll. Es kann helfen, auch ohne konkreten Anlass, einen Anwalt anzusprechen und mit diesem zu klären, ob er der richtige Ansprechpartner wäre. Bei dieser Gelegenheit kann sich der Unternehmer dem Anwalt vorstellen, auf Besonderheiten der eigenen Situation oder des Betriebs hinweisen und Kontaktdaten hinterlegen.

Auch kann es sinnvoll sein, sich mit der Durchsuchungssituation zu beschäftigen und einfache Grundregeln zu verinnerlichen. Dies sollte ggf. auch mit Mitarbeitern besprochen werden.

Sollte die Analyse Ihres Betriebes ergeben, dass ein erhöhtes Risiko für die Verwicklung in Straftaten besteht, ist die Einrichtung eines Compliance-Systems angezeigt. Hierbei werden Strukturen zur Einhaltung von Gesetzen, Regeln und Richtlinien erarbeitet. Solch ein Compliance- System schützt den Unternehmer auch vor weiteren Schäden: Sofern Mitarbeiter Gesetze verletzt haben, eröffnet § 130 OwiG die Möglichkeit, Bußgelder bis zu einer Höhe von 1 Mio. Euro gegen den Unternehmer festzusetzen und den Gewinn aus der Straftat abzuschöpfen. Hiergegen kann sich der Unternehmer jedoch verteidigen, indem er auf getroffene Präventionsmaßnahmen verweist.

Verhalten bei Durchsuchungen

  • Durchsuchungsbeschluss vorlegen lassen: Hieraus ist ersichtlich, welcher Vorwurf Ihnen gemacht wird und was beschlagnahmt werden soll.
  • Keinen Widerstand leisten: Widerstand ist in dieser Situation zwecklos. Hat die Durchsuchung begonnen, kann sie nicht mehr aufgehalten werden. Sie würden sich nur in die Gefahr begeben, sich strafbar zu machen.
  • Rufen Sie Ihren (Wirtschafts-)Strafverteidiger an: Diesen sollten Sie nach Möglichkeit vorher schon kennen. Ein Anruf darf Ihnen nicht verwehrt werden. Dieser wird auch mit den Ermittlungsbeamten sprechen und die Weichen dafür stellen, dass Sie später optimal verteidigt werden können.
  • Keine Aussage machen. Berater nicht von der Verschwiegenheit entbinden.
  • Nichts freiwillig herausgeben: Geben Sie die beschlagnahmten Unterlagen nicht freiwillig heraus. Sie sollten in jedem Fall der Beschlagnahme widersprechen und darauf achten, dass dies auf dem Beschlagnahmeformular richtig vermerkt wird.
  • Zufallsfunde vermeiden: Sofern nach bestimmten Unterlagen oder Dingen gesucht wird, zeigen Sie diese auf. Im Normalfall werden diese Unterlagen sowieso gefunden. Sind die Ermittlungsbehörden gezwungen, diese zu suchen, begeben Sie sich in die Gefahr, dass noch weitere Zufallsfunde gemacht werden.

Foto: Panthermedia

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