Artikel erschienen am 01.12.2011
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Es kann jeden treffen!

Hausbesuch von der Steuerfahndung

Von Dipl.-Volkswirtin Iris Kirsten, Braunschweig | Dr. iur. Paul-Frank Weise, Braunschweig

Das kennt jeder: Neidische Nachbarn, Spannungen mit Mitarbeitern, Partnerkonflikte, unfaire Konkurrenten, Kontrollmitteilungen, Auswirkungen einer Betriebsprüfung, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten. Solche und andere Anlässe können Auslöser eines Besuchs der Steuerfahndung sein. Sie ist bekannt für unangemeldete Hausbesuche. Es kann jeden treffen. In der Praxis kann es durchaus zu Fällen kommen, in denen die Unschuld erst Jahre später und nach belastenden und aufwendigen Verfahren festgestellt werden kann. Zu bedenken ist, dass nicht jede fehlerhafte Steuererklärung automatisch eine Straftat darstellt.

Häufig denkt der Steuerpflichtige oder der Unternehmer: „Ich hab doch alles richtig gemacht, mir kann nichts passieren.“ Weit gefehlt. Es lohnt sich, sich mit dem Thema Steuerstrafrecht zumindest in Grundzügen zu befassen. Was sollte man wissen?

Wen kann es treffen?

Die Komplexität des Steuerrechts trifft jeden. Erhöhte Risiken können sich bei hohen Einkünften, auffälligem Lebensstandard, verschiedenen Einkommensarten, Zugehörigkeit zu einer gestaltungsauffälligen Branche, verspäteter Abgabe von Steuererklärungen, erhöhten Auslandskontakten, spannungsgeladenem Umfeld (verärgerte Mitarbeiter / Konkurrenten / Partner, missgünstige „Freunde“ oder Familie etc.) und anlässlich von Außenprüfungen ergeben.

Was kann ich vorsorglich tun? Wie verhalte ich mich unauffällig?

Möglichst wenig Angriffsfläche bieten: Hierzu gehört insbesondere, steuerliche Pflichten zu erkennen und bestmöglich zu erfüllen. Häufig bedarf es bereits eines Steuerberaters, allein um derartige Pflichten oder Besteuerungstatbestände zu erkennen, die ein Normalbürger gar nicht für möglich gehalten hätte. Insbesondere die Formvorschriften im Umsatzsteuerrecht überraschen den Unternehmer infolge ihrer kaum noch zu durchschauenden Komplexität und Starrheit und können zu Regelwidrigkeiten führen, auch wenn diese gar nicht beabsichtigt waren.

Alarmzeichen: Wann sollte ich hellhörig werden?

Wenn ich mich permanent anders verhalte, als es mein Steuerberater empfiehlt.

Wenn ich keinen Überblick mehr habe (fehlende oder unübersichtliche Buchführung; Verselbständigung von Mitarbeitern, fehlende Einsichts- und Kontrollinstrumente).

Meine Geschäftspartner, Auftraggeber und Auftragnehmer sind aufgrund ihrer Geschäftspraktiken auffällig. Es entstehen hohe Erstattungsbeträge bei der Umsatzsteuer. Eine laufende Betriebsprüfung wird ohne eindeutigen Grund unterbrochen.

Ermittlungsverfahren im Hintergrund

Häufig laufen bereits intensive Ermittlungen im Hintergrund, ohne dass der Betroffene dies ahnt. Die Finanzverwaltung ist häufig klüger und weiß wesentlich mehr, als man sich vorstellen kann. Regelmäßig berichten die Medien von den wachsenden Zugriffs- und Ermittlungsmöglichkeiten des Staates. Die Welt wird kleiner. Die Finanzbehörden arbeiten zunehmend auch grenzüberschreitend mit Staaten wie Luxemburg, der Schweiz oder Russland zusammen. Der nationale und internationale Vollzugswille zur Durchführung der Besteuerung wächst.

Der Hausbesuch

Kommt es dann zum Hausbesuch, begegnet man der exzellent vorbereiteten Ermittlungstruppe der Steuerfahndung. Nicht selten greifen Einheiten von zehn oder mehr Beamten gleichzeitig am Wohnort, im Betrieb, beim Steuerberater oder auch bei Geschäftspartnern oder Banken zu. Durchsuchungsbeschlüsse ergehen häufig von Gerichten, die überlastet sind und nicht immer die gestellten Anträge hinreichend kritisch hinterfragen.

Verhalten beim Hausbesuch

Der Zugriff erfolgt meistens frühmorgens. Daher zunächst abtrocknen und Bademantel anziehen. Tief durchatmen und ruhig bleiben (auch in den nächsten Stunden immer wieder tief durchatmen). Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen, eine Visitenkarte des Leiters der Maßnahme geben, und rufen Sie sofort Ihren Anwalt /Steuerberater an. Er sollte direkt zu Ihnen kommen. Bemühen Sie sich um Höflichkeit und Sachlichkeit. In der Sache machen Sie keine Angaben und geben keine Auskünfte, egal wie verständnisvoll und freundlich die Fahnder sind. Kein Wort ohne Ihren Anwalt /Berater! Die von der Fahndung begehrten Beweismittel werden vorbehaltlich der Rücksprache mit dem Berater grundsätzlich nicht freiwillig, sondern nur aufgrund förmlicher Beschlagnahme herausgegeben, dies kann Auswirkungen auf das weitere Verfahren haben.

Der weitere Verfahrensgang

Nach Beendigung des Hausbesuches tritt meistens (vorläufig) Ruhe ein. Auf der Gegenseite hat man es regelmäßig mit folgenden „Partnern“ zu tun: Finanzamt für Fahndung und Strafsachen, Staatsanwaltschaft, Strafsachen- und Bußgeldstelle des Finanzamtes, ggf. Außenprüfung des Finanzamtes und Besteuerungsstelle des Finanzamtes. Zur Waffengleichheit und sachgerechten Wahrnehmung und Sicherung der eigenen Interessen und Rechte bedarf es nicht selten eines kleinen Teams von eigenen Beratern (Steuerberater und Anwalt). Achten Sie darauf, dass diese Berater in diesem Bereich (Außenprüfung, Steuerrecht, Steuerstrafrecht) schwerpunktmäßig tätig oder spezialisiert sind, möglichst als Fachanwälte.

Wiegen Sie sich nach dem Hausbesuch nicht in Sicherheit, wenn Sie denken, die Fahndung habe alles gefunden, wonach sie gesucht hat. Gelegentlich erfolgt genau in diesem Augenblick ein zweiter Zugriff.

Der Anwalt wird Akteneinsicht beantragen. Es ist ratsam, dass die Beteiligten auf beiden Seiten (Fahndung auf der einen, Verteidigung auf der anderen) sich über den Umgang miteinander abstimmen (in der Regel Kooperation, selten Konflikt- oder Krawallpolitik). Außerdem ist stets die Zweigleisigkeit von Besteuerungsverfahren einerseits und Strafverfahren andererseits zu beachten. Bei Abschluss der einen Ebene sollten die Auswirkungen auf die andere Ebene und der Abschluss der anderen Ebene nicht außer Acht gelassen werden.

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