Artikel erschienen am 01.12.2011
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Innovationsfinanzierung im Mittelstand

Vom ersten Geistesblitz bis zur Markteinführung

Von Karsten Probst-Lobermeier, Braunschweig | Dipl.-Betriebswirt Andreas Wojciechowski, Braunschweig

Martin Heinen führt seit 15 Jahren ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen. Seit der Gründung der HMB GmbH war sein Credo stets „Wachstum durch Innovation“. Heinen versuchte grundsätzlich, den Bedarf seiner Kunden frühzeitig zu entdecken und noch vor der Konkurrenz zu bedienen. Kein Wunder also, dass von den 70 Mitarbeitern im Unternehmen allein 20 im Bereich Konstruktion beschäftigt sind. Damit der Konstruktions­bereich durch die operativen Anforderungen aus dem Tagesgeschäft nicht vernachlässigt wird, wurde von Heinen bereits vor Jahren ein quartalsweiser F & E-Jour-fixe ins Leben gerufen, um sich laufend zu neuen Ideen und Technologien auszutauschen.

Ein ebensolches Meeting hatte der Unternehmer soeben verlassen. Wie gewohnt, hatte ihn der Konstruktionsleiter mit positiven Nachrichten überraschen können. Neu war die Dimension, die das aktuelle Projekt annehmen sollte: Das Starprodukt der HMB GmbH, eine Fertigungsanlage für die Automobilbranche, sollte eine technologische Grund­erneuerung erfahren. Die neue Anlagengeneration würde auf einem revolutionären Technologieansatz beruhen und dürfte bei halber Baugröße einen um 20 % höheren Output erreichen. Der Investitionsbedarf für das Entwicklungs­vorhaben betrug laut erster Kalkulation 530 000 Euro – in dieser Größenordnung hatte HMB noch nie in eine neue Produktidee investiert. Bei erfolgreicher Umsetzung würde HMB einen weltweit einmaligen Wettbewerbsvorteil erlangen, der einen Umsatzanstieg von 4 Mio. Euro pro Jahr nach sich ziehen dürfte.

Technisches Risiko

Jedoch standen diesen Chancen zwei Wermutstropfen gegenüber: Zum einen unterlag die Umsetzung des neuartigen Antriebskonzepts nach Einschätzung des Entwicklerteams erheblichen technischen Risiken, zum anderen reagierte die Hausbank vermutlich aufgrund der zunehmenden Auftragsvorfinanzierung bei Finanzierungsfragen in den letzten Gesprächen eher verhalten.

Heinen hatte sich auf einem Notizzettel die wichtigsten finanziellen Parameter der Entwicklung notiert, kalkulierte diese nach und kam für sich zu dem Schluss, dass er diese Maschine haben musste:

Finanzierungsbedarf Neuentwicklung HMB GmbH
Personal (40 Personenmonate à 5 .000 Euro) 200 000 Euro
Bauteile, Material und Nebenkosten 250 000 Euro
Aufträge an zwei externe Ingenieurbüros 20 000 Euro
Anmeldung eines Patents nach Abschluss der Entwicklung 40 000 Euro
Einbindung eines Strategieberaters im Rahmen der Markteinführung 20 000 Euro
Summe 530 000 Euro

Einbindung der Hausbank

Martin Heinen war auch am nächsten Morgen noch begeistert. Er leitete sämtliche Unterlagen an den kaufmännischen Leiter seines Unternehmens weiter, damit dieser einen kurzfristigen Termin mit der Hausbank vereinbaren konnte. Das Vorhaben, so Heinens Überzeugung, musste einfach durch den langjährigen Finanzierungspartner begleitet werden. Die Vorteile und Chancen lagen auf der Hand.

Sein Firmenkundenberater Karsten Schneider konnte sich dem grundsätzlich anschließen. Er befürworte ein solches Vorhaben, erklärte Heinen aber auch, dass er das Projekt nicht in voller Höhe von 530 000 Euro finanzieren könne. Die HMB GmbH habe bereits sehr viel Kreditmittel im Rahmen der laufenden sowie der Auftragsvorfinanzierung in Anspruch genommen.

Dennoch zeigte sich der Banker bereit, das Vorhaben mit einer 25 %igen Anteils­finanzierung zu begleiten, wenn die HMB GmbH die übrigen 75 % selbst aufbringen könne. Die 25 %-Finanzierung könne er sich sowohl zinsgünstig aus einem KfW-Programm als auch aus Haus­bankmitteln vorstellen.

ZIM-solo

75 % oder knapp 400 000 Euro selbst aufbringen müssen? War dies das Ende des Vorhabens? Heinen rief noch am gleichen Tag seinen Ansprechpartner der Strategie­beratung an, auf deren Know-how er für die Begleitung der Markt­einführung hatte zurückgreifen wollen. Beide hatten einen Termin für die kommende Woche vereinbart, um eine mögliche Zusammenarbeit abzustimmen. Anstatt der erwarteten fünf Minuten dauerte das Telefonat fast eine Stunde. Sein Gesprächspartner hatte ihm von einer möglichen Alternative berichtet, welche die Chance des Vorhabens erhöhen sollte.

Im sich eine Woche später anschließenden Beratungsgespräch erfuhr der Unternehmer, dass eine Einbindung öffentlicher Finanzierungsmittel durchaus eine Option sein könnte. So erfuhr er von dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), über welches das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gezielt kleine und mittlere Unternehmen bei F&E-Aktivitäten unterstützt. Im Gespräch konnten die Bedingungen einer solchen Förderung herausgearbeitet werden: Der Innovationscharakter des Projektes und sein nachhaltiger Mehrwert für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, aber auch ein erhebliches technisches Risiko, schienen grundsätzlich gegeben.

Anforderungen an die Antragstellung

In der Antragstellung für eine ZIM-Förderung ist im ersten Schritt die Unternehmens­entwicklung und das bestehende Geschäftsmodell zu erläutern. Neben der allgemeinen Geschäftstätigkeit ist für den Fördergeber auch die Umsatz- und Ergebnisentwicklung der Vergangenheit von Interesse. Im zweiten Schritt wird der derzeitige Stand der betreffenden Technologie beschrieben, um dieser Ist-Betrachtung den zukünftig angestrebten Stand folgen zu lassen. In diesem Zusammenhang sind wesentliche technische, aber auch mögliche wirtschaftliche Risiken zu erläutern. Projekte ohne erhebliches technisches Risiko sind praktisch nicht förderfähig. In einem dritten Schritt werden die erwarteten technischen und wirtschaftlichen Auswirkungen bei erfolgreichem Abschluss des Vorhabens dargestellt: Wie verändert sich die Marktstellung, welche Umsatz- und Deckungsbeitragsverbesserungen können in den kommenden drei bis vier Jahren erwartet werden? In einem vierten Schritt sind die geplanten Arbeitspakete des Entwicklungs­projekts detailliert zu erläutern. Wichtig ist hierbei, dass die jeweiligen Paketziele, die fachlich-technische Vorgehensweise, die geplanten Verfahren, aber auch die messbaren Kriterien eines erfolgreichen Abschlusses der Teilpakete so definiert und erläutert werden, dass sich ein fachkundiger Dritter hineindenken kann. Im fünften Schritt ist ein Konzept zur Markteinführung und zur Erfolgsmessung anhand nachprüfbarer, möglichst objektivierbarer Meilensteine zu erstellen. Im sechsten Schritt ist die – zunächst aus Unternehmenssicht – bestehende Schutzrechtssituation zu beschreiben, aus der hervorgehen muss, dass zumindest auf Basis der derzeitigen intern sorgfältig recherchierten Erkenntnisse keine Verletzung von Patenten oder anderen Rechten ersichtlich ist und das Unternehmen im Fall eines Projekterfolgs selbst die Anmeldung von Schutzrechten in Erwägung zieht. Zusammen mit dem Formularantrag samt Anlagen umfasst ein ZIM-Antrag durchaus 40 – 60 Seiten. Der Vorbereitungs-, Erstellungs- und Abstimmungsprozess kann unterstützend durch spezialisierte Berater erleichtert werden.

Finanzierungsbaustein ZIM

Abb. 1: Bausteine nach Hausbank und ZIM

Die Finanzierung unter Einbindung der Fördermittel sollte wie folgt strukturiert werden: Im ersten Schritt war die Höhe der förderfähigen Kosten zu bestimmen. An ihr orientiert sich, wie hoch der maximal einzuwerbende Zuschuss für die Entwicklungs­leistungen ausfallen kann.

  • Die Personalkosten (Arbeitnehmerbrutto) von 200 000 Euro werden zu 100 % zu den förderfähigen Kosten gerechnet.
  • Übrige Kosten, z. B. für Gemeinkosten, aber auch Bauteile oder Material, können maximal in gleicher Höhe wie die Personalkosten in die Kalkulation einfließen (ebenfalls 200 000 Euro).
  • Die Unteraufträge an zwei externe Ingenieurbüros (20 000 Euro) sollten ebenfalls komplett angerechnet werden (dies ist bis zu 25 % der Personalkosten möglich).
  • Da die Begrenzung des ZIM-förderfähigen Gesamtbetrags bei 350 000 Euro liegt, konnte nicht der komplette Betrag von 420 000 Euro als Bemessungsgrundlage der Förderung angerechnet werden.
ZIM-förderfähige Investitionskosten Neuentwicklung HMB GmbH
Personal (40 Personenmonate à 5 000 Euro) 200 000 Euro
Bauteile, Material und Nebenkosten 200 000 Euro
Aufträge an externe Ingenieurbüros 20 000 Euro
Summe 420 000 Euro
Maximale ZIM-förderfähige Höhe 350 000 Euro

Da die HMB GmbH aufgrund ihrer Mitarbeiterzahl (> 50) bereits als ein mittleres Unternehmen gewertet wird, kann sie einen Zuschuss von maximal 35 % der förderfähigen Ausgaben beantragen (122 500 Euro). Für kleine Unternehmen wäre ein Zuschuss von bis zu 40 % möglich gewesen.

Gesamtvolumen 530 000 Euro
Hausbank 132 500 Euro
ZIM 122 500 Euro
noch offen 275 000 Euro

Ausgewogener Finanzierungsmix

Der über ZIM grundsätzlich darstellbare Zuschuss von 122 500 Euro würde den weiteren Finanzierungsbedarf auf 275 000 Euro senken. Martin Heinen ermittelte einen Betrag von rund 100 000 Euro, den das Unternehmen 2012 aus dem Cashflow zum Vorhaben beisteuern könnte. Entsprechend verblieb eine Finanzierungslücke von 175 000 Euro. Im Rahmen der weiteren Gespräche zur Finanzierungsstrukturierung wurde durch den Strategieberater die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen (MBG) ins Gespräch gebracht.

Abb. 2: Finale Finanzierungsbausteine

Diese könne über eine stille Beteiligung den Finanzierungsbedarf gegebenenfalls decken. Das Angebot der MBG richte sich u. a. an innovative und wachstumsstarke Unternehmen, die für den weiteren Ausbau der Marktstellung langfristiges Kapital benötigten. Für die Finanzierung des Vorhabens sollten 175 000 Euro eingeworben werden, die dem Unternehmen für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung stünden.

Mithilfe der MBG-Beteiligung sowie der Eigenmittel belief sich die Gesamtfinanzierung auf 397 500 Euro (75 %) des Investitionsbedarfes. Die Hausbank, dessen war sich Heinen nun sicher, würde also problemlos weitere 132 500 Euro zum Vorhaben beisteuern.

Geplante Finanzierungsstruktur Neuentwicklung HMB GmbH
Baustein 1: ZIM 122 500 Euro
Baustein 2: MBG 175 000 Euro
Baustein 3: Cashflow 100 000 Euro
Baustein 4: Hausbank 132 500 Euro
Gesamtfinanzierung 530 000 Euro

Komplexe Projekte mit hohen Investitionskosten bei einem gleichzeitig bestehenden technischen Risiko machen in der Regel eine Finanzierungs­struktur erforderlich, die nur schwer allein auf Fremdkapital aufzubauen ist. Erfolg­ver­sprechender ist erfahrungsgemäß ein optimaler Finanzierungsmix aus Eigenkapital, Fremdkapital und möglichen Zu­schüs­sen. Die ausgewogene Struktur ermöglicht nicht nur die Nutzung von Zuschüssen, sondern trägt auch zur Verteilung des Entwicklungsrisikos bei – potenzielle Finanzierungs­partner stehen dem Vorhaben dann in vielen Fällen weniger kritisch gegenüber. Selbstverständlich nimmt die Komplexität bei der Umsetzung der Gesamt­finanzierungs­struktur zu, weshalb vielfach eine externe Unterstützung durch Berater den Erfolg des Vorhabens erhöht. Sie macht die Umsetzung solcher Vorhaben oft erst möglich.

Förderberatung vor Beginn des Vorhabens

Kleine und mittlere Unternehmen, die Entwicklungsvorhaben planen, sollten unbedingt rechtzeitig vor dem Maßnahmenbeginn die Zuschuss- und Kreditfördermöglichkeiten prüfen lassen. Unterschiedliche Programme

  • der NBank (u. a. Innovationsförderprogramm Forschung und Entwicklung),
  • der KfW (u. a. ERP-Innovationsprogramm I und II),
  • des Bundeswirtschaftsministeriums (u. a. ZIM-solo und ZIM-koop)
  • oder auch des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (u. a. KMU-innovativ)

bieten interessante Förderungen. Die Beantragung, Kombination, der Abruf und die Projektdokumentation können dabei durch spezialisierte externe Dienstleister unterstützt werden, um die Bewilligungschancen zu erhöhen und das Unternehmen im formellen Antrags- und Abstimmungsprozess zu entlasten.

ZIM: Mittelabrufe und Verwendungsnachweis

Die bürokratischen Anforderungen an die jeweiligen ZIM-Mittelabrufe (zumeist im 3-Monats-Rhythmus) sowie an den abschließenden Verwendungsnachweis wurden durch das Bundeswirtschaftsministerium als Zuschussgeber in den letzten Jahren deutlich vereinfacht. Die Dokumentation und die Erläuterungen können inzwischen stark formular­basiert erfolgen. Auch dies entspricht der pragmatischen und ergebnisorientierten Arbeitsweise im Mittelstand und hat auf diese Weise erheblich zur Akzeptanz des Programms in kleinen und mittleren Unternehmen beitragen können.

Fazit

Die Fallstudie zeigt, dass umfassende F&E-Projekte im Mittelstand durch verschiedene intelligente Finanzierungsbausteine dargestellt werden können, ohne die Bilanzstruktur negativ zu beeinflussen. So könnte im vorgestellten Fall das Gesamtvolumen von 530 000 Euro anhand der Bausteine

  • ZIM (122 500 Euro nicht rückzahlbarer Zuschuss)
  • MBG (175 000 Euro stille Beteiligung mit Rangrücktritt)

zu 297 500 Euro oder 56 % durch eigenkapitalähnliche Instrumente finanziert werden.

Nach der Bewilligung des ZIM-Zuschusses für das Entwicklungsvorhaben selbst beantragte die HMB GmbH erfolgreich einen zusätzlichen Zuschuss aus dem ZIM-DL-Programm, um die Beratungskosten für den Patentschutz sowie für die Entwicklung der Geschäftsfeld- und der Vertriebsstrategie zu 50 % fördern zu lassen.

 

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