Artikel erschienen am 21.02.2017
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Arbeitnehmerentsendungen

Grundlagen und Wechselwirkungen von Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht

Von Dr. rer. pol. Simone Wick, Hamburg | Johann Moritz Leverkühn, Hamburg

Neben weltweit agierenden Konzernen setzen sich seit einigen Jahren auch vermehrt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit dem Thema des internationalen Mitarbeitereinsatzes auseinander. Jeder „Schritt über die Grenze“ eines Arbeitnehmers bedarf mit Blick auf Arbeitsrecht, Sozialversicherung und Steuern der vorausschauenden Prüfung und Planung.

Im Folgenden werden wesentliche Aspekte für entsandte Arbeitnehmer (Expats) auf Basis der deutschen Vorschriften dargestellt. Die Ausführungen gelten grundsätzlich sowohl für Inbound-Entsendungen (aus dem Ausland nach Deutschland) als auch für Outbound-Fälle aus Deutschland heraus.

Arbeitsrechtliche Grundlagen

Steht ein Auslandseinsatz an, ist zunächst die arbeitsvertragliche Grundlage zu schaffen. Hierbei stellt sich meist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis im Heimatstaat bestehen bleiben soll oder vorübergehend ruhend gestellt wird. Im ersten Fall sollte eine den Arbeitsvertrag ergänzende Ent­sende­ver­ein­barung, im zweiten Fall eine Ruhens­vereinbarung und ein Arbeits­vertrag im Entsende­staat geschlossen werden. Die Wahl eines dieser beiden Grund­modelle hat gravierenden Einfluss auf die weitere arbeits- und sozial­ver­sicherungs­recht­liche Einordnung des internationalen Mit­arbeiter­einsatzes.

Parallel zu den deutschen Vorschriften sind die nationalen Regelungen des anderen Staates zu beachten. Insbesondere in Outbound-Fällen kann z. B. zur Erlangung eines Visums der Abschluss eines lokalen Arbeitsvertrages zwingend sein. Dies führt zu einem weiteren wich­tigen Aspekt: Bei Expats ist stets vor der Einreise zu prüfen, ob ein Visum bzw. eine Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung notwendig ist. Hierfür ist ausreichend Zeit einzuplanen.

Grundsätzlich sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei in der Rechtswahl. Das bedeutet, es kann sowohl das Recht des Heimatstaates als auch das Recht des aufnehmenden Staates im jeweiligen Vertrag zur Anwendung gebracht werden. Allerdings gibt es fast in jedem Staat zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften, die trotzdem vorrangig zur Anwendung kommen. Welche dies sind und welche Auswirkungen sich daraus ergeben, sollte stets vorab geklärt werden, damit sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf einstellen können.

Sozialversicherungsrecht

Gemäß dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Territorialitätsprinzip haben Arbeitnehmer grundsätzlich in dem Land, in dem sie tatsächlich tätig sind, auch Beiträge ins Sozialversicherungssystem einzuzahlen. Hieraus können sich für den Arbeitnehmer nachteilige Effekte ergeben: In den meisten Ländern sind vor allem bei der Rentenversicherung für den Bezug von Leistungen Mindestversicherungszeiten zu erfüllen. Diese werden von Expats häufig nicht erreicht. Gleichzeitig werden im Heimatland keine weiteren Beiträge geleistet und die späteren Altersbezüge somit nicht weiter aufgebaut. Zudem stellt sich z. B. auch die Frage nach der Weiterversicherung der im Heimatland verbleibenden Familienmitglieder.

Um gerade bei kurzfristigen Auslandseinsätzen eine Kontinuität im Versicherungsverlauf zu erreichen und Doppelversicherungen zu vermeiden, streben viele Arbeitnehmer einen Verbleib im Sozialversicherungssystem des Heimatstaates an. Bei Fällen innerhalb der EU-/EWR-Staaten greifen zu diesen Zwecken einheitliche Vorschriften zur Entsendung. Werden bestimmte Voraussetzungen erfüllt, bleibt der Arbeitnehmer in seinem Heimatstaat beitragspflichtig und anspruchsberechtigt. Erforderlich ist u. a., dass der Arbeitgeber eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Entsendestaat ausübt und dass auch während der befristeten Auslandstätigkeit die arbeitsrechtliche Bindung zu diesem Arbeitgeber bestehen bleibt.

Außerhalb der EU/des EWR hat Deutschland mit vielen Staaten Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Auf dieser Basis kann zumindest für einzelne Versicherungszweige ein Verbleib im bisherigen System erreicht werden. Die Voraussetzungen und die erfassten Versicherungszweige variieren in den einzelnen Abkommen, sodass jeweils eine Einzelfallprüfung erforderlich ist.

Bei Entsendungen zwischen Deutschland und dem vertraglosen Ausland kann eine Einstrahlung bzw. eine Ausstrahlung nach den deutschen Vorschriften des Sozialgesetzbuch IV zum Tragen kommen. Auch in diesen Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Weitergeltung der Vorschriften des Heimatstaates erreicht werden.

Greift keine der vorgenannten Varianten, sollte die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung geprüft werden. Abschließend ist zu festzustellen, ob den Arbeitgeber Einbehaltungs- und Abführungspflichten treffen.

Steuerliche Auswirkungen

Für den Arbeitgeber stellen sich aus steuerlicher Sicht diverse Fragen. Hinsichtlich Verrechnungspreisen ist zu prüfen, welches der beteiligten Unternehmen die mit der Entsendung verbundenen Kosten (Gehalt, Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Reisekosten etc.) nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu tragen hat. Dieser Aspekt beeinflusst zum Teil die weiteren steuerlichen Themenfelder, sodass es sich in der Praxis oft empfiehlt, mit dieser Thematik zu beginnen.

Im Weiteren ist zu prüfen, ob der entsandte Arbeitnehmer eine Betriebsstätte des Arbeitgebers im anderen Land begründet. Hierbei ist u. a. darauf abzustellen, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer im anderen Land ausübt, ob eine feste Einrichtung im Ausland besteht bzw. welche Unterschriftenbefugnisse der Expat hat.

Für die persönliche Besteuerung des Expat gilt: Arbeitnehmer mit einem Wohnsitz oder ihrem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland sind unbeschränkt steuerpflichtig. Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, kann sich über eine inländische Tätigkeit zumindest eine beschränkte Steuerpflicht ergeben. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob im anderen Staat ebenfalls eine (un-)beschränkte Steuerpflicht entsteht. In diesen Fällen kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen. Zur Vermeidung einer doppelten Belastung hat Deutschland mit vielen Staaten so genannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen. Da es sich bei den DBA stets um bilaterale Verträge handelt, sind im konkreten Fall die Vorschriften des jeweils gültigen DBA zu prüfen.

Auf Basis der DBA-Vorschriften wird zunächst der Ansässigkeitsstaat bestimmt. Dieser richtet sich i. d. R. nach dem Vorhandensein eines Wohnsitzes bzw. dem Mittelpunkt der Lebensinteressen. Danach wird für jede einzelne Einkunftsart das Besteuerungsrecht zugeordnet. Für Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erfolgt dies zumeist nach einem mehrstufigen Verfahren: Grds. darf der Wohnsitzstaat derartige Einkünfte versteuern. Eine Ausnahme gilt, wenn die Tätigkeit im anderen Staat ausgeübt wird. Allerdings fällt das Besteuerungsrecht wieder an den Wohnsitzstaat zurück, wenn kumulativ die Vorgaben der sog. 183-Tage-Regelung erfüllt sind. Hier ist neben der Anzahl der Aufenthalts- bzw. Werktage insbesondere auch darauf abzustellen, welches Unternehmen die Kosten trägt. In einigen DBA sind daneben Sonderregelungen für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern – wie leitende Angestellte oder Grenzgänger – zu beachten.

Steht fest, in welchem Land ein Arbeitnehmer steuerpflichtig ist, stellt sich für den Arbeitgeber ergänzend die Frage, ob ihn eine Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt in diesem Land trifft.

Wechselwirkungen und Fazit

Eine Arbeitnehmerentsendung bedarf in jedem Fall der frühzeitigen Prüfung und Planung um alle rechtlichen Anforderungen zu erfüllen und miteinander in Einklang zu bringen. Aufgrund von Wechselwirkungen und zum Teil sogar gegenläufiger Anforderungen sind die diversen Fragestellungen parallel und in fortwährender Abstimmung zu bearbeiten.

Ist z. B. nach dem Recht des aufnehmenden Staates ein lokaler Arbeitsvertrag notwendig, kann dies dazu führen, dass die Voraussetzungen für eine Ausstrahlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht erfüllt werden und der Arbeitnehmer im anderen Land beitragspflichtig wird. Ähnlich verhält es sich mit Ver­rechnungs­preis­themen und der Fortgeltung der deutschen Sozialversicherung nach den nationalen Regelungen: Ist mit Blick auf den Fremd­ver­gleichs­grund­satz eine Weiter­belastung von Kosten an das aufnehmende Unternehmen erforderlich, so trägt der entsendende deutsche Arbeitgeber die Kosten wirtschaftlich nicht und es handelt sich ebenfalls nicht mehr um eine Ausstrahlung.

Weitere Wechselwirkungen können sich innerhalb der verschiedenen steuerlichen Themenfelder ergeben: So führt die Begründung einer Betriebsstätte durch den entsandten Arbeitnehmer selber dazu, dass auch bei einem Aufenthalt von weniger als 183 Tagen das Besteue­rungs­recht auf den anderen Staat übergehen kann.

Schon diese Beispiele zeigen: Eine enge Abstimmung zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten im Vorhinein ist bei jeder Entsendung unerlässlich. Nur so kann für den Einzelfall die beste Gesamtlösung gefunden werden.

Bild: Fotolia/DenisIsmagilov

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