Artikel erschienen am 10.07.2016
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Implantologie: Es fehlt Knochen – was nun?

Von PD Dr. med. Dr. med. Eduard Keese, Braunschweig | Dr. med. Christa Siemermann-Kaminski, Braunschweig

Auf kaum eine andere Frage aus dem Gebiet der Implantologie gibt es so viele und so unterschiedliche Antworten. Zwar besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass verlorener Knochen zu regenerieren ist. Jedoch sind viele Verfahren beschrieben, die abhängig von Art und Umfang des Defekts und dessen Lokalisation eingesetzt werden. Es spielen auch allgemeine Faktoren eine Rolle, die auf die Knochenregeneration Einfluss nehmen wie z. B. Lebensalter, Allgemeinerkrankungen, hormonelle Faktoren und Lebensgewohnheiten.

Schließlich kommen psychologische Faktoren hinzu, speziell dann, wenn die Frage entsteht, ob körpereigene Transplantate oder Fremdmaterialien eingesetzt werden sollen. Es wird letztlich im Einzelfall entschieden, welches Verfahren anzuwenden ist. Gehen Zähne verloren, baut der Körper den nicht mehr belasteten Knochenanteil ab. Für ein Zahnimplantat muss aber ausreichend Knochenvolumen vorhanden sein. Es muss zwar nicht jedes Knochendefizit aufgebaut werden, jedoch sind gerade Fälle mit hohem ästhetischem Anspruch oder nach langer Zahnlosigkeit ohne die aufbauenden Techniken kaum zu lösen.

Abb. 1: Schema: Ein separat entnommenes Knochenstück wird mit kleinen Schrauben fixiert. Später werden die kleinen Schrauben entfernt und gleichzeitig ein Implantat gesetzt.

Abb. 2a: Kieferdefekt (KD) in Nervnähe (N) – ausgelöst durch einen zerstörten Zahn (Z)
Abb. 2b: Defektaufbau durch Transplantate vom Unterkiefer (T) – Fixierung mit Mikroschrauben
Abb. 2c: Eingeheilte Implantate (I) bereits nach der Freilegung – vor der Prothetik

Ein größeres Knochendefizit wird häufig durch einen separaten Eingriff ausgeglichen. Dabei wird entnommener Eigenknochen transplantiert. Dieses körpereigene Gewebe bildet nach der Einheilung ein stabiles Fundament für die Implantate. Es können damit zu schmale oder zu flache Kieferbereiche aufgebaut werden. Der gewonnene Knochen wird mit kleinen Schrauben fixiert und muss i. d. R. 4–6 Monate heilen (Abb. 1). Erst danach werden die Implantate gesetzt. Diese heilen dann auch etwa drei Monate ein und danach folgt die Prothetik – ein langer Weg, der gut geplant werden will. Je nach Größe des Knochendefizits kann die Knochenentnahme in der Mundhöhle selbst erfolgen (Abb. 2) oder in extremen Fällen auch aus der Hüftregion (Abb. 3). Kleinere Knochendefekte können mit Knochenspänen oder Fremdmaterialien direkt bei der Implantatoperation aufgebaut werden (Abb. 4).

Abb. 3a: Kieferdefekt in Nervnähe (N) Abb. 3b: Defektaufbau durch Hüfttransplantate (T) Abb. 3c: Eingeheilte Implantate 2 Jahre später

Abb. 4a: Knochendefekt (KD) nach Zahnverlust
Abb. 4b: Kieferaufbau und Implantat­operation in einem Eingriff
Abb. 4c: Nach 3 Monaten erfolgte die Kronenversorgung durch den Hauszahnarzt. Die Rot-Weiß-Grenze wurde wiederhergestellt

Sinuslift

Der sog. Sinuslift ist ein operatives Verfahren, den Oberkiefer im Bereich der Backenzähne zu erhöhen. Gerade in dieser Region gibt es verschiedene anatomische Variationen und häufig auch Situationen nach Zahnverlusten, bei denen der Kiefer stark reduziert ist und das Implantatlager aufzubauen ist.

Im Eingriff wird zunächst die Kieferhöhlenschleimhaut angehoben und dann das Aufbaumaterial der Wahl eingebracht (Abb. 5). Dies lässt sich in örtlicher Betäubung, in einem Dämmerschlaf (Sedierung) oder einer Vollnarkose durchführen. Es treten danach Schmerzen auf wie bei einer Zahnentfernung. Allerdings können die Schwellungen ausgeprägter sein. Komplikationen, wie Entzündungen, Nachblutungen, Misserfolge oder Eröffnung der Kieferhöhle und Zahnschäden an Nachbarzähnen sind sehr selten.

Abb. 5a: Im Bereich der Zahnlücke ist der Kiefer nur wenige Millimeter stark.
Abb. 5b: Kieferaufbau durch Sinuslift und gleichzeitige Implantatversorgung
Abb. 5c: Bildung eines neuen Kieferhöhlenbodens und eines stabilen Implantat-Knochen-Verbunds

Je nach individueller Situation wird das Implantat gleichzeitig oder nach einem Intervall von bis zu sechs Monaten in einem zweiten Eingriff gesetzt. In diesem Fall ist zwar die Wartezeit auf die definitive Versorgung länger, jedoch bietet sich bei schwierigen Ausgangslagen eine größere Sicherheit, das Implantat erst nach erfolgreicher Kieferregeneration zu setzen.

Man unterscheidet zwischen innerem und äußerem Sinuslift. Die Kieferhöhle wird bei äußerem Sinuslift über die Mundhöhle im Bereich der Wange operativ dargestellt, um einen Aufbau unter Sicht einbringen zu können. Beim inneren Sinuslift wird der Implantatkanal (das Bohrloch für das Implantat) zur Platzierung des Knochenmaterials genutzt. Dieser Kanal wird vorsichtig unter Schonung der Kieferhöhlenschleimhaut (die Kieferhöhle selbst bleibt ungeöffnet) durchstoßen. Das Knochenmaterial wird dann durch diesen Kanal platziert. Dieses Verfahren wird oftmals allerdings nur für kleinere Aufbauten genutzt.

Fazit

Mithilfe der aufbauenden Techniken können Implantate auch in solchen Fällen gesetzt werden, in denen es früher nicht möglich war. Eine Prothese kann damit so manchem Patienten erspart bleiben.

Fotos: Praxisgemeinschaft – Ärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

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